Vernetzte DashcamAmazon bringt Überwachungstechnik Ring auf die Straße

Amazons Heimüberwachung Ring verlässt die Häuser und soll nun auch Autos und Straßen überwachen. Das von der Bürgerrechtsorganisation EFF als „größter Überwachungsapparat des Landes“ bezeichnete Unternehmen wird damit noch tiefer in den öffentlichen Raum eingreifen als bisher.

Auto mit stilisierter blauer Überwachungssicht
Ausschnitt aus einem Werbevideo von Ring – Alle Rechte vorbehalten Amazon Ring

Amazon bringt seine private Überwachungstechnik Ring nun von den Häusern und Grundstücken auch auf die Straße und weitet damit die Dichte von Videoüberwachung im öffentlichen Raum deutlich aus. Ab Februar wird in den USA eine vernetzte Dashcam für Autos erhältlich sein, die sowohl innerhalb wie außerhalb des Fahrzeugs aufzeichnen kann. Wann das Gerät in Deutschland auf den Markt kommt, ist noch nicht angekündigt.

Die Kamera ist mit der Hausüberwachungssoftware Ring und deren App verbunden und kann von den Nutzer:innen zu jeder Zeit angesteuert werden. Zusätzlich ist die etwa 250 Dollar teure Kamera mit Sensoren ausgestattet, die sie anschalten, wenn das Auto angefahren oder aufgebrochen wird.

Ausweitung staatlicher Überwachung

Amazons Ring steht vor allem in den USA seit Langem in der Kritik, denn die Produkte tragen zu einer Ausweitung der gesamt verfügbaren Überwachungsgeräte bei. Das Unternehmen arbeitet eng mit der Polizei zusammen und ist notorisch lax, wenn es darum geht mit Ring-Kameras aufgezeichnete Daten an Behörden zu geben. Deswegen stellen die eigentlich privat genutzten Überwachungswerkzeuge, die Kund:innen zur Überwachung ihrer Häuser und Grundstücken installieren, de facto eine Ausweitung staatlicher Überwachung dar.

In den USA hat Ring wiederholt Daten ohne richterliche Anordnung an die Polizei herausgegeben. Dies ist zuletzt offenbar auch in Deutschland geschehen, “wenn die Strafverfolgung eine unmittelbare Bedrohung nachweisen kann und die Zeit drängt“. Die PR-Agentur von Ring machte hierzu unklare Angaben gegenüber netzpolitik.org. In den USA bietet Ring Strafverfolgungsbehörden eine eigene Schnittstelle an. Mit dieser können die Polizeien ganz direkt per „Notfallknopf“ an Videoaufzeichnungen gelangen.

Ring stellt Systeme zur Videoüberwachung von Häusern, Haustüren und Grundstücken, die mit dem Smartphone bedient und mit dem Türöffner gekoppelt werden können. Auch Geräte zur Überwachung innerhalb von Wohnungen gehören zum Repertoire. 2018 von Amazon aufgekauft, sind die Heimüberwachungsprodukte von Ring in den USA in den vergangenen Jahren sehr populär geworden. In einer gemeinsamen Marketing-Kampagne hatte die US-Polizei immer wieder explizit für Ring und die zugehörige Neighbors-App des Unternehmens geworben.

„Größter Überwachungsapparat des Landes“

Das System ist vor allem in den USA sehr verbreitet und stellt eine enorme Ausweitung der Videoüberwachung im Land dar. Schon im Jahr 2019 überwachten 440.000 private Ring-Kameras von den Häusern aus auch öffentliches Straßenland, recherchierte damals Gizmodo. Im Jahr 2021 arbeiteten schon mehr als 2000 Polizeien und Feuerwehren mit Ring und dessen „Ermittlungsportal“ zusammen. Damals kam heraus, dass sich die Polizei von Los Angeles auch Material von Demonstrationen der Black-Lives-Matter-Bewegung über Ring besorgt hatte.

Die US-amerikanische Bürgerrechtsorganisation EFF bezeichnet Ring als den „größten Überwachungsapparat des Landes“ und fordert eine strengere Regulierung von privaten Überwachungsprodukten wie Ring. Das schließt unter anderem größere Hürden bei der Anforderung solchen Materials ein, einen konkreten Verdacht, aber auch einen klareren Hinweis an Ring-Nutzer:innen, dass die Herausgabe von Material an die Behörden absolut freiwillig ist.

In Deutschland befindet sich die Nutzung von Ring-Produkten in der juristischen Grauzone, manche Funktionen seien hierzulande sogar verboten, sagt der IT-Rechtler Jasper Prigge. So sei die Aufnahmefunktion einer Ring-Türkamera, wenn sie Ton umfasst, in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt.

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7 Ergänzungen

  1. Fragen über Fragen…

    – Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Alles ganz sicher mit ständigen Updates aus der Cloud über Funk?
    – Ist das eigentlich eine Minderheit in den USA, die diese Kameras so benutzen, weil ja die meißten sicherlich mit vollem Gewicht auf der Verfassung stehen, und die Regierung nirgendswo ranlassen wollen, bzw. zumindest Leute Wählen, die sagen solches zu bewahren?
    – Oder sind das die Nichtwähler?

