Hamburg hat es vorgemacht, Rheinland-Pfalz mitgezogen – jetzt soll auch die Verwaltung in Thüringen transparenter werden. Der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Lutz Hasse hat heute seinen Entwurf für ein Transparenzgesetz in dem Bundesland vorgestellt (Entwurf hier).
Damit setzt er die rot-rot-grüne Regierung unter Zugzwang, die im Koalitionsvertrag eine Umsetzung eines solchen Gesetzes vereinbart hat. Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte im Januar per Twitter bestätigt, dass die Linke Landtagsfraktion derzeit einen Entwurf erarbeitet.
Der 29-seitige Gesetzentwurf von Hasse würde eine umfassende Weiterentwicklung des bisherigen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) in Thüringen darstellen. Statt nur wie bisher auf Informationsanfragen zu reagieren, würden Behörden fortan verpflichtet werden, unter anderem Dienstanweisungen, Gutachten und Studien, Verträge der Daseinsvorsorge, Baugenehmigungen und umfangreiche Daten von Unternehmen in staatlicher Hand von sich aus in einem zentralen Online-Portal zu veröffentlichen.
Input aus Hamburg und Rheinland-Pfalz
Auch die Kommunen würden nach dem Entwurf unter die Veröffentlichungspflicht fallen. Im bisher einzigen Flächenland mit Transparenzgesetz, Rheinland-Pfalz, war eine verpflichtende Regelung angesichts klammer Kommunenhaushalte nicht umgesetzt worden, obwohl die meisten Personen vor allem an Informationen aus ihrem direkten Umfeld interessiert sind. Zur Umsetzung der Veröffentlichungen wäre eine Umsetzungsphase mit Schulungen für Behördenmitarbeiter vorgesehen. Hasses Entwurf verspricht zudem eine Zusammenführung der Auskunftspflichten aus dem IFG mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Eine Zersplitterung der Informationsgesetze könnte so zumindest teilweise aufgefangen werden.
Wichtiger Unterschied zu den Hamburger und Rheinland-Pfälzischen Transparenzgesetzen: Der Thüringer Vorschlag sieht keine Bereichsausnahmen für einzelne öffentliche Stellen wie Geheimdienste oder Hochschulen vor, wenngleich der Rechnungshof teilweise vom Informationszugang ausgeschlossen werden. Auch der Hochschulbereich „Forschung und Lehre“ soll von der Informationspflicht ausgenommen werden, was vermutlich sehr breit interpretiert werden könnte.
Mit dem Entwurf wäre es möglich, Auskünfte auch vom Verfassungsschutz zu verlangen, der gerade in Thüringen im Zusammenhang mit den NSU-Morden aufgefallen war. Aber auch der Transparenz-Entwurf enthält in diesem Bereich Ausnahmen: Ein Zugang zu Informationen solle unterbleiben, wenn ein Bekanntwerden der Infos „nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheitsbelange des Verfassungsschutzes hätte“. Was das genau hieße, müssten im Zweifelsfall womöglich Gerichte klären.
Auch in Sachen Gebühren bietet Hasses Entwurf einen Fortschritt zum bisherigen IFG: Hat Thüringen derzeit als einziges Bundesland neben Baden-Württemberg keine Höchstgebühr für Auskünfte vorgesehen, könnte sich dies mit dem Transparenzgesetz ändern. Den großen Schritt, die Auskunftspflicht im Sinne der Bürgerfreundlichkeit nur in Ausnahmefällen mit Gebühren zu versehen, bietet der Entwurf jedoch nicht. Die Frist für Antworten soll dabei wie üblich einen Monat betragen und bei großem Aufwand einmal „angemessen“ verlängerbar sein.
Keine Rücktrittsmöglichkeit bei Verträgen
Einen wichtigen revolutionären Passus aus dem Hamburgischen Transparenzgesetz enthält der Thüringer Entwurf nicht: In der Hansestadt müssen bestimmte Verträge der öffentlichen Hand so geschlossen werden, „dass sie frühestens einen Monat nach Veröffentlichung wirksam werden und die Behörde innerhalb dieser Frist vom Vertrag zurücktreten kann.“
Ein Streitpunkt des Hamburger Pendants würde in Thüringen im Falle einer Umsetzung jedoch umschifft werden: Der CCC klagt im Norden auf Veröffentlichungspflicht der mittelbaren Staatsverwaltung wie der Handelskammer. Diese wäre in Thüringen klar veröffentlichungspflichtig.
Die nächsten Wochen werden zeigen, wie die Regierung den Entwurf von Lutz Hasse aufnimmt. Mit seinem Entwurf hat er seine Behörde und sein Anliegen einer transparenten Verwaltung jedenfalls in eine starke Position gebracht. Am 18. Februar diskutieren die Regierungsfraktionen in Erfurt gemeinsam mit Expertinnen den Entwurf des Thüringer Datenschutzbeauftragten.
Man kann Lutz Hasse nur gratulieren zu diesem Schritt. Diesen Entwurf wird die Landesregierung nicht ignorieren können. Eine spannende Vorlage!
Krass ist, dass Herr Hasse der Kandidat von CDU-Gnaden der schwarz-roten Vorgängerregierung war.
Linke und/oder Grüne hatten ja damals als Opposition Constanze Kurz in die Wahl geschickt.
Es wird die CDU wahrscheinlich wurmen, dass ihnen „ihr Datenschutzbeauftragter“ jetzt mit einem R2G-konformen Gesetzentwurf völlig aus der Hand gleitet. (Wenn das nicht, unwahrscheinlicherweise, als Provokation gedacht ist, um einen schwächeren R2G-Entwurf zu kritisieren…)