Trotz mehrfach versprochenem Willen zur quasi brutalstmöglichen Aufklärung verweigert die Bundesregierung öffentliche Antworten zum größten Überwachungsskandal der Menschheitsgeschichte. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage werden die interessantesten Details als geheim deklariert. Pikant ist die Aussage, dass die Bundesregierung eine „Full take“ Überwachung für legal hält.
Um im Sommer von Snowden und Wahlkampf etwas Aktionismus zu zeigen, hat die SPD-Bundestagsfraktion vor drei Wochen eine kleine Anfrage mit 115 Fragen an die Bundesregierung gestellt. Am Dienstag wurde die Antwort verschickt, die der Abgeordnete Thomas Oppermann gestern veröffentlichte.
Geheime Antworten
Wenig überraschend sind weite Teile der Antworten ausweichend, andere sind mit den Geheimhaltungsstufen „Nur für den Dienstgebrauch“, „Vertraulich“ oder gar „Geheim“ versehen. Immer wieder finden sich Sätze wie:
Im Übrigen wird auf das bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte GEHEIM eingestufte Dokument verwiesen.
In die Geheimschutzstelle dürfen nur Abgeordnete ohne Möglichkeit zu Kopien oder Aufzeichnungen. Angefragte Bundestags-Büros wollten netzpolitik.org auch nicht sagen, was sie dort zu Lesen bekamen. Transparenz-Offensive vom Feinsten.
Die USA überwacht keine Deutschen
Die übrigen Antworten sollen beruhigen:
Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine flächendeckende Überwachung deutscher oder europäischer Bürger durch die USA erfolgt.
Die Bundesregierung und auch die Betreiber großer deutscher Internetknotenpunkte haben keine Hinweise, dass durch die USA in Deutschland Daten ausgespäht werden.
Die haben wohl in den letzten Wochen keine Nachrichten gelesen.
500 Millionen Verbindungsdaten jeden Monat
Wir helfen mal mit einem Zitat aus dem Spiegel:
Laut einer internen Statistik werden in der Bundesrepublik monatlich rund eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen überwacht. Darunter versteht die NSA sowohl Telefonate als auch Mails, SMS oder Chatbeiträge.
Ach die Massenüberwachung! Also das machen wir doch:
Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in den Medien behauptete Erfassung von ca. 500 Mio. Telekommunikationsdaten pro Monat durch die USA in Deutschland sich durch eine Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der NSA erklären lässt.
Na was denn nun?
Wenn du mal nicht weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis
Und weiter mit Unwissenheit. Nach dem „aktuellen Kenntnisstand der Bundesregierung hinsichtlich der Aktivitäten der NSA“ gefragt, antwortet diese:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat eine Sonderauswertung eingerichtet, über deren Ergebnisse informiert wird, sobald sie vorliegen.
Wir haben einen Arbeitskreis gegründet.
Botschaften ausspioniert? Welche Botschaften?
Ende Juni berichtete der Guardian:
US intelligence services are spying on the European Union mission in New York and its embassy in Washington, according to the latest top secret US National Security Agency documents leaked by the whistleblower Edward Snowden.
Die Bundesregierung dazu:
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu angeblichen Ausspähungsversuchen US-amerikanischer Dienste gegen deutsche bzw. EU-Institutionen oder diplomatische Vertretungen vor.
Aha.
Die Versprechen des Herrn Friedrich
Immerhin hatte die NSA unserem Innenminister versprochen, Dokumente zu deklassifizieren. Mal abgesehen davon, dass die Fakten und einige Dokumente durch Snowden ohnehin schon öffentlich sind, bleibt unklar, welche Dokumente den Behörden übergeben werden sollen und wann. Das liege im Aufgabengebiet der USA.
Am Tag der ersten Veröffentlichung aus den Dokumenten hatten die Verantwortlichen aus Deutschland und den USA Wichtigeres zu besprechen:
Am 6. Juni 2013 führte Staatssekretär Fritsche Gespräche mit General Keith B. Alexander Gesprächsgegenstand war ein allgemeiner Austausch über die Einschätzungen der Gefahren im Cyberspace, PRISM war nicht Gegenstand der Gespräche.
Zum umstrittenen Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut sagt die Bundesregierung:
Das 1959 abgeschlossene Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut ist weiterhin gültig und wird auch angewendet.
Abhörstation Bad Aibling
Bereits 1999 berichtete der Spiegel über die Bad Aibling Station:
In der vergangenen Woche gab der amerikanische Geheimdienstchef gegenüber Uhrlau und dem Berliner Kanzleramt die Versicherung ab, Bad Aibling sei und bleibe „weder gegen deutsche Interessen noch gegen deutsches Recht gerichtet“.
Uhrlau sieht durch das NSA-Versprechen „die in der Öffentlichkeit entstandene Geheimniskrämerei um Bad Aibling angemessen und eindeutig beendet“. So wird in dem Papier ausdrücklich jedwede „Weitergabe von Informationen an US-Konzerne“ ausgeschlossen.
