Jeden Tag erhält die Polizei Handydaten von tausenden Unschuldigen, indem sie alle Geräte in bestimmten Funkzellen von Mobilfunkanbietern abfragt. Die betroffenen Personen erfahren davon nichts, obwohl sie laut Gesetz informiert werden müssen. Als erstes Bundesland will Berlin jetzt diese gesetzliche Pflicht erfüllen. Dazu wird derzeit eine Plattform unter fza.berlin entwickelt, die schon bald in Betrieb gehen soll. Wir haben ein Interview mit dem verantwortlichen Senator geführt.
Dr. Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) ist seit Dezember 2016 Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in Berlin. Von 2006 bis 2016 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses. Er twittert unter @Dirk_Behrendt.
Benachrichtigung nach Abschluss der Ermittlungen
netzpolitik.org: Herr Senator, letztes Jahr gab es 474 Funkzellenabfragen in Berlin, dabei hat die Polizei rund 59 Millionen Datensätze erhalten. Wie oft waren Ihre Handydaten dabei?
Behrendt: Wie alle anderen Berlinerinnen und Berliner kann ich Ihnen das nicht sagen. Da ich mich viel durch die Stadt bewege und zwei Mobiltelefone bei mir habe, wird dies sicherlich häufiger geschehen sein.
netzpolitik.org: Laut Gesetz müssen Betroffene informiert werden, wenn ihre Handydaten bei der Polizei landen. Bisher ist das nie passiert. Vor vier Jahren hat das Abgeordnetenhaus Berlin ein System zur Benachrichtigung per SMS beschlossen. Der schwarz-rote Vorgänger-Senat hat das ignoriert. Rot-rot-grün hat letztes Jahr einen neuen Anlauf angekündigt. Wann startet das System?
Behrendt: Das Pilotprojekt soll in den kommenden Wochen starten. Es wird zunächst mit einer begrenzten Anzahl an Personen beginnen. Dabei können wir testen, ob alle Abläufe funktionieren.
Die Interessierten können sich dann anmelden, um über Funkzellenabfragen informiert zu werden, in die sie geraten sind. Um Missverständnissen vorzubeugen sei gesagt, dass die Teilnehmenden nicht sofort nach der Anmeldung entsprechende Informationen erlangen werden. Denn Informationen werden selbstverständlich erst nach Abschluss der jeweiligen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erteilt. Die Betroffenen können also erst dann benachrichtigt werden, wenn die Ermittlungen, in welchen die Funkzellenabfragen angewandt wurden, abgeschlossen sind. Wann genau dies geschieht, hängt von der Dauer der jeweiligen Ermittlung ab.
netzpolitik.org: Wird das System nur über zukünftige Funkzellenabfragen informieren oder auch über bereits erfolgte?
Behrendt: Rückwirkend können wir diese Informationen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilen. Es bestünde beispielsweise die Gefahr, dass die Handynummer in der Vergangenheit gewechselt wurde. Damit könnten Informationen über eine andere Person mitgeteilt werden.
Keine Funkzellenabfragen bei Demonstrationen
netzpolitik.org: Welches Feedback von Bürgern erwarten Sie, wenn diese erfahren, wie oft deren Daten bei der Polizei landen?
Behrendt: Wenn der Staat mit geheimen Maßnahmen überwacht, muss er es wenigstens hinterher offenlegen. Bürgerinnen und Bürgern sind nach Abschluss der Ermittlungen darüber zu informieren, in welchem Ausmaß sie betroffen waren. Als mündige Bürgerinnen und Bürger ist es dann deren Entscheidung, was sie mit dieser Information machen.
netzpolitik.org: Mit diesem System ist Berlin Vorreiter in Deutschland. Erwarten Sie, dass andere Bundesländer dem Beispiel folgen und ebenfalls anfangen, Betroffene zu informieren?
Behrendt: Über Nachahmer freuen wir uns immer. Ich bin gespannt, wie die anderen Bundesländer erfüllen, was die Strafprozessordnung vorschreibt. In § 101a Absatz 6 der Strafprozessordnung ist eine Information vorgesehen. Dies gilt schließlich auch in anderen Bundesländern.
netzpolitik.org: Der Landesdatenschutzbeauftragte hat festgestellt, dass Behörden die Funkzellenabfrage „routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben“ einsetzen. Welche Schritte wurden seitdem ergriffen, diese Rechtsbrüche einzustellen?
