LinkhaftungScharfe Kritik an Razzia bei Freiburger Radiosender

Die Polizei hat heute den Freiburger Sender „Radio Dreyeckland“ wegen des Setzens eines Links auf das Archiv von linksunten.indymedia.org durchsucht. Bürgerrechts- und Journalist:innenverbände kritisieren die Maßnahme als „tiefgreifenden Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit“.

Polizist in den Räumen des Senders.
Die Polizei durchsuchte die Räume des Radiosenders. – Alle Rechte vorbehalten Radio Dreyeckland

Die Polizei Freiburg hat heute im Auftrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Räume des Freiburger Radiosenders „Radio Dreyeckland“ und zwei Privatwohnungen durchsucht. Laut Polizei gebe es den Verdacht auf einen Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (§ 85 StGB). Anlass sei, dass der Sender in einem Artikel einen Link auf das Archiv von linksunten.indymedia.org gesetzt hat. Bei den Durchsuchungen wurden auch Datenträger wie Laptops und Smartphones beschlagnahmt.

Das Verfahren wird bei der Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe geführt. In der Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei heißt es:

Den Beschuldigten liegt zur Last, auf der Homepage des genannten Rundfunksenders einen Artikel veröffentlicht zu haben, der eine Verlinkung eines Archivs der verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ enthält. Die Vereinigung „linksunten.indymedia“ wurde mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 14.08.2017 verboten und aufgelöst, da Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten.

Das Bundesinnenministerium unter Thomas de Maizière hatte linksunten.indymedia.org im Wahlkampf 2017 verboten. Dabei bediente sich das Innenministerium eines juristischen Kniffs, indem es die Plattform nicht als Medium, sondern als „Verein“ deklarierte. Sämtliche Ermittlungsverfahren gegen angeblich beteiligte Personen, unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, wurden eingestellt oder verliefen im Sande. Am Vorgehen gegen linksunten.indymedia.org gab es damals Kritik von unterschiedlichen Seiten.

„Putinsche Methoden“

Radio Dreyeckland ist ein langjähriges freies Radioprojekt, das im Jahr 1977 als Piratensender bei den Protesten gegen Atomkraft im Dreiländereck Frankreich-Schweiz-Deutschland seinen Dienst aufnahm. Seit 1988 sendet Radio Dreyeckland mit offizieller Sendelizenz auf 102,3 MHz aus seinem Freiburger Studio. Bekannte Journalist:innen wie Georg Restle, seit 2012 Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins Monitor, begannen ihre Karriere bei dem Sender.

Der Sender kritisiert in einem Radiobeitrag, dass die Staatsanwaltschaft mit „putinschen Methoden“ wetteifere, wenn sie Medien einschüchtere und kriminalisiere. Die Durchsuchungen nennt er einen „verfassungswidrigen Eingriff in die Rundfunk- und Pressefreiheit“.

Kritik kommt auch von Bürgerrechts- und Journalistenverbänden. Joschka Selinger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) kritisiert gegenüber netzpolitik.org, dass die Durchsuchung der Redaktionsräume einen tiefgreifenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Presse- und Rundfunkfreiheit darstelle:

Die Staatsanwaltschaft verkennt die Bedeutung der Pressefreiheit, wenn Sie den Anfangsverdacht auf das Setzen eines Links in einem redaktionellen Beitrag stützt, der erkennbar der Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis dient. Das Setzen von Links in redaktioneller Berichterstattung ist sozial erwünscht und durch die Pressefreiheit privilegiert. Eine Strafbarkeit ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar, andernfalls drohen der Presse unkalkulierbare Strafbarkeitsrisiken.

Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) verurteilt die Maßnahme: „Wir kritisieren die Durchsuchung der Redaktionsräume des Senders Radio Dreyeckland durch die Polizei“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr gegenüber netzpolitik.org. „Durchsuchungen von Redaktionsräumen gefährden immer auch den Quellenschutz. Sie schrecken davon ab, sich mit vertraulichen Informationen an Journalistinnen und Journalisten zu wenden.“

15 Ergänzungen

  1. BaWue. Wo die Justiz auch Versender von Anti-Nazi-Stickern wegen Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole verfolgte, bis sie vorm BGH verlor.

    BaWue hat uebrigens einen „Gruenen“ Ministerpraesidenten.

    1. In BW sind die Grünen die neue CDU…. Konservativ mit einer guten Prise Law n Order dabei !

  2. Man darf nicht vergessen, in Baden Württemberg regieren die Grünen. Sobald diese an der Macht sind führen Sie anscheinend die CDU/SPD Politik nahtlos fort !

    1. Es reicht eine nicht-strafbare Auffassung der Rechtslage seitens der StA und den abnickenden Richter um einen Anfangsverdacht zu „begründen“ und dann Maßnahmen zu ergreifen. Da muss nichts illegal sein.

      Die Justiz ist da geübt und wird seitens der Politik entsprechend ausgerichtet: folgende Niederlagen vor Gericht, idR nach Ausschöpfung des Instanzenweges auf Staatskosten, bleibt regelmäßig folgenlos.

      Ist bei polizeilichen Handlungen genauso: Rechtsauffassung wird mit maximaler Gewalt durchgesetzt. Kein Problem, solange die Rechtsauffassung nicht strafbar falsch war und alle nachfolgende Gewalt war dann entweder berechtigt oder man findet keinen persönlich Schuldigen.

      1. Im Selbstbild der StA als objektivste Justizbehoerde der Welt dient eine Durchsuchung natuerlich auch der Entlastung der vom angenommenen Anfangsverdacht Betroffenen. Die muessten also froh sein, dass da jemand ganz objektiv ihre Unschuld feststellen moechte.