  2. > So sei die Aufnahmefunktion einer Ring-Türkamera, wenn sie Ton umfasst, in Deutschland grundsätzlich nicht erlaubt.

    Wäre ich falsch informiert, wenn ich davon ausgehe, dass die Nutzung von privaten Überwachunskameras, wenn sie den öffentlichen Raum abbilden, grundsätzlich nicht zulässig ist?

    1. Grundsätzlich ist eine solche private Überwachungskamera nicht zulässig, ABER
      das AG München hat z.B. entschieden „Die Videoüberwachung des privaten Grundstückseingangs und eines schmalen Gehwegstreifens unmittelbar davor verletzt in der Regel nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Passanten.“ und zwar mit der Begründung, dass „ein Passant auf dem öffentlichen Verkehrsweg auch in der Regel nur kurzzeitig in seiner Individualsphäre betroffen sein wird, zumal der von der Kamera erfasste Gehweg nicht dem besonderen schutzwürdigen öffentlichen Raum zuzurechnen sind, in denen sich Personen typischerweise länger aufhalten oder miteinander kommunizieren“ (20.03.2015 – 191 C 23903/14 Link: https://openjur.de/u/863539.html).

      Das Verbot verdeckter Tonaufnahmen wird deutlich stärker durchgesetzt, weil es dazu einen entsprechenden Paragrafen im StGB gibt.

  3. – Wie sieht es mit der Sicherheit aus?

    Sicherheit? Die Kameras sind für MEHR Sicherheit.

    – Alles ganz sicher mit ständigen Updates aus der Cloud über Funk?

    „Das Vertrauen unserer Kunden ist uns wichtig und wir nehmen die Sicherheit unserer Geräte sehr Ernst.“ Reicht Das? Anscheinend hatten die Türkameras unverschlüsselt W-Lan Zugangsdaten in die Gegend posaunt, und Amazon hat dank misskonfigurierter AWS server private Daten von Millionen Nutzern ins Internet geblasen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es mit der Sicherheit aussieht, wenn keiner so genau hinschaut/schauen kann.

    Ganz abgesehen davon: Staat und Amazon haben schonmal Zugriff. Das ist unsicher genug. In den USA wurden Daten der Ring Kameras eingesehen um Black Lives Matter Demonstrationen zu beobachten. In Deutschland hätte ich da auch große Bedenken, mit den heutigen Polizeibefugnissen und Vorgehen gegen Demonstranten/Klimaaktivisten … Das finde ich sogar schlimmer als der gammelige Plastikcode der sich in den Geräten versteckt.

    Freunde von mir haben sich so eine Kamera geholt. In ihrer Gegend ist jemand erstochen worden, und die fühlen sich jetzt sicherer. Argumente, die sich gegen die Kamera wenden, sind für die erstmal eine Gefahr für dieses Sicherheitsgefühl. Da rollen die Augen schon wenn ich nur Frage, ob die wissen, wie und wo die Aufnahmen gespeichert sind.

    Die meisten Berichte, die ich mit einer schnellen Suche finden kann sind auch überraschend positiv für so ein Scheissprodukt.

    1. Statistisches Risiko und Risikopotential (hier ja in der Fläche) werden nur als Unwohlsein wahrgenommen, und daher oftmals verdrängt und eine Diskussion abgelehnt. Die praktisch nachvollziehbare Funktion steht im Vordergrund.

      Deutungsansatz 2: Kontrolle durch „letzten Strohalm“. Die PR verfängt so sehr, dass die ihr Sicherheitsbaby um jeden Preis verteidigen. (Siehe moderne Bespielung der Rechten.) Die beworbene Funktion, oder einfach nur was man sagen soll, steht im Vordergrund.

      Unter den Sichtweisen ist natürlich auch keine Sicherheitsarchitektur drinnen. Es wird einfach immer wieder was drübergekippt, und als Sicherheit verkauft, dabei geht es doch um völlig verschiedene Ebenen von Sicherheit. Mißbrauch seitens Wirtschaft und Staat z.B. Andererseits dürfen illegal erlangte Beweise dort nicht ohne weiteres verwendet werden. Da ist also nicht jegliches Balancierungspotential verloren.

      „Da rollen die Augen schon wenn ich nur Frage, ob die wissen, wie und wo die Aufnahmen gespeichert sind.“
      Tja, die Gewöhnung daran, das Gute zu tun.

      1. „Tja, die Gewöhnung daran, das Gute zu tun.“
        Nee, nee, das heißt jetzt: „Das Richtige zu tun.“

  4. Warum sollte amazon das nicht machen, wenn bei all den anderen kein Hahn danach kräht (sarkastisch gemeint…) Schließlich hätte z.B. WhatsApp gar nicht auf den deutschen Markt gedurft, Teslas fahren hierzulande zuhauf herum, obwohl ihre Überwachungstechnik illegal ist, und Saugroboter, die mit Kameras die Wohnungen erfassen, können nur über Apps, Konto beim Hersteller und chinesische Server programmiert werden – und bekommen dafür von der Stiftung Warentest die Note 1,8 beim Datenschutz und ein Datenschutzzertifikat vom TÜV Rheinland (Roborock). Ich verstehe einfach nicht, wie viele Menschen wie naiv und dümmlich-technikbegeistert sind und dass den Regierungen das alles egal ist, Warum???

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.