Behörden auf Social MediaStefan Brink meint es ernst mit dem Datenschutz

An Silvester kündigte der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg an, seinen Twitter-Account zu löschen. Das hat er gemacht. Jetzt geht er den nächsten Schritt und stellt Anforderungen an alle Behörden für ihre Social Media-Nutzung. Wir haben ihn dazu interviewt.

Ein Portraitfoto von Stefan Brink.
Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter von Baden-Württemberg. – Alle Rechte vorbehalten LfDI BW, Jan Potente

Viele Behörden nutzen tagtäglich und wie selbstverständlich Soziale Netzwerke. Vor allem über dominante Plattformen wie Facebook oder Twitter erreichen sie ein großes Publikum, was für ihre Öffentlichkeitsarbeit und die Information von Bürger:innen über behördliche Themen praktisch ist. Die Sache hat nur einen Haken: In vielen Fällen dürfte die behördliche Nutzung von Social Media illegal sein, sagt der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink.

Ende Januar hatte der Datenschützer ernst gemacht und den Twitter-Account seiner Behörde gelöscht. Eine weitere Nutzung der Plattform wäre mit der seit 2017 geltenden und jüngst aktualisierten Richtlinie für die behördliche Nutzung von Social Media nicht vereinbar. „Öffentliche Stellen müssen rechtmäßig kommunizieren“, sagte Brink zu seinem Twitter-Aus gegenüber netzpolitik.org.

Wir haben mit Brink darüber gesprochen, was seine Richtlinie in der Praxis bedeutet, warum die neuen Regelungen niemanden überraschen sollten und was noch besser wäre als Mastodon.

Behörden müssen sich an Regeln halten

netzpolitik.org: Können Behörden mit den neuen, strengen Anforderungen Twitter und Co. noch nutzen oder geht das jetzt nicht mehr?

Stefan Brink: Ich finde die Anforderungen gar nicht streng, das kommt vielen nur so vor, weil sie sich so sehr an die großen Plattformen gewöhnt haben, inklusive der Behörden. Früher hatten Soziale Netzwerke noch ein sehr schmuddeliges Image. Das hat sich geändert: Heute werden sie von vielen Menschen rege genutzt, weswegen viele Behörden auch an den Sozialen Netzwerken teilnehmen wollen. Und jetzt muss sich im Sinne der Rechtmäßigkeit nun mal wieder etwas ändern. Für Behörden dürfte es eigentlich nicht überraschend sein, dass man sich an bestimmte Regeln hält, aber offensichtlich müssen viele das neu lernen.

netzpolitik.org: Was müssen Behörden denn konkret verändern?

Brink: Es fehlt eine Absprache zwischen den Plattformbetreibenden und den Behörden im Sinne der gemeinsamen Verantwortlichkeit beim Datenschutz. Solange es es die nicht gibt, dürfen Behörden erstmal nicht twittern – aber es ist möglich, sie zu schaffen, wenn die Behörden den Unternehmen gegenüber ganz klar auftreten.

Schwieriger wird es mit der Transparenz, an der es bei vielen Social-Media-Betreiber:innen mangelt. Das ist ein ernsthaftes Problem für Behörden, die wissen müssen, was diese mit den Daten ihrer Nutzer:innen machen. Facebook beispielsweise hat da aber schon einige Schritte in die richtige Richtung getan. Dazu zählen etwa die – allerdings noch unvollständige – Ergänzung der Datenschutzhinweise zur Gemeinsamen Verantwortlichkeit oder die neue Funktion namens „Aktivitäten außerhalb von Facebook“, welche für mehr Transparenz über die Datenverarbeitung von Nutzerdaten sorgen. Jetzt braucht es noch erhebliche Bewegung der Behörden.

Behörden fürchten sich vor Reichweiteverlust

netzpolitik.org: Was können und möchten Sie tun, um die Anforderungen, die Sie gestellt haben, gegenüber den Behörden durchzusetzen?

