für ein harmonisches Miteinander ist die Ampelkoalition nicht gerade bekannt. Doch ausgerechnet beim heftig umstrittenen „Sicherheitspaket“ legt die Regierung ein beispielloses Tempo vor. Keine zwei Monate nach dem Anschlag von Solingen hat am Freitag das Bundeskabinett und bereits heute der Innenausschuss des Bundestages das Überwachungspaket durchgewunken.
Da bleiben die kosmetischen Korrekturen nur ein schwacher Trost, mit denen so manche Koalitionäre ihr Gesicht wahren wollen: Wie ein Dammbruch wirken die ausgeweiteten Befugnisse für die Polizei, etwa bei der biometrischen Gesichtserkennung oder bei der automatisierten Datenauswertung. Was die geplante biometrische Superdatenbank bedeutet, in der alle unsere Gesichter landen sollen, erklären Chris Köver und Markus Reuter.
Ob der geballte Widerstand zivilgesellschaftlicher Organisationen, die vor einer „Büchse der Pandora“ warnen, noch am Gewissen und vor allem Abstimmungsverhalten von Bundestagsabgeordneten rütteln wird können, werden wir bald erfahren: Schon diesen Freitag soll über das Gesetz abschließend abgestimmt werden. Wir bleiben dran.
Der lange marode Zustand deutscher Infrastruktur hat sich zuletzt merklich verbessert. In einem Fortschrittsbericht zur Gigabitstrategie stellt sich die Bundesregierung ein gutes Zeugnis aus. Allerdings legt sie dabei auch offen, was den Fortschritt in den nächsten Jahren deutlich dämpfen könnte.
Das „Sicherheitspaket“ steht massiv in der Kritik. Amnesty International, AlgorithmWatch und weitere Organisationen lehnen die neuen Befugnisse zur biometrischen Gesichtserkennung weiterhin als „polizeiliche Superdatenbank“ ab. Auch in den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen rumort es.
Die Ampel will dem Bundeskriminalamt eine biometrische Superdatenbank in die Hand geben, in der alle gespeichert sind, deren Bild im Internet erschienen ist. Wir erklären, wie das technisch geht und wie radikal es das Grundrecht auf Privatsphäre für Millionen Menschen aushöhlt.
Das umstrittene Sicherheitspaket soll noch diese Woche durch den Bundestag gepeitscht werden. Die Pläne bedrohen trotz kosmetischer Änderungen massiv Grund- und Menschenrechte. Wir veröffentlichen die Änderungsanträge der Ampel im Volltext – und analysieren, was sie bedeuten.
Lesenswert, wichtig und spannend – hier fasst die Redaktion netzpolitische Meldungen von anderswo als Linktipps zusammen.
Telegram
Behörden weltweit schickten Telegram im laufenden Jahr Hunderte Anfragen nach Telefonnummer oder IP-Adresse von Nutzer:innen. In Deutschland waren es 53 erfüllte Anfragen zu 115 Accounts. Das verrät ein neuer Transparenz-Bot. Internationale Daten sammelt der Nutzer Tek auf GitHub.
EU-Kommission
Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung. Die EU hatte "X" bereits gemäß Digitale-Dienste-Gesetz (DSA) als "sehr große Plattform" (VLOP) eingestuft. Eine Einstufung als "Torwächter" nach dem Digitale-Märkte-Gesetz (DMA) bekommt der Twitter-Nachfolger jedoch nicht.
Ein-Team.org
Die Bundesregierung soll alle Formen von digitaler Gewalt ernst nehmen: neben Hass im Netz auch die weniger sichtbare Überwachung und Kontrolle im sozialen Nahraum. Das fordert von der Ampelregierung ein breites Bündnis von Frauenhäusern, Beratungsstellen und Einzelpersonen.
Deutscher Bundestag
Die Ampel hat im Innenausschuss den Weg für das "Sicherheitspaket" freigemacht. Die Opposition stimmte gegen den Gesetzentwurf "zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems". Die AfD stimmte für den Entwurf "zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung".
epicenter.works
Österreichs größte Nichtregierungsorganisation für digitale Grundrechte braucht dringend finanzielle Unterstützung, um das Jahr zu überstehen. Aktuell fehlen epicenter.works rund 30.000 Euro.
taz
"TikTok verändert die Art, wie ich Musik mache", analysiert Maurice Conrad für die taz. Musik werde schon beim Entstehen auf das mögliche Engagement im TikTok-Algorithmus optimiert. "Wer Musiker*in werden will, muss eigentlich Influencer*in werden."
