Die von einigen heiß ersehnte, aber nicht gerade unumstrittene deutsche Corona-App zur Kontaktnachverfolgung soll bekanntlich dazu beitragen, die Einschränkungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie-Regeln zu lockern. Die Hoffnung ist, dass durch die App Infektionsketten besser nachvollzogen werden und sich Betroffene vorsorglich in Quarantäne begeben können.
Dazu müssen die Leute die App aber erstmal runterladen und nutzen, wenn sie einmal zur Verfügung steht. In einer repräsentativen Befragung von knapp 1.500 Deutschen wurde nun untersucht, unter welchen Bedingungen Smartphone-Besitzer dazu bereit wären. Der Bericht zur Befragung (pdf, Englisch) gibt einen Einblick in die Präferenzen der Menschen, die künftig aktiv werden und die App nutzen sollen. Vorgegeben wurden verschiedene Szenarien, die sich beispielsweise darin unterschieden, wer Kontrolle über die Daten bekommt, welche Art von Informationen gesammelt werden, ob die Nutzung anonym stattfinden kann oder ob die App quelloffen ist.
Die Frage der Akzeptanz ist keine Kleinigkeit, da Millionen Smartphone-Nutzer irgendwie dazu angeregt werden müssen, die App runterzuladen, um eine sinnvolle Kontaktverfolgung hinzubekommen. Dass diese Millionen erreicht werden, ist angesichts der viel zu geringen Download-Zahlen in vielen Ländern ohnehin fragwürdig. Falls Deutschland sich den nötigen hohen Download-Zahlen auch nur annähern will, spielt laut der Befragung das Vertrauen die entscheidende Rolle. Am wichtigsten ist den künftigen Nutzern, wer die Kontrolle über die App hat, ob mit den gesammelten Daten verantwortungsvoll umgegangen wird und ob die Nutzung wirklich freiwillig ist.
Die Lust zum Download steigt mit der Freiwilligkeit
Untersucht wurde die „Downloadbereitschaft einer Contact Tracing App in Deutschland“ im Auftrag des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen und in Zusammenarbeit mit der Cass Business School in London. Aus elf Eigenschaften der App mit jeweils vorgegebenen Antwortvarianten wählten die Befragten aus, welche ihnen besonders wichtig erschienen und damit die Akzeptanz erhöhen würden.
Vor allem die Frage, wer für die App verantwortlich ist, steht bei den potentiellen App-Nutzern als wichtigstes Kriterium ganz oben. Zur Auswahl standen dabei das Robert-Koch-Institut (RKI), die Bundesregierung, deutsche Konzerne wie SAP und Telekom oder aber internationale Konzerne wie Google und Apple. Aus dieser Liste wird das RKI von den Befragten vorgezogen. Im Umkehrschluss erklären die Autoren des Berichts, dass eine Verantwortlichkeit bei nationalen oder internationalen Konzernen die Akzeptanzraten senken würden.
Als zweitwichtigstes Kriterium stellte sich die Frage heraus, inwiefern die App eine Voraussetzung für Bewegungsfreiheit sein sollte. Vorgegeben waren hier drei Varianten: zum einen eine freiwillige Nutzung ohne Bezug zur Bewegungsfreiheit oder zum anderen die App entweder als Voraussetzung, sich im öffentlichen Raum frei bewegen zu können, oder aber, um an den Arbeitsplatz gelangen zu können. Wenig überraschend neigen die Befragten zur Lösung ohne Zwang: Die Lust zum Download der App würde also steigen, wenn sie freiwillig wäre.
Die Nummer drei unter den Eigenschaften der App, die von den Befragten als besonders wichtig erachtet wurde, ist die Speicherdauer. Von den drei Vorgaben, die zwischen vierzehn Tagen oder einem unspezifischen, nur als „notwendig“ beschriebenen Zeitraum oder aber einer Zeitspanne bis zum Ende der Pandemie reichte, wurde letzteres priorisiert. Die Akzeptanz der App würde demnach steigen, wenn die Daten ausschließlich während der Pandemie gespeichert würden.
Erwähnenswert, aber nicht eben überraschend ist die Auswertung bei der viertwichtigsten Eigenschaft der App, nämlich der Anonymität: Eine anonyme Kontaktverfolgung würde die Neigung zur Nutzung erhöhen, eine Identifizierbarkeit der Smartphone-Nutzer und die Speicherung von Standortdaten hingegen senken, heißt es in dem Bericht. (Warum in diesem Zusammenhang besser von „Pseudonymität“ als von „Anonymität“ gesprochen werden sollte, erklärt das Netzpolitik-FAQ zu Corona-Apps.)
Ob übrigens die App auch anderswo auf der Welt benutzt werden kann, ist den Befragten offenkundig gleichgültig. Die als Reise-Weltmeister geltenden Deutschen haben sich wohl mit einem Heimat-Urlaub schon abgefunden: Diese Eigenschaft ist die am wenigstens priorisierte.
Angst ist ein Faktor
Die Deutschen sind laut den Ergebnissen der Befragung nicht etwa rationale Kopfmenschen, sondern hören auch auf ihren Bauch, zumindest wenn ihnen flau ist: Fast 44 Prozent gaben an, Angst vor dem Virus zu haben – und die höchsten Akzeptanzraten für die App waren bei denjenigen vorhanden, die sich als am ängstlichsten einschätzten.
Wer übrigens unter den Befragten die recht ausführliche Berichterstattung verfolgt hat, ist laut des Berichts eher geneigt, sich die App auch herunterzuladen. Die Diskussion über mehrere Wochen scheint also dazu beigetragen zu haben, das Vertrauen zu stärken. Doch eine ganz generelle Skepsis gaben immerhin 22 Prozent aller Umfrageteilnehmer an: Sie wollen keine App downloaden, egal wie sie konfiguriert ist.
Warum wird nur der „Quelltext“ veröffentlicht, aber die Software-Erweiterungen im Betriebssystem der Handys (auch auf Netzpolitik.org) verschwiegen?
Nein, auf netzpolitik.org wurde das nicht verschwiegen, sondern mehrfach thematisiert. Am umfangreichsten hier, siehe dort Frage 13: https://netzpolitik.org/2020/faq-corona-apps-die-wichtigsten-fragen-und-antworten-zur-digitalen-kontaktverfolgung-contact-tracing-covid19-pepppt-dp3t