In einem wahren Abstimmungsmarathon befasste sich der Bundestag diese Woche mit einer Reihe von wichtigen netzpolitischen Vorhaben. Zum Start der Woche analysierten wir das Gesetz zum elektronischen Personalausweis. So sollen die gespeicherten Daten von Bürgern wie biometrische Passbilder in Zukunft an Geheimdienste übermittelt werden. Einen Tag vor der Lesung, am Mittwochabend, strich der Bundestag aber die Lesung des Gesetzes von der Tagesordnung. Vom Tisch ist es damit noch nicht. Bis Mitte Mai soll eine geänderte Fassung stehen.
Lange Nacht des Abbaus von Grundrechten
Bis tief in die Nacht tagte am Donnerstag der Bundestag und beschloss dabei diverse Gesetze. Mit dem nun abgesegneten Datenschutzanpassungs- und Umsetzungsgesetz wird EU-Recht auf nationaler Ebene umgesetzt, mit fatalen Änderungen. Unter anderem wird damit die Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes geschwächt und die Videoüberwachung ausgeweitet. Wir fassen zentrale Kritikpunkte zusammen und kommentieren: für den datenschutzfeindlichen Kurs des Innenministers ist das Gesetz trotz aller Nachbesserungen ein Erfolg.
Mit einem neuen IT-Sicherheitsgesetz erlässt der Bundestag massive Problematiken für die Kommunikations- und Informationsfreiheiten, kurz zusammengefasst: Internet-Anbieter bekommen mehr Möglichkeiten, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen und zu filtern.
Freude beim Bundeskriminalamt: Es darf nun Fluggastdaten massenweise speichern, analysieren und andere Polizeibehörden weitergeben. Bundesinnenminister de Maizière erklärt die Aufklärung terroristischer Straftaten als Ziel. Staatsrechtler und Opposition warnen vor einer „verfassungswidrigen Rasterfahndung“.
Anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ organisierte die Humanistische Union gestern Abend eine Demonstration vor dem Bundestag. Kritiker befürchten eine Kriminalisierung von Demonstrierenden.
Brüssel & Luxemburg & Karlsruhe
Eine EU-Richtlinie gefährdet durch Rechtsunsicherheit das Einsetzen freier Software. Selbst installierte Betriebssysteme wie bei Freifunk-Routern und Smartphones könnte somit das Aus drohen. Ein Gastbeitrag stellt die Auswirkungen klar.
Am Mittwoch entschied der Europäische Gerichtshof, dass der Verkauf von Streaming-Geräten eine Rechtsverletzung darstellt. Ein Niederländer vertrieb Mini-Computer mit Open-Source-Software, mit denen sich Streams aufrufen lassen. Urheberrechts-Vertreter verklagten ihn daraufhin.
Am Donnerstag stärkte der Bundesgerichtshof die Panoramafreiheit. So darf in diesem Fall das Logo von Aida-Kreuzfahrtschiffen, ein Kussmund, fotografiert und verbreitet werden.
Recherche: Wie AfDler twittern
Zusammen mit dem Tagesspiegel und Tagesspiegel DATA analysierten wir, was Twitter und die selbst erklärte Alternative für Deutschland gemein haben. Nach dem ersten Artikel zur Datenanalyse und einer Auskopplung zum größten AfD-Unterstützer-Account @balleryna folgte heute: Alles zum inoffiziellen Unterstützernetzwerk der AfD.
Yay, Digitale Agenda!
Die drei Internetminister Zypries, Dobrint und de Maizière freuen sich über ihre Bilanz zur Digitalen Agenda – und lassen dabei viele Fragen offen. Ingo und Markus ziehen ihr eigenes Resümee zu der Pressekonferenz von Mittwoch: Schulterklopfen 4.0.
Außerdem gab es Antworten auf die Fragen: Wie können Bezahlschranken legal umgangen werden? Was sagt der Verband der Zeitschriftenverleger zum Hate-Speech-Gesetz? Was veranstaltet Musikindustrie-Lobbyist Gorny im Regierungsviertel? Und was sind eigentlich Fake News?
Zudem haben wir heute unseren Transparenzbericht zum Monat März veröffentlicht.
Vielen Dank für Eure Unterstützung!
Um die Freizeit mit angenehmeren Themen zu verbringen, empfehlen wir ein Radio-Feature zu Isaac Asimov und die Dokumentation „Die Amiga Story“.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein schönes, verlängertes Wochenende!
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