Überwachungskameras von RingAmazon gibt Aufnahmen ohne richterlichen Beschluss an Polizei

Schon lange steht Überwachungshersteller Ring wegen einer zu großen Nähe zur Polizei in der Kritik. Jetzt zeigt sich: Die Amazon-Tochterfirma gab Videoaufnahmen aus privaten Kameras nicht nur ohne Einverständnis der Nutzer:innen, sondern teilweise auch ohne richterliche Anordnung weiter.

Kleines, metallenes Gerät mit einem runden Objektiv in der Mitte
Eine Ring-Videokamera mit Klingel für Haustüren aus dem Jahr 2016 CC-BY-NC-SA 2.0 Steve Garfield

Das in den USA weit verbreitete Heimüberwachungssystem Ring gewährt der Polizei Zugang zu Videoaufnahmen seiner Kund:innen, ohne dass diese zugestimmt oder Richter:innen die Herausgabe angeordnet haben. Das geht aus einem Antwortschreiben der Mutterfirma Amazon an den demokratischen US-Senator Edward Markey hervor, das The Intercept veröffentlicht hat.

Ring stellt sogenannte smarte Systeme zur Videoüberwachung an der eigenen Haustür her, die mit dem Smartphone bedient und mit dem Türöffner gekoppelt werden können. Auch Geräte zur Überwachung innerhalb von Wohnungen gehören zum Repertoire. Die Aufzeichnungen der Kameras liegen auf Amazon-Servern. Kritik an einer zu großen Nähe zur Polizei hatte das Unternehmen in der Vergangenheit stets mit dem Verweis abgewehrt, dass es einen richterlichen Beschluss brauche, damit man Überwachungsvideos herausgebe.

Doch dem Antwortschreiben zufolge haben die Betreiber des auch in Deutschland und Europa genutzten Videoüberwachungssystems im laufenden Jahr elf Mal Aufzeichnungen ohne Einwilligung der Nutzer:innen und ohne richterlichen Beschluss an die Polizei herausgegeben. Dabei habe es sich um Notfall-Anfragen gehandelt.

Amazon stellt eine Online-Schnittstelle zur Verfügung, über die Polizist:innen Daten anfragen können. Dort befindet sich auch ein großer, roter Button mit der Aufschrift „Submit Emergency Request“ – also die Möglichkeit, ein Notfallersuchen einzureichen. Für das Kamerasystem Ring gibt es ein spezifisches Notfallformular als PDF.

In der Antwort an Senator Markey gibt Amazon zu, dass man sich vorbehalte, der Polizei „in Fällen unmittelbarer Gefahr eines Todes oder einer schweren Verletzung einer Person“ sofortigen Zugriff zu gewähren. Wie genau dies definiert oder geprüft wird, wollte Amazon nicht mitteilen.

Enge Partnerschaft mit der Polizei

Heimüberwachungsprodukte von Ring sind in den USA in den vergangenen Jahren sehr populär geworden. Die Direktorin der NGO Fight for The Future, Evan Greer, weist auf Twitter darauf hin, dass es für Ring keinen rechtlichen Grund gebe, der Polizei den Zugriff auf die Aufnahmen aus hunderttausenden vermeintlich privaten Videokameras überall in den USA so leicht zu machen. Stattdessen würde dies dem wirtschaftlichen Kalkül der Firma entsprechen, sein Monopol auf smarte Videoüberwachung zu stärken.

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Das 2018 von Amazon gekaufte Unternehmen gilt als Liebling der Polizei. In einer gemeinsamen Marketing-Kampagne haben Polizeieinheiten immer wieder explizit für Ring und die Neighbors-App des Unternehmens geworben. Dafür bekamen die Polizeien Geräte teilweise kostenlos.

Kritik gibt es auch daran, wer Zugang zu den Aufzeichnungen hat. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die Videodaten ist nicht als Standardeinstellung aktiviert. Amazon musste etwa eingestehen, dass Mitarbeiter:innen unbefugt auf die Videos von Kund:innen zugegriffen haben. Ärger gibt es außerdem regelmäßig um den häufigen Zugriff durch die Polizei. Unter anderem klagt die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation, weil Ring Aufnahmen herausgab, die die privaten Überwachungskameras von Black-Lives-Matter-Demonstrationen gemacht hatten.

Senator Edward Markey kritisiert bereits seit Jahren, dass komplett unreguliert sei, unter welchen Bedingungen Strafverfolgungsbehörden Zugriff zu den privaten Aufzeichnungen erhalten. Dies sei ein „Einfallstor für Bürgerrechtsverletzungen“, so Markey.

2 Ergänzungen

  1. „Senator Edward Markey kritisiert bereits seit Jahren, dass komplett unreguliert sei, unter welchen Bedingungen Strafverfolgungsbehörden Zugriff zu den privaten Aufzeichnungen erhalten. Dies sei ein „Einfallstor für Bürgerrechtsverletzungen“, so Markey.“

    Der Hauptdenkfehler liegt dort wo jemand denkt solche durch Cloud-Kameras aufgenommenen Videos wären noch eigene Daten bzw. „private Aufzeichnungen“. Wer die Kontrolle über Daten abgibt hat das Eigentum an den Daten praktisch schon verloren.
    Und während es anders herum eine starke Lobby zum Schutz von „Video-Aufzeichnungen durch Unternehmen“ (aka Spielfilme, etc) gibt sind die privaten Aufzeichnungen der Bürger*innen ein Fressen für die Geier.

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