Brink: Ich setze gerade darauf, die Problematik mit den Behörden zu besprechen und sie zu beraten. Mit allen Ministerien, der Staatskanzlei und vielen Landesbehörden haben wir auch schon gesprochen. Dank Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darf ich im Extremfall auch die Löschung eines Accounts anordnen. Ich glaube aber nicht, dass ich das muss. Die Behörden legen ja auch sehr gern Wert auf ihre eigene Rechtsbindung.

netzpolitik.org: Wichtig ist Ihnen auch, dass Behörden Alternativen bieten neben den üblichen Plattformen. Die Landesregierung ist ja schon auf Mastodon, wie bewerten Sie das?

Brink: Das ist wirklich ein schöner Schritt. Die Landesregierung sieht offenbar die Problematik, dass man Bürger:innen nicht auf bestimmte Plattformen zwingen darf. Sehr gut klappt das auch bei der Staatskanzlei. Es ist wichtig, dass Behörden alternativen, dezentral organisierten Plattformen wie Mastodon so mehr Zulauf verschaffen. Nur so können wir das Hauptargument, dass Behörden da sein müssten, wo die Menschen sind, entkräften.

netzpolitik.org: Haben Behörden Probleme beim Umstieg, weil Mastodon ganz anders funktioniert als Twitter?

Brink: Also dank der Richtlinie zur Nutzung von Sozialen Netzwerken seit 2017 formell schon mal nicht mehr. Und auch was technische Schwierigkeiten angeht, gibt es jetzt gute Lösungen, um den Umstieg zu erleichtern. Beispielsweise gibt es Tools, die Beiträge, die auf Twitter gepostet werden, automatisch auf Mastodon spiegeln. Die meisten Behörden haben eher Angst, dass ihre Reichweite wegfällt, dazu beraten wir aber immer gern.

Eine Plattform von und für Baden-Würrtemberg

netzpolitik.org: Hatten Sie nicht sogar mal von einer vom Land selbst gehosteten, alternativen Plattform gesprochen?

Brink: Ja, wir können da auf jeden Fall mutiger sein. Auf lange Sicht wünsche ich mir etwas, das ich Baden-Württemberg-Plattform nenne: Eine gemeinsame Kommunikationsplattform aller öffentlichen Stellen. Es gibt ja schon seit langem die Transparenzplattform für die Informationsfreiheit, die könnte man einfach nutzen. Gern auch parallel zu anderen Plattformen. Das Schöne an Behörden ist ja, dass man das gesetzlich regeln kann: Dadurch kämen alle auf diese Plattform und damit wäre auch die Reichweite kein Problem.

netzpolitik.org: Meinen Sie mit „gesetzlich regeln“ die Schaffung eines Gesetzes zur Öffentlichkeitsarbeit von Behörden, das Sie auch in den Anforderungen ansprechen?

Brink: Ja, genau, das sollte Teil eines solchen Gesetzes werden. Dass wir sowas nicht haben, liegt daran, dass die Regeln zur Öffentlichkeitsarbeit in den 90ern gemacht wurden, als es Social Media noch gar nicht gab. Darum liegt alles an den Behörden selbst, was offensichtlich zu Problemen führt – zum Beispiel, wenn es um Datenschutz geht.

netzpolitik.org: Wie sieht es denn außerhalb von Baden-Württemberg so in dieser Debatte aus?

Brink: In Sachsen-Anhalt ist die Staatskanzlei aus Twitter ausgestiegen [Anm. de Redaktion: Wir haben nach dem Interview allerdings doch diesen Twitteraccount gefunden.] und in Berlin machen viele Unternehmen verantwortungsvolle Schritte – es tut sich was. In der Datenschutzkonferenz der Länder haben wir uns abgesprochen und ich bin sicher, dass gemeinsame Aktionen folgen werden.

6 Ergänzungen

  1. Ja, ich finde es gut, dass diese Erkenntnis langsam von immer mehr verantwortlichen Personen geteilt wird.

    Zitat
    „….. erreichen sie ein großes Publikum, was für ihre Öffentlichkeitsarbeit und die Information von Bürger:innen über behördliche Themen praktisch ist…..“
    Das ist falsch. Akrive User gibt es viel weniger, als die Zahlen von FB (Facebook) glauben nmachen. Unter aktiven müssten sich außerdem noch User für eine Behörde interessieren. Wieviel bleiben dann noch ?

