In dieser Woche nimmt die Electronic Frontier Foundation an der 32. Internationalen Konferenz der Datenschutzbeauftragten teil. Dort forderte die Organisation die teilnehmenden Behörden dazu auf, sich für die Aufhebung der Richtlinie von 2006 über die Vorratsdatenspeicherung einzusetzen. Die sehr umstrittene Richtlinie verpflichtet die europäischen Mitgliedstaaten, nationale Gesetze zu erlassen, nach denen Daten von den Telekommunikationsdiensteanbietern auf Vorrat gespeichert werden müssen, ohne dass ein Anfangsverdacht oder eine konkrete Gefahr besteht. Es sollen vor allem Verkehrs- und Standortdaten gespeichert werden.
Die Richtlinie wird stark von Bürgerrechts- und Datenschutzorganisationen kritisiert. Auf europäischer Ebene setzt sich vor allem die Organisation European Digital Rights (EDRi) gegen die Richtlinie ein, in Deutschland ist es der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat). Der AK Vorrat begleitete seit September 2006 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung, an der 34.939 Menschen teilnahmen. Am 2. März 2010 verkündete das Bundesverfassungsgericht das Urteil und erklärte die Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung für nicht verfassungsgemäß.
Nun will die EU die Richtlinie überprüfen. Die für Inneres zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström räumte bereits ein, dass die Richtlinie damals zu hastig beschlossen wurde. Allerdings sagte sie in einem Gespräch mit der Zeit, dass die Bürger der EU sich auch mehr Sicherheit wünschen würden und einige Mitgliedstaaten die Richtlinie zur Verbrechensbekämpfung sehr nützlich finden. Die Artikel-29-Datenschutzgruppe der EU kritisierte jedoch in einem Bericht, dass die gewollte Harmonisierung nicht erreicht wurde und der Nutzen und die Effektivität der Richtlinie nicht erwiesen sei.
In Deutschland scheint nun Innenminister de Maizière doch noch die Vorratsdatenspeicherung durchsetzen zu wollen. Seit Anfang des Monats wurde das Vorhaben der CDU/CSU bekannt, mit einer „öffentlichen Kampagne“ die Neueinführung der Vorratsdatenspeicherung zu erreichen. Auch das BKA bemängelt die „Lücken“ in der Verbrechensbekämpfung durch das Fehlen eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung.
Hierzu schrieb schon Ralf Bendrath in einem Kommentar hier im Blog:
Die versuchen hier offenbar genau das, was mit SWIFT und anderen Überwachungsprojekten gemacht wurde: Man sucht ein paar krasse Fälle heraus, die ohne die Daten nicht oder nur schwer aufgeklärt worden wären. Damit beweist man aber nur, dass die Daten manchmal /nützlich/ sind für die Strafverfolger. Das Kriterium für einen flächendeckenden Eingriff in de Grundrechte der BürgerInnen ist aber, dass sie /”verhältnismäßig und notwendig in einer demokratischen Gesellschaft”/ sein müssen, so der EGMR und sogar der Text der VDS-Richtlinie der EU. Bei genau diesem Nachweis ist die EU-Kommission momentan sehr am Schwimmen, weil ihnen die Daten dafür fehlen. Ich bezweifle sehr, dass die Bundesregierung ihn hinbekommt.
Der AK Vorrat meint zu dem Vorhaben von de Maizière und BKA, dass es sogar Menschenleben gefährden könnte:
Die Nachverfolgbarkeit anonymer Anrufe bei Beratungsstellen würde verhindern, dass potenzielle Täter von geplanten Gewalttaten abgebracht werden können. Dem Bericht zufolge konnte ohne Vorratsdatenspeicherung beispielsweise ein Amoklauf in einer Schule und ein “Ehrenmord” verhindert werden – im Fall der Rückverfolgbarkeit hätten die Beinahe-Täter wohl nie die Telefonseelsorge angerufen.
Das Fazit der EFF:
Die Erfahrung in Europa hat gezeigt, dass verpflichtende Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig und unnötig sind. Wir glauben weiterhin, dass das legitime Bedürfnis der Strafverfolgung durch eine gezieltere Datenspeicherung gedeckt werden kann, ohne die zusätzlichen Schäden der Richtlinie von 2006. Um nicht für den Schutz der Privatsphäre in jedem Staat einzeln kämpfen zu müssen, fordert die EFF die europäischen Datenschutzbehörden dazu auf, sich bei der Europäischen Kommission für die Grundrechte der Internetnutzer und die komplette Aufhebung der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung einzusetzen.
(Crossposting von vasistas?)
BKA-Chef Ziercke hat bei der Anhörung zum Kampf gegen Darstellung von Kindesmissbrauch auch in jedem zweiten Satz wieder die Vorratsdatenspeicherung angeführt… Es hört einfach nicht auf.
Morgen früh, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, muss auch die Koalition endlich Farbe bekennen:
http://gruen-digital.de/2010/10/gruener-antrag-keine-vds-ueber-den-umweg-europa-im-ua-neue-medien/
Viel Gutes ist da vom Abstimmungsverhalten her nicht zu erwarten, aber wir bleiben stark.
Sebastian
Ahoi,
ich frage mich, welche User unterstützen jetzt noch die Polizei? Vor der Vorratsdatenspeicherung wird es das evtl. noch gegeben haben. Aber wenn die VDS durch ist, wohl nicht mehr. Der Staat weiß ja doch alles.