Wie das mit den aktuellen Enthüllungen zur derzeitungen Nutzung zusammen passe, will die Bundesregierung nicht öffentlich sagen: alle Antworten dazu sind geheim.
Welche Überwachungsstationen in Deutschland?
Aber es geht noch weiter:
Durch die NSA genutzte Überwachungsstationen in Deutschland sind der Bundesregierung nicht bekannt.
Da helfen wir gerne mit einem Zitat aus der Wikipedia:
Bei Griesheim in der Nähe von Darmstadt befindet sich der Dagger Complex der US-Armee. Er wird von der NSA genutzt. In Wiesbaden wird zurzeit ein neues Consolidated Intelligence Center der US-Armee errichtet, das 2015 auch die NSA benutzen soll.
Nach den Unterlagen von Edward Snowden „unterhalten NSA-Abhörspezialisten auf dem Gelände der Mangfall-Kaserne in der Nähe der ehemaligen Bad Aibling Station eine eigene Kommunikationszentrale und eine direkte elektronische Verbindung zum Datennetz der NSA.“ Der BND leitet hier Verbindungsdaten von Telefonaten, E-Mails oder SMS an die NSA weiter. Die Bezeichnung der Datenquelle auf NSA Seite hierfür ist Sigad US-987LA bzw. -LB. Laut BND werden diese Daten vor der Weiterleitung an die NSA „um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten Deutscher bereinigt.“
Gern geschehen.
XKeyscore, der „Tyrannosaurus Rex auf Ecstasy“
Immerhin gibt es ein paar neue Details zum Einsatz des Tyrannosaurus Rex auf Ecstasy „XKeyscore“ deutscher Behörden:
XKeyscore ist bereits seit 2007 in einer Außenstelle des BND (Bad Aibling) im Einsatz. In zwei weiteren Außenstellen wird das System seit 2013 getestet.
In der Dienststelle Bad Aibling wird bei der Satellitenerfassung XKeyscore eingesetzt. Hierauf bezieht sich offensichtlich die bezeichnete Darstellung des Magazins DER SPIEGEL.
Und der Verfassungsschutz:
Die Software wurde am 17. und 18 Juni 2013 installiert und steht seit dem 19. Juni 2013 zu Testzwecken zur Verfügung.
Man ist sich sicher, dass die NSA keinen Zugriff auf ihre Software hat, denn der Verfassungsschutz betreibt es „abgeschottet“:
Im BfV wird XKeyscore sowohl im Test- als auch in einem möglichen Wirkbetrieb von außen und von der restlichen IT-Infrastruktur des BfV vollständig abgeschottet als „Stand-alone“-System betrieben. Daher kann ein Zugang amerikanischer Sicherheitsbehörden ausgeschlossen werden.
Beim Bundesnachrichtendienst steht keine Erklärung dazu, es ist einfach „sicher“:
Beim BND ist ein Zugriff auf die erfassten Daten oder auf das System XKeyscore durch Dritte ausgeschlossen, ebenso wie ein Fernzugriff.
Deutsche Dienste machen „Full take“
Etwas verwirrend ist die Antwort zur Frage, ob ein „Full Take“ deutscher Geheimdienste legal wäre:
„Full take“ bei Überwachungssystemen bedeutet gemeinhin die Fähigkeit, neben Metadaten auch Inhaltsdaten zu erfassen. Eine solche Nutzung wäre im Rahmen und in den Grenzen des Artikel 10-Gesetzes zulässig.
Mit „Full Take“ wurden bisher Programme wie das britische Tempora bezeichnet, die einmal ausnahmslos jede Kommunikation ganzer Kommunikationskanäle wie Glasfaserleitungen abhören und speichern. Hat die Bundesregierung hier gerade zugegeben, das auch zu tun? Das wäre tatsächlich ein krasser Skandal.
Sonst ist die Antwort eher wenig aussagekräftig. Aber die Regierung hält ohnehin alle Verdächtigungen für ausgeräumt.
danke für die mühe herr meister. aber wir wissen doch bestimmt alle, dass wir von vorne bis hinten verarscht werden. und nullkommanix passiert…..doch, pofalla und friedrich beenden…..ich vergass.
was für eine verarsche kommt als nächtstes…achja…die vorratdatenspeicherung…wie schön.
united stasi of america
die totale globale überwachung
leyendarsteller:
merkel
friedrich
pofalla
maaßen
…
..
.
und wehe es kommt einer auf die idee, nachzusehen ob da gelernte juristen dabei sind!
die haben alle ein neuen beruf und den verstand/hirn, früh an der bundestag garderobe abgegeben. :)
Eine „Sonderausweitung“? Also entweder ist das nur ein Tippfehler oder eine riesige Sauerei!
Im PDF steht natürlich Sonderauswertung, da war mein OCR fehlerhaft. Ist korrigiert.
Ihr erwähnt den Dagger Complex bei Darmstadt und das Consolidated Intelligence Center bei Wiesbaden. Dabei wisst ihr doch genau, dass das nicht in Deutschland liegt, sondern amerikanisches Staatsgebiet ist. Ebenso wie die ehemalige(!) Bad Aibling Station.
We’re all living in America!