        Nicht lachen, dass war offizieller Standpunkt der StA Stuttgart bei den Anti-Nazi Stickern.

    2. Anonymous
      Sta….
      >> der eine Verlinkung eines Archivs der verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ enthält. Die Vereinigung „linksunten.indymedia“ wurde mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 14.08.2017 verboten und aufgelöst, da Zweck und Tätigkeiten der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten. >>

      Dann hoffen wir mal, das die Büros von netzpolitik.org nicht auch bald Besuch bekommen.

  3. Im polizeilichen Problembundesland Hessen, im osthessischen Haunetal, gab es im Frühjahr 2020 einen ähnlich gelagerten Fall. Timo Schadt wurde vorgeworfen, auf der Facebook-Seite des Netzwerks „Fulda aktiv gegen Rassismus“ (AGR), auf der er als Kontaktperson angegeben ist, einen Artikel des Online-Portals Belltower News verlinkt zu haben.

    Fragwürdige Polizeiaktion in Hessen/ Kritik an Todesschüssen unerwünscht

    Vor zwei Jahren erschoss ein Beamter in Fulda einen Geflüchteten. Bis heute sieht sich die Polizei durch kritische Stimmen in ihrem Ansehen gefährdet. (taz, 17.4.20)

    https://taz.de/Fragwuerdige-Polizeiaktion-in-Hessen/!5679277/

  4. Erbärmlich.
    Selbst bei einem Verein erwarte ich da pragmatischere Gesetzgebung. Diese Sorte Freiheiten bedeutet die Ausschaltung des Grundgesetzes zugunsten von Repressionsmaßnahmen.
    Selbst bei Privatpersonen darf das so nicht funktionieren.

    Die Politik ist an den relevanten Stellen offenbar in einer Fehlerschleife, was das betrifft, daher die Frage: Hat der Bund schon einen Plan, wenn es mal gilt, die Verfassung auch robust zu verteidigen? Versagt ein Bundesland, muss doch irgendwer Schaden von der Bundesrepublik abwenden. Ich sehe die betreffenden Bundesländer zunehmend als verbotene Zonen an, da kann man doch nichts mehr für Menschen tun.

    1. Wenn im Grundgesetzt drinsteht „findet nicht statt“, oder „das sind wir“ o.ä., dann bedeutet das die Pflicht, das auch umsetzen zu können.

      Wenn ihr jemals Teil einer interstellaren Konföderation werden wollt, müsst ihr das hinkriegen.

  5. Ich habe da mal eine Verständnisfrage. Was meint die GFF, wenn sie sagt „Das Setzen von Links in redaktioneller Berichterstattung ist sozial erwünscht“?

    1. Dass die Gesellschaftlich ein Interesse an Referenzen und Quellenangaben zur qualifizierten Meinungsbildung hat. Dafür ist Journalismus zu Recht privilegiert.

  6. Da er als Piratensender begonnen hat, könnte eine kontrolle sinnvoll sein. Mir fehlt eine sachliche Darstellung. Was oder wie ist hier das Vereinigungsverbot. In dem Artikel wird dargestellt das Rechtsfolgen aus dem Verbot der Gruppe keinen Bestand hatten, das ist dann gut. Die Kernfrage wird nicht beantwortet. Die aktuellen Maßnahmen beziehen sich auf das Verbot. Es fehlt das zentrale Argument ob das Verbot aufgehoben wurde. Der Verfassungsgerichtspräsident hat bei seiner Nominierung festgestellt die Pressefreiheit steht nicht über anderen Grundrechten. Das sollten manche Pressevertreter endlich lernen. Die Verfassung ist kein Gemischtwarenladen, wo man sich herauspicken kann, was man will.

    1. Sie bringen von Verfassung über „Link“ bis „linskunten“ bis „media“ alles durcheinander. Der Vereinsstatus von linksunten.media hat auch mit dem Linksetzen nichts viel zu tun.

      Nichts von Ihren Argumenten, selbst bei wohlwollender Korrektur, stützt eine Hausdurchsuchung bei dem heutigen Radiosender.

      Mit Ihrer Ausführungen hätten wir einfach nur die Spiegelaffäre (reloaded) u.ä.

    2. „Da er als Piratensender begonnen hat, könnte eine kontrolle sinnvoll sein.“
      Jetzt kommen Sie nicht noch mit dem Grundgesetz an, oder?

      „Mir fehlt eine sachliche Darstellung.“
      So wie sie vorgelegt haben, muss ich da schon schmunzeln.

      „Was oder wie ist hier das Vereinigungsverbot“
      Das betrifft „linksunten.media“, steht im Artikel.

      „Der Verfassungsgerichtspräsident hat bei seiner Nominierung festgestellt die Pressefreiheit steht nicht über anderen Grundrechten.“
      Ach? Welches Grundrecht ist denn hier betroffen?

      „Es fehlt das zentrale Argument ob das Verbot aufgehoben wurde.“
      Wofür? Es wurde keine Illegalität festgestellt, was also soll das mit Archivseiten im Netz und Links darauf zu tun? Die Argumention ist jetzt, es könne ja doch noch eine kriminelle Vereinigung sein o.ä. Das ist aber schon wild.
      IRONIE: Der Titel des übrigens hier verlinkten Artikels: „Ermittlungsverfahren nach Indymedia Linksunten Verbot wegen „Bildung krimineller Vereinigung“ eingestellt“
      Das ist eine einfache Beschreibung, mit Link auf die Archivseite.

      „Das sollten manche Pressevertreter endlich lernen.“
      Sie sind schon mal keiner, soviel ist klar.

      „Die Verfassung ist kein Gemischtwarenladen, wo man sich herauspicken kann, was man will.“
      Z.B. Radiosender?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.