Neue EU-RegelnPolitische Werbung soll transparenter werden

Die EU-Kommission hält Werbung für ein mögliches Einfallstor für Desinformation und illegale Wahlbeeinflussung. Darum schlägt sie eine klare Kennzeichnungspflicht für politische Anzeigen offline wie online vor.

Facebook-Werbung
Facebook-Werbung während der Bundestagswahl CC-BY 4.0 Screenshot netzpolitik.org

Die Europäische Union möchte politische Werbung europaweit einheitlich regeln. Künftig soll sowohl online als auch offline solche Werbung klar gekennzeichnet sein. Auch soll transparent werden, wenn persönliche Daten für personalisierte politische Anzeigen genutzt werden. Es sei derzeit „nicht immer einfach für Bürger:innen, politische Werbung zu erkennen und ihre demokratischen Rechte in einer informierten Weise auszuüben“, schreibt die EU-Kommission in einem Verordnungsvorschlag, der am Donnerstag offiziell vorgestellt werden soll.

Aus Sicht der Kommission ist ein hohes Maß an Transparenz notwendig für eine offene und faire politische Debatte. Die neuen Maßnahmen sollen bei der Bekämpfung von Desinformation und illegaler Wahlbeeinflussung von außen helfen. „Politische Werbung kann ein Einfallstor für Desinformation sein, besonders dann, wenn die Werbung ihre politische Natur verschleiert und nicht preisgibt, auf wen sie zugeschnitten ist“, heißt es in dem Vorschlag. Das französische Medium Contexte hat eine geleakte Version vorab veröffentlicht, sie ist hier abrufbar [PDF].

Nur die Hälfte der Bundestagswahl-Anzeigen auf Facebook transparent

Welche Herausforderung Transparenz bei politischer Werbung darstellen kann, machten die vergangenen Monate deutlich. Im Vorfeld der Bundestagswahl gaben deutsche Parteien Millionen Euro für Werbung im Netz aus. Doch nur etwa die Hälfte aller einschlägigen Anzeigen auf Facebook und Instagram landeten tatsächlich im Anzeigenarchiv des Facebook-Konzerns, wie eine Recherche des ZDF Magazin Royale ergab. Enthüllt wurde auch, dass einzelne Ministerien mit Steuergeld gezielt bei Parteianhänger:innen geworben haben – und das offenbar seit Jahren.

Die Anzeigenarchive von Facebook und YouTube hatten die Konzerne geschaffen, um Wahlmanipulation durch Dark Ads und zielgerichtete Werbung und zu erschweren. Die Öffentlichkeit sollte erfahren, wer Anzeigen schaltet und an wen sei ausgespielt werden. Doch von Anfang an gab es Kritik, dass die freiwillige Transparenz nicht weit genug gehe. Die Targeting-Kriterien etwa, nach denen Werbetreibende ihre Zielgruppe zusammenstellen, bleiben bislang geheim.

Um sich negativer Schlagzeilen zu entziehen, hatte Twitter politische Werbung vor dem US-Wahlkampf 2020 gänzlich untersagt. Google und Facebook, die dominanten Spieler am Online-Werbemarkt, wollen hingegen bislang auf das Milliardengeschäft mit politischen Anzeigen nicht verzichten.

In dem Entwurf der EU-Verordnung heißt es, jede politische Werbung müsse klar als solche gekennzeichnet sein und die Identität des Werbenden angeben. Auch soll angegeben werden, wie viel Geld der Werbedienstleister für die „Vorbereitung, Platzierung, Bewerbung, Veröffentlichung und Verbreitung der betreffenden Werbung“ erhalten hat. Politische Anzeigen inklusive aller Transparenzhinweise müssen vom Anbietenden veröffentlicht werden, große Plattformen wie Facebook und YouTube müssen dafür – nun gesetzlich verpflichtend – ein Anzeigenarchiv betreiben.

Die Archivierungspflicht gilt dann aber nicht nur für Online-Plattformen, sondern auch für Firmen, die physische Plakatwände bespielen – auch diese Werbung ist dann systematisch einsehbar. Der Verordnungsentwurf sieht außerdem vor, Betreiber:innen kostenlose Beschwerdewege für Nutzer:innen einrichten müssen, um mögliche Gesetzesverstöße bei politischer Werbung zu melden.

Strenge Auflagen soll es auch für die Datennutzung geben. Die Nutzung sensibler Daten wie jene über Ethnie, politische oder religiöse Meinung sowie biometrische und Gesundheitsdaten und sexuelle Orientierung für politische Werbung soll zunächst verboten werden. So steht es zumindest im Entwurf der Kommission – in der Praxis stelle dies aber wohl nur eine geringe Hürde dar, kein Verbot, sagt Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung. Denn weiterhin erlaubt sei dies, wenn der oder die Betroffene einwillige.

