Bestandsdatenauskunft 2021Behörden fragen jede Sekunde, wem eine Telefonnummer gehört

Staatliche Stellen haben letztes Jahr fast 24 Millionen Mal abgefragt, wem eine Telefonnummer gehört. Diese automatisierte Bestandsdatenauskunft hat sich in fünf Jahren mehr als verdoppelt. Auch Inhaber von IP-Adressen werden abgefragt, doch darüber will auch die Ampel-Regierung weiterhin keine Transparenz.

Volker Wissing, Bundesminister fuer Digitales und Verkehr, FDP, Robert Habeck, Bundesminister fuer Wirtschaft und Klimaschutz, Buendnis 90/Die Gruenen
Wollen keine Statistik über Abfragen von IP-Adressen: Ampel-Minister Wissing und Habeck. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jens Schicke

Wem gehört eine Telefonnummer? Das können über 100 staatliche Stellen von mehr als 100 Telefon-Anbietern erfahren, ohne dass die Firmen oder Kund:innen davon etwas mitbekommen. Dieses automatisierte Auskunftsverfahren wird von der Bundesnetzagentur betrieben und ist auch als „Behördentelefonbuch“ oder Bestandsdatenauskunft bekannt.

Die Bundesnetzagentur veröffentlicht darüber jährliche Statistiken, neben einem Absatz im jüngst veröffentlichten Jahresbericht auch auf der Webseite:

Im Jahr 2021 wurden insgesamt 24,14 Millionen Ersuchen über das [Automatisierte Auskunftsverfahren] bei der Bundesnetzagentur beauskunftet. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit rund 6,35 Millionen Ersuchen mehr an die Bundesnetzagentur gestellt und von dieser beantwortet. Das entspricht einer Steigerung gegenüber 2020 um rund 36 Prozent.

Wir haben die Zahlen wie jedes Jahr aufbereitet und visualisiert.

24 Millionen: Wem gehört diese Telefonnummer?

Deutsche Behörden haben im letzten Jahr 23,79 Millionen Mal gefragt, wer eine Telefonnummer registriert hat. Staatliche Stellen wie Polizei, Geheimdienste und Zoll haben also im Schnitt fast jede Sekunde einen Datensatz mit Name, Anschrift und weiteren Bestandsdaten erhalten. Statistisch gesehen ist jeder dritte Einwohner betroffen.

Diese nummernbasierten Ersuchen haben sich erneut innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelt.

Seit 2017 müssen auch Prepaid-SIM-Karten mit einem amtlichen Ausweisdokument registriert werden. Das sind genau die Daten, die jede Sekunde abgefragt werden. Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz und der Kundendatenauskunftsverordnung dürfen Polizei und Geheimdienste noch einfacher auf diese Daten zugreifen.

Welche Telefonnummern gehören dieser Person?

Die Auskunft geht auch anders herum: Welche Telefonnummern gehören einer Person? Diese personenbasierten Ersuchen stiegen auf 345.807, etwa alle zwei Minuten eine. Auch diese Abfragen erreichen neue Höchstwerte:

Statistik über IP-Adressen wäre „erhebliche Belastung“

Seit 2013 können neben Telefonnummern auch Internetdaten wie IP-Adressen und E-Mail-Postfächer als Bestandsdaten abgefragt werden. Damit erfahren Behörden, wem eine IP-Adresse zugewiesen ist oder welche IP-Adressen eine Zielperson nutzt – ebenfalls ohne Richterbeschluss.

Zu diesen Abfragen gibt es leider keine Statistiken, weil die Behörden direkt bei den Internet-Zugangs-Anbietern anfragen. Die Bundesnetzagentur könnte diese Statistiken ebenfalls erheben und veröffentlichen, doch dazu fehlt der politische Wille.

Seit sechs Jahren fragen wir die Bundesregierungen nach diesen Zahlen. Die Merkel-Ministerien haben unsere Anfragen immer wortgleich abgelehnt: Eine solche Statistik wäre „eine nicht unerhebliche zusätzliche Belastung der Telekommunikations-Unternehmen“.

In der Opposition haben FDP und Grüne immer gesagt, dass eine solche Statistik „dringend nötig“ ist. Jetzt sitzen sie in der Regierung. Wir haben sie angefragt. Das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) ist zuständig für die Bundesnetzagentur, verweist uns aber ans Digitalministerium. Das Digitalministerium von Volker Wissing (FDP) verweist uns nach mehrfacher Rückfrage „an die für Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zuständigen Ressorts in Bund und Ländern“.

Die neue Bundesregierung und die Ampel-Ministerien könnten per Gesetz dafür sorgen, dass diese Statistiken erhoben werden. Aber sie wollen nicht.

Update 22.07.: Die Linke Bundestags-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg hat die Bundesregierung gefragt, ob sie diese Statistiken erheben will. Die Liberale Staatssekretärin Daniela Kluckert im Digitalministerium antwortet: „Die Bundesregierung plant derzeit keine weitere Statistik für automatisiert abgefragte Daten.“

3 Ergänzungen

  1. Und genau darum bin ich höchstmisstrauisch wenn mir jeder Online-Dienst schon seit einigen Jahren die Telefon/Mobilnummer abschwatzen will, um meinen Account „sicherer“ zu machen.
    Ich würde fas vermuten, die Online-ID für alle Bürger*innen wird in Form eines Telefon-Logins kommen: Anmeldungen zu Online-Diensten laufen dann zwangsweise alle über 2-Faktor-Authentifizierung, weil es ja so super-sicher ist. Die anonyme SIM-Karten wurden ja bereits abgeschafft.

    1. „Die anonyme SIM-Karten wurden ja bereits abgeschafft.“

      Nur formal. Die meisten Hinterhoftelefonläden verkaufen nach wie vor aktivierte Simkarten.

      1. Die sind aber registriert, nur eben auf jemand anderes. Die sind also höchstens pseudonym, nicht anonym.

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