Behrendt: Durch den damaligen Bericht des Datenschutzbeauftragten gab es in der vergangenen Legislatur eine breite öffentliche Debatte. Diese Debatte führte letztlich zu dem Beschluss des Abgeordnetenhauses, ein solches Pilotprojekt in die Wege zu leiten. Ich gehe davon aus, dass diese Debatte auch die Sensibilität der Staatsanwaltschaft erhöht hat.
Weder Wundermittel noch Teufelszeug
netzpolitik.org: Begründet wird die Handy-Rasterfahndung oft mit schwersten Straftaten und Terrorismus. Tatsächlich passieren die meisten Abfragen wegen Diebstahl, Raub und Einbruch. Ist das verhältnismäßig?
Behrendt: Es gibt einen festen Katalog von mittleren und schweren Straftaten. Das hat der Bundesgesetzgeber so in die Strafprozessordnung geschrieben. Wer das ändern möchte, muss den Bundesgesetzgeber überzeugen.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gibt es weitere Voraussetzungen für den Einsatz dieser Ermittlungsmethode. Die Funkzellenabfrage darf beispielsweise nur nachrangig eingesetzt werden. Also wenn andere Ermittlungsmethoden keinen Erfolg versprechen. Darüber hinaus muss die Tat im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sein. Als weitere Hürde muss in jedem einzelnen Fall ein richterlicher Beschluss vorliegen.
Außerdem sind wir uns in Berlin politisch darüber einig, dass Funkzellenabfragen etwa bei Demonstrationen nicht stattfinden. Das wäre in der Tat unverhältnismäßig.
netzpolitik.org: Im Vorjahr wurden Funkzellenabfragen in 432 Ermittlungsverfahren durchgeführt, aber nur 22 führten zur Anklage. Für wie effektiv halten Sie das Ermittlungsinstrument?
Behrendt: Ich halte es weder für ein Wundermittel, noch für Teufelszeug. Es ist eines von mehreren Ermittlungsinstrumenten der Staatsanwaltschaft, das kriminologisch sinnvoll eingesetzt werden muss und kann. Außerdem müssen die Betroffenen nach Abschluss der Ermittlungen informiert werden. Genau daran arbeiten wir.
Man muss sich anmelden? Ich vermisse die kritische Nachfrage, ob das so wirklich sinnvoll ist, wieder schön weichgewaschen der Prozess. Oder ist das nur für den Testversuch so? Nehme mal nicht an…
So steht’s im Beschluss des Abgeordnetenhauses:
Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein kritisiert das:
Bürger startet Pilotprojekt.
Wie Bürgerin Orlet mitteilt, prüft sie intensiv, sich künftig an die Strassenverkehrsordnung halten zu wollen. Ein erstes Pilotprojekt hierzu soll zunächst auf der A93 im Raum Regensburg starten. Weitere Autobahnmeisteteien sollen sich dann per SMS dem Projekt anschliessen können. Ob andere Bürger dem Vorstoss von Bürgerin Orlet folgen werden, schliesslich gilt die STVO für alle, kann derzeit nicht vorausgesagt werden. Nachahmer seien aber gerne gesehen. Ausgeschlossen hat Bürgerin Orlet die Ausweitung des Projektes auf Land- und innerstädtische Strassen. Das Wäre dann doch zu umständlich. Auf die Frage, warum sie Ihr gesetzwidriges Verhalten nicht durch Verzicht auf den PkW aufgebe, sagte sie: Raserei ist nun zwar kein Allheilmittel, aber auch kein Teufelszeug.
Habe ich mittlerweile ein Staatsneurose?…
… Rückwirkend können wir diese Informationen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erteilen. …
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… Denn Informationen werden selbstverständlich erst nach Abschluss der jeweiligen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erteilt. …
Wenn man mal die Ermittlungszeit bei „Straftaten“ im Zuge von Großveranstaltungen betrachtet…
Dann rechne ich nicht damit das jemals irgendwer solch eine SMS erhält…
Klingt eher nach Feigenblatt und selbst das nur ein sehr kleines…