The Guardian
Google investiert in Atomkraft, um den Energie-Hunger seiner KI-Systeme zu stillen. Laut Guardian sollen im US-Bundesstaat Kalifornien ab dem Jahr 2030 sechs bis sieben kleine Reaktoren den Konzern mit Atomstrom versorgen.
WIRED
Das US-Magazin WIRED fand Dutzende Bots auf Telegram, die nicht-einvernehmliche sexualisierte Deepfake erstellen sollen. Erst nach Konfrontation an Telegram wurden sie entfernt.
LobbyControl
Der Verband "Allied for Start-ups" behauptet von sich, auf EU-Ebene die Interessen von Start-ups zu vertreten. Tatsächlich aber steckt dahinter Geld von Amazon und Google.
Agora Digitale Transformation
Eine Studie von Agora Digitale Transformation und dem Deutschen Caritasverband zeigt auf, dass komplizierte Antragsverfahren und fragmentierte Systeme den Zugang zu Sozialleistungen stark erschweren. Ein digitaler Sozialstaat könne die Lage erheblich verbessern.
Shell-Jugendstudie
45 Prozent der Jugendlichen informieren sich der aktuellen Shell-Jugendstudie zufolge online über das politische Geschehen. Etwa 80 Prozent der Befragten halten die Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und überregionale Zeitungen für vertrauenswürdig.
The New York Times
Lillian Schwartz, eine der ersten Künstlerinnen, die mit Computern Filme drehte und in den 1970er-Jahren Kunst, Wissenschaft und Technik zusammenbrachte, ist im Alter von 97 Jahren gestorben. Die New York Times erinnert an sie.
golem.de
Die Gewerkschaft IG Metall wirft Tesla einen Angriff auf die Arbeitnehmervertretung vor. Das Unternehmen hatte offenbar zwei Mal versucht, einen Betriebsrat im brandenburgischen Grünheide zu feuern.
c't
Recycling ist ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Digitalisierung. Aber wie entsorgt man Elektroschrott richtig? Das c't Magazin gibt Tipps.
Handelsblatt
Klassiker: Bei der jüngsten Präsentation eines Robotaxis und eines humanoiden Roboters soll Tesla gemogelt haben. Die Prototypen sollen teilweise menschlich ferngesteuert worden sein, sagt jedenfalls die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf einen Insider.
The Guardian
Wie schützt man Kinder und Jugendliche besser vor Doomscrolling und Addictive Design? Im Vereinigten Königreich wird jetzt ein Gesetz diskutiert, das Plattformen zwingen soll, für unter 16-Jährige weniger süchtigmachend zu werden.
The Guardian
Mitunter versuchen Menschen ihre Schlafstörungen mittels Tracking zu beheben. Doch Fachleute warnen davor, sich von den eigenen Schlafdaten unter Druck setzen zu lassen. Perfekter Schlaf existiere nicht und es sei wichtiger, auf den eigenen Körper zu hören.
SRF
Ein "smartes" Geschirrspülermodell erfordert den Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements, um Zugang zu speziellen Spülprogrammen zu erhalten. Das neue Geschäftsmodell der Schweizer Firma V-Zug kommt auch bei deren Waschmaschinen und Trocknern zum Zuge.
arstechnica
Das Internet Archive hat die Wayback Machine wieder online gebracht, vorerst allerdings nur im schreibgeschützten Modus. Die Seite war nach DDoS-Angriffen und einem Datenleck offline gewesen.
Liebe Leser:innen, die AfD verfolgt „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ gegen das Demokratieprinzip, „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ sowie „Bestrebungen gegen die Garantie der Menschenwürde“. Das und noch viel mehr geht aus einem Gutachten des Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2021 hervor, das wir heute veröffentlicht haben. Insgesamt knapp 3.200.000 Zeichen. Jetzt können sich alle selbst ein Bild […]
Liebe Leser:innen, was für eine aufregende Woche, im wahrsten Sinne des Wortes. Am Mittwoch riss CDU-Chef Merz die Brandmauer gegen Rechts ein, was bundesweit zu spontanen Protesten vor den Zentralen und Geschäftsstellen der Partei führte. Gestern Abend demonstrierten in mindestens 37 Städten insgesamt mehr als 75.000 Menschen gegen Merz‘ Rechtsruck, das altgediente CDU-Mitglied Michel Friedman […]
Liebe Leser*innen, Friedrich Merz dreht frei. Er holt die AfD ins Boot, um gemeinsam mit ihr Grund- und Freiheitsrechte zu schleifen. Eine erste Übungsrunde dieser potenziellen Rechtsaußen-Koalition wurde heute erfolgreich absolviert. Zwei Entschließungsanträge hat die Union in den Bundestag eingebracht. Mit dem ersten Antrag hat sie – mit Zustimmung der AfD – die amtierende, zerbrochene […]
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