Mein persönlicher Favorit unserer Erste-April-Ausgaben der letzten Jahre ist bis heute das Skandalinterview mit Sascha L., aber auch die schönsten W-LANs der Toskana und natürlich die gesamte Auto-Motor-Bürgerrechte-Ausgabe aus dem letzten Jahr.
Es klingt vielleicht im ersten Moment banal, dass dieser Transparenzbericht mit der ausgefallenen Ausgabe zum ersten April beginnt, aber wir haben tatsächlich gar nicht so viel zu lachen. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, über Dinge zu schreiben, die nicht gerade erfreulich sind. Es gibt intern sehr viele starke Meinungen, die auch ausgesprochen werden. Und so notwendig und wichtig Auseinandersetzung nach innen und außen ist, so sie ist natürlich auch anstrengend.
Die Ausgabe zum 1. April ist daher wichtig für das gesamte Team, um einfach mal abzuschalten, zusammen zu lachen und unsere Community für einen Tag in eine Welt mitzunehmen, in der nicht der nächste Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte eingeläutet wird, sondern in der Andi und Lorenz gute Minister mit noch besserem Modegeschmack sind.
Alles verwerfen?
Nun ja. Stattdessen gab es wieder wichtige Entscheidungen zu treffen. Am Ende des letzten Jahres begannen wir mit Umzugsplänen. Unser jetziger Vermieter hat uns ein attraktives Angebot für die Anmietung größerer und besserer Räume auf derselben Etage vorgelegt. Momentan sind drei unserer sechs Büroräume Durchgangszimmer, unsere Praktis sitzen direkt im Eingansbereich und alle, die in irgendein Büro wollen, müssen auch durch ihr Zimmer. Es gab immer wieder Probleme, Presse in unseren Räumen zu empfangen und Interviews zu geben, ohne mehrere Leute beim Arbeiten zu stören. Der Konferenzraum – so schön er auch ist – platzt aus allen Nähten, wenn alle da sind und nach einer Stunde intensiver Diskussion geht uns dort ganz physisch die Luft aus.
Also war ein Umzug eine gute Idee und passte gut zur Entwicklung von netzpolitik.org. Im April sollte es geschehen! Dass eine Pandemie den gesamten Umzug in größere Räume in Frage stellt, war dabei nicht eingeplant und warf alles durcheinander. Wann werden wir überhaupt wieder im Büro sein?
Wir haben uns dennoch dafür entschieden. Der Umzug wird zwar auf die zweite Jahreshälfe verschoben, aber wir wollen an eine Welt glauben, in der Menschen sich wieder ohne Risikoprognose an einen Tisch setzen können. Wir wollen auch gern, dass die Redaktion in Büros sitzt, in denen sie die Tür schließen und ungestört arbeiten kann. Wir wollen Gäste empfangen können, ohne alle von der Arbeit abzulenken. Und wir wollen, dass niemand auf dem Flur sitzen muss – auch, falls wir irgendwann mehr werden sollten.
Unsere Arbeitsmodelle werden wir trotzdem überdenken. Wir haben schon damit angefangen und sind im Erfahrungsaustausch: Was nervt an Home Office? Wer will asap ins Büro zurück? Welche Strukturen und Routinen können wir beibehalten? Wie wichtig ist der hervorragende Kaffee, den es bei uns im Büro gibt? [Sehr!]
Wie weiter? Hier und im Journalismus generell?
Eine weitere Entscheidung wurde schon im Januar getroffen und sollte auch nicht mehr verhandelt werden. Das Gehalt der Redaktion sollte erhöht werden. Wir haben uns lange darauf vorbereitet, entsprechend Rücklagen gebildet und alles durchgerechnet. Die frohe Botschaft konnte der Redaktion im Februar mitgeteilt werden. Zwei Monate später saß ich dann oft abends da und haderte mit einem denkbar schlechten Zeitpunkt dafür, da es völlig unklar war, wie sich die Spenden und die Welt im Allgemeinen entwickeln werden.
Also wurde noch einmal konservativer durchgerechnet. Es passt und es gibt natürlich eingezogene Reißleinen. Bei 15 Menschen auf der Gehaltsliste macht sich jede Veränderung schnell bemerkbar und summiert sich. Unsere Lohnkosten für die gesamte Redaktion würden sich ab April im Vergleich zu den durchschnittlichen, monatlichen Personalkosten um etwa 5.000 Euro erhöhen.
In diesen Zeiten eine unbefristete, vernünftig bezahlte Stelle im Journalismus anbieten zu können, ist lange nicht selbstverständlich. Aber es geht nicht nur um die Frage, ob sich eine Organisation das finanziell leisten kann. Es geht genauso darum, ob sich ein Medium eine verunsicherte Redaktion mit unklaren Perspektiven leisten kann.
