Das Europäische Parlament fordert, die Netzneutralität in der Europäischen Union gesetzlich zu verankern. Das haben die Abgeordneten heute mit großer Mehrheit in gleich zwei Entschließungsanträgen beschlossen. Das Parlament fordert damit die Kommission auf, endlich gegen die permanente Verletzung der Netzneutralität vorzugehen statt weiter auf Zeit zu spielen und abzuwiegeln.
In der Entschließung zum Bericht zur Vollendung des digitalen Binnenmarkts heißt es, das Parlament:
- fordert die Kommission auf, Legislativvorschläge zur Gewährleistung der Netzneutralität zu unterbreiten
- bekräftigt seine Unterstützung für ein offenes Internet, in dem Inhalte und einzelne kommerzielle Dienste nicht blockiert werden können
- verweist auf die jüngsten Erkenntnisse des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK)
- hält weitere Maßnahmen zur Gewährleistung der Netzneutralität für erforderlich
- verweist erneut auf die potenziellen Herausforderungen im Zusammenhang mit einer Abweichung vom Prinzip der Netzneutralität, etwa durch wettbewerbswidriges Verhalten, das Blockieren von Innovationen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, mangelndes Verbraucherbewusstsein und Verletzungen der Privatsphäre
- weist ferner darauf hin, dass mangelnde Netzneutralität sowohl den Unternehmen als auch den Verbrauchern und der Gesellschaft als Ganzes schadet
In einer weiteren Entschließung zum Bericht zu einer digitalen Freiheitsstrategie in der Außenpolitik der EU heißt es, dass Parlament:
- unterstützt den Grundsatz der Netzneutralität nachdrücklich, namentlich dass die Internetdienstanbieter keine Sperrungen, Diskriminierungen, Beeinträchtigungen, Einschränkungen, einschließlich Einschränkungen über den Preis, im Zusammenhang mit den Möglichkeiten eines jeden Nutzers vornehmen, beliebige Inhalte, Anwendungen oder Dienste nach freier Wahl quellen- und zielunabhängig über einen Dienst abzurufen, zu nutzen, zu senden, zu veröffentlichen, zu empfangen oder anzubieten
- fordert die Kommission und den Rat auf, hohe Standards auf dem Gebiet der digitalen Freiheiten in der EU zu fördern und aufrechtzuerhalten, insbesondere durch die Kodifizierung des Grundsatzes der Netzneutralität durch eine entsprechende Rechtsvorschrift, um die Glaubwürdigkeit der Union im Hinblick auf die Förderung und Verteidigung der digitalen Freiheiten in der ganzen Welt zu stärken
Nach einer Entschließung zur Netzneutralität im November 2011, ist das nun schon das zweite Mal, dass das Europäische Parlament die Kommission auffordert, ihren „Laissez-faire“ Ansatz in diesem wichtigen Politikbereich endlich zu beenden.
Wie wir bereits mehrfach berichtet haben, wird die Netzneutralität schon jetzt permanent verletzt. Das sagt auch das „Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation“ (BEREC) in Untersuchungen eigens für die Kommission. Trotzdem spielt die Kommission auf Zeit und verweist auf den nicht-funktionierenden Markt.
Auch der Verein Digitale Gesellschaft hat die EU-Kommission bereits aufgefordert, ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen. Schön, dass auch das Europaparlament das erneut deutlich macht.
Joe McNamee, Geschäftsführer von EDRi, kommentiert:
Nutzer und Entwickler, und nicht Zugangsanbieter, sollten weiterhin entscheiden, wie sie das Internet nutzen wollen, wenn es weiterhin sein Potential als barrierelosen Binnenmarkt und einzigartige Plattform für soziale und kulturelle Aktivitäten und demokratischen Diskurs erfüllen soll.
Es würde die Glaubwürdigkeit unterstreichen, wenn als erste Tat gleich mal Nutzer des Tor-Netzwerkes nicht mehr von EU-Seiten ausgeschlossen werden.
Äußerst überraschend. Alles unter europa.eu über Tor nicht erreichbar :o
…Schade dass die EU Kommission das alleinige Initiativrecht hat und das EU Parlament nur absegnen kann. Ein Hoch auf den Exekutivföderalismus.