    Zur angesprochenen Alternative Mastodon bei Netzpolitik.Org :
    https://netzpolitik.org/2017/interview-die-anfangsphase-des-alternativen-sozialen-netzwerks-mastodon-ist-vorueber/
    https://netzpolitik.org/2017/hype-um-offene-und-freie-twitter-alternative-mastodon/

    Ein wesentlich kritischerer Beitrag Z.B.:
    https://medium.com/@thisisTQ/mastodon-the-good-the-bad-and-the-ugly-165a5f0ba20a

    Facebook ist ein KOMMERZIELLES Netzwerk …

    und ist KEIN „soziales“ Netzwerk (wie auch Twitter).
    Es folgt privatwirtschaftlichen Zwecken
    Auch die GI (Gesellschaft Informatik) hatte sich im letzten Jahr verabschiedet und ich kann nur hoffen, dass endlich auch die Offentlich-Rechtlichen Medien folgen.
    Aber auch alle Öffentlichen Einrichtungen (Behörden),
    damit endlich auch die indirekte Finanzierung von Facebook durch Steuergelder aufhört.

    Ich fände es erfreulich, wenn die ÖR Medien ein soziales Netzwerk kreieren würden.
    Eine Mediathek gibt es ja bereits.

    Hierzu möchte ich gerne folgende Diskussion hier auf Netzpolitik.org nachliefern:
    https://netzpolitik.org/tag/oeffentlich-rechtliches-netzwerk/

    Siehe auch:
    https://netzpolitik.org/2017/reporter-ohne-grenzen-kritisiert-verbot-von-linker-plattform/

  2. Ein paar Verlinkungen zu den Mastodon Konten der Angesprochenen Stellen wären hilfreich ich bin bei meiner Suche leider noch nicht fündig geworden.
    Danke!

  3. Herr Brink hat das schlicht verwechselt, denke ich. Sachsen-Anhalt hat seine Facebook-Präsenz gelöscht. Das allerdings schon im vergangenen Jahr. Witzigerweise gibt es aber noch mindestens einen durchs Land verantworteten Account bei Instagram. Auf Twitter sind zahlreiche Ministerien weiterhin aktiv.

  4. Der Schritt weg von Twitter und hin zu Mastodon ist super – was jetzt noch fehlt, ist das Angebot und die aktive Nutzung von „freiem Chat“:

    Auf allen Ebenen wird sowohl von der Politik – als auch von Datenschutzbeauftragten aus verschiedenen Bereichen – „freier Chat“ empfohlen. Eine schöne Übersicht hierzu gibt es auf:
    https://www.freie-messenger.de/messenger/verwaltung/#empfehlungen-für-freien-chat

    Freier Chat sollte (so wie das bei E-Mail selbstverständlich ist) ohne Abhängigkeiten von zentralen Anbietern funktionieren. Darüber hinaus wird auch insbesondere der Gesichtspunkt „Öffentliche Gelder – öffentlicher Programmcode“ („public money – public code“) immer wichtiger. Unabhängige Informationen zum Thema „freie und *anbieterunabhängige* Messengersysteme“ gibt es bei:
    https://www.freie-messenger.de

  5. Daß es Herr Brink mit dem Datenschutz ernst meint, muß leider nun bezweifelt werden. Nach dem EuGH-Urteil, welches erwartungsgemäß die Privacy-Shield-Farce beendete, kritisiert der „Datenschutzbeauftragte“ nicht die Regierungen, die jahrelang keinen konsequenten Datenschutz durchgesetzt haben, auch nicht die Firmen, die nicht in der Lage sind datenschutzkonforme Geschäftsmodelle zu entwickeln, sondern den EuGH! Dieser hätte bei dem eklatanten Verstoß gegen Grundrechte „Übergangsfristen“ einräumen müssen.

    Herr Brink, Firmen und Regierungen haben ihren Job nicht gemacht, das EuGH hat seinen Job gemacht. Und Sie machen anscheinend den falschen Job!

    https://www.heise.de/news/Privacy-Shield-Deutschen-Firmen-droht-Bussgeld-Kritik-am-EuGH-4875282.html

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.