Das gilt nicht nur für das Gehalt. Das gilt für Befristungen und lose Verträge, das gilt auch dafür, hinter den Menschen zu stehen, die tagtäglich dafür sorgen, dass ein Medium lebt, die den Mut beweisen, mit ihren Namen und ihren Biographien Meinungen und Perspektiven zu vertreten, die einem Innenminister oder einer Exekutivorgan des Staates nicht gefallen. Das gilt dafür, Menschen Existenzsicherheit auf allen Ebenen zu geben. Dieser Anspruch, den wir an die Welt haben, soll natürlich auch in unseren Arbeitsverträgen sichtbar sein.
Wir wollen uns keinem Friss-oder-stirb-Anspruch verschreiben.
Dass wir so handeln können, während im April andere, viel größere Medien ihre Redaktionen in Kurzarbeit schicken mussten, haben wir euch zu verdanken. Wir hoffen, ihr unterstützt uns auch weiterhin dabei.
Zu den Zahlen
Wenn wir nur die Zahlen betrachten, verlief der April recht unspektakulär. Es fielen die üblichen Kosten für Infrastruktur, Miete und externe Leistungen an. Die Rechstkosten für das Verfahren ohne Namen sind nach wie vor ärgerlich, aber es hilft nichts. Sie müssen bezahlt werden. Die Gebühren waren etwas höher als sonst, da unter anderem eine umfangreiche IFG-Anfrage gestellt wurde. Nichtsdestotrotz waren die Ausgaben etwas niedriger als Anfang des Jahres kalkuliert, die Spenden dafür etwas höher als erwartet. Dass ihr alle dazu im April beigetragen habt, freut uns außerordentlich! Der April lief also alles in allem finanziell sogar etwas besser als prognostiziert und in Zeiten einer Pandemie ist das wohl mehr als irgendwer erwarten kann.
Insgesamt freut uns auch die Entwicklung der letzten Jahre. Im Vergleich zum Vorjahresapril wurden 23 Prozent mehr gespendet. Damit wurde im April ein Spendenstand von knapp 210.000 Euro erreicht. Das enspricht 28 Prozent der angestrebten Jahresspenden im ersten Drittel des Jahres. Im Vorjahresapril wurden schon 35 Prozent des Jahresspendenziels erreicht – allerdings haben wir für 2020 ein mutiges Spendenziel angesetzt und es wäre kaum zu glauben, wenn sich die Spenden einfach so diesem Ziel anpassen würden.
Wir sind auf einem guten Weg. Es geht natürlich nicht nur um eine Zahl, die am Ende des Jahres irgendwo steht, sondern darum, wem ein Job angeboten werden kann, ob aus Urlaubsvertretungen feste Stellen werden, welches Budget vorhanden ist für Freie, für Web Development, für Technik, für neue Stühle. Kurz: Wie sich netzpolitik.org entwickeln kann. Was denkt ihr darüber? Wohin kann, soll, muss sich netzpolitik.org entwickeln? Schreibt es gern in die Ergänzungen.
Danke für Eure Unterstützung!
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Wir sind glücklich, die besten Unterstützerinnen und Unterstützer zu haben. Das motiviert ungemein.
Unser Transparenzbericht von März findet sich hier.
Wie gleicht ihr eigentlich das Minus im Monat aus? Ich mein die Gehälter und Kosten für Miete etc. müssen ja immer monatliche gezahlt werden. Oder sind die Einnahmen das Budget fürs kommende Jahr?
Macht weiter so!
Lieber aufmerksamer Leser,
vielen Dank für die Nachfrage! Tatsächlich ist es so, dass wir im laufenden Jahr Rücklagen aufbauen und diese dann in die Kalkulation des Folgejahres eingehen. Wir kalkulieren also jedes Jahr mit den Spendeneinnahmen des abgeschlossenen Jahres und den voraussichtlichen Spendeneinnahmen des Folgejahres. Da wir im Dezember die meisten Spenden bekommen, gleichen wir diese Mehreinnahmen dann mit allen anderen Folgemonaten aus bzw. gleichen die monatlichen Verluste mit den Mehreinnahmen im Dezember aus. Die monatlichen Einnahmen fließen aber schon in das aktuelle Budgetjahr – nur der Jahresüberschuss fließt dann in das Budget bzw. in die Budgetplanung des Folgejahres.
Zudem bauen wir natürlich auch Rücklagen auf, um die Liquidität zu sichern, falls unsere Kalkulation nicht zutreffen sollte. Die Unterstützung der Community ist bisher glücklicherweise sehr stabil. Ich habe das im Transparenzbericht für den März auch etwas genauer beschrieben: https://netzpolitik.org/2020/unsere-einnahmen-ausgaben-und-eine-pandemie-im-maerz-2020/
Viele Grüße
Stefanie
Toi toi toi. Freut mich, dass es euch gut zu gehen scheint.