„Für große Plattformen dürfte das keine allzu große Hürde sein: Aufgrund ihrer Marktdominanz und teils auch aufgrund irreführender Designpraktiken fällt es Ihnen relativ leicht, an die Einwilligung der Nutzenden zu kommen“, sagt der Experte, der bei der gemeinnützigen Stiftung das Projekt „Stärkung digitaler Öffentlichkeit“ leitet. „Es wäre gut, wenn das Europäische Parlament in der weiteren Debatte über ein klares Verbot der Nutzung hochsensibler Daten ohne Ausnahmen nachdenken würde.“

Gesetz soll für Werbeagenturen, Parteien und Plattformen gelten

Der Entwurf der Kommission setzt unterdessen weitere Einschränkungen. Wenn persönliche Daten für gezieltes Ansprechen von einzelnen Nutzer:innen oder bestimmten Gruppen verwendet werden, oder Techniken zur Verstärkung von Inhalten (amplification) eingesetzt werden, müssten die Diensteanbieter:innen darüber Aufzeichnungen führen. Auch müsse es dafür interne Leitlinien geben. Vor allem aber müssten Nutzer:innen die nötigen Informationen erhalten, um „die dahinterstehende Logik und die Hauptparameter der benutzten Technik zu verstehen“, ebenso wie verwendete Daten von Dritten und „zusätzliche Analysetechniken“. Das klingt, als wäre es auf den Fall Cambridge Analytica gemünzt, in dem Facebook-Daten für „psychometrische Profile“ von Nutzer:innen genutzt wurden.

Gelten soll das Gesetz für ein breite Palette an Dienstleistern. „Potenziell könnten die Transparenzregeln für Werbeagenturen, Parteien, soziale Netzwerke, Online-Nachrichtenseiten und Zeitungen gelten, wenn diese politische Werbung ausspielen“, sagt Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung. Die breite Anwendung hält er für sinnvoll. „Aber weil der Entwurf potenziell so viele Organisationen berührt, könnte es da auch ganz unterschiedliche Widerstände geben.“

Wenn nun Rat und Parlament rasch eigene Vorschläge vorlegen und sich mit der Kommission auf ein Gesetz einigen, könnte das Gesetz schon ab dem 1. April 2023 in Kraft treten, rechtzeitig für die nächste Europawahl 2024. Die Sanktionen bei Nicht-Einhaltung der Regeln zu Targeting und Amplification orientieren sich an der Datenschutzgrundverordnung, die Strafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes einer Firma vorsieht – das soll selbst Firmen wie Google und Facebook abschrecken. Bis dahin muss der Entwurf aber erst durch die Mühlen des EU-Gesetzgebungsprozesses. Wo es um ein heikles Thema wie politische Werbung geht, könnte sich dieser langwierig gestalten.

5 Ergänzungen

  1. Sehr enttäuschend, was die Definition von politischer Werbung und von politischen Akteuren angeht. Wenn ich Artikel 2 (Seite 28) richtig deute, sind NGOs und Bewegungen davon betroffen, Konzerne nicht wirklich. Ein Auto- oder Ölkonzern mit gigantischen Lobbying-Budget, kann die tollsten Greenwashing-Lügen uneingeschränkt herausballern und eine kleine Organisation, die dagegen ankämpft, ist zusätzlichen Regulation unterworfen.

    1. Wenn ich es richtig lese, könnten Konzerne durchaus betroffen sein, wenn auch indirekt: Zum einen wird gesagt, dass politische Werbung auch ist, wenn „voting behavior“ beeinflusst werden kann (Art. 2, 2(b) – das ließe sich sehr weit auslegen auch auf „Greenwashing“ von Unternehmen. Zum anderen fallen Konzerne, wenn sie die „political objectives“ von Parteien etc. „promoten“, unter die Regulierung (Art. 2, 4(h)). Es kommt also stark auf die spätere Auslegung der Definition an.

  2. Politik wird erst dann aktiv, wenn sie Schaden für sich selbst befürchtet.
    Bisher war man dort der Meinung, dass politische Werbung nützlich sei.

    Werbung hat nichts mit Informieren zu tun, Werbung ist immer ein Manipulationsversuch.

    1. Ja, es gibt zwar einige wenige positive Beispiel – am Ende des Tages geht es aber vor allem darum, sich selbst zu verkaufen.

  3. Öhm, bei Plattformen wäre das nicht eine grobe Depublizierung von jeglicher Meinungsäußerung zu allem, was politisch sein könnte, oder in irgendeiner Weise Gesetzgebung betreffen könnte – zumindest für alle, die nicht eine Redaktion haben, die als solche anerkannt wird?

    Stimmet solches?

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