Netzpolitischer Wochenrückblick KW 3: Doxing-Debatte, Internet-Shutdowns und Intransparenz

In dieser Woche haben wir die Reaktionen auf den Doxing-Angriff bewertet. Ohne Konsequenz hingegen: Die Deutsche Telekom verstößt weiterhin gegen die Netzneutralität, während die Bundesregierung die Gemeinnützigkeit von Freifunk-Initiativen nach wie vor blockiert. Undurchsichtigkeit statt Transparenz heißt es auch im EU-Parlament und im Familienministerium. Die Themen der Woche im Überblick.

– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Hugo Brightling

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Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter den Sammlungen ergänzen könnt.

Daten und Diskriminierung

Nach dem Doxing-Angriff auf Politiker:innen und Prominente liegen nun zahlreiche Reaktionen und Vorschläge für Gegenmaßnahmen auf dem Tisch. Wir haben sie angeschaut und bewertet. Die Deutsche Welle interviewte dazu Markus Beckedahl.

Von eingespeisten Daten bis zum Output: Technische und soziale Diskriminierung durchzieht alle Ebenen von sogenannten Mustererkennungsverfahren. Das Buch „Pattern Discrimination“ liefert dort spannende Einsichten, wo Fortschrittsglaube und Marktlogik die gesellschaftlichen Auswirkungen sonst verschleiern. Wir haben die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.

Netz ist nicht für alle da – Tracking schon eher

In Simbabwe wurde auf Druck der Regierung wegen Protesten gegen die Verdoppelung der Benzinpreise das Internet ausgeschaltet. Die Aktivistin Berhan Taye von der Kampagne #keepiton erklärt uns im Interview, was Internet-Shutdowns sind und welche Auswirkungen sie haben.

Mit ihrem StreamOn-Produkt verletzt die Telekom Deutschland seit langem die Netzneutralität. Stimmt nicht, sagt der Netzbetreiber und wehrt sich rechtlich gegen Verfügungen und Gerichtsurteile. Bislang kommt sie damit durch – und verdient mit ihrem Regelbruch gutes Geld.

So gut wie alle Parteien sind sich einig: Das ehrenamtliche Engagement von Freifunk-Initiativen soll endlich als gemeinnützig anerkannt werden. Das bringt steuerliche Vorteile und eine bessere Versorgung mit offenen WLANs. Doch wie schon vor zwei Jahren bremst die Bundesregierung.

Auf dem jährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs stellte Privacy International eine Recherche zu User-Tracking bei Android-Apps vor. Im Fokus der Analyse stehen dabei kostenlose und weit verbreitete Apps mit Facebook-Integration, die bereits beim Öffnen automatisch Tracking-Daten an Facebook übertragen, auch bei Nicht-Facebook-Usern.

Wie geht das mit der Transparenz?

Das Familienministerium kooperiert mit dem Verfassungsschutz, um Demokratieprojekte zu durchleuchten. Die Zusammenarbeit stößt auf scharfe Kritik. Doch das Ministerium will geheimhalten, wen es überprüfen lässt. Seine Anwälte argumentieren: Wenn Details bekannt würden, werde das Vertrauen ins Ministerium zerstört.

Der Spitzenkandidat von Europas Konservativen wirbt bei der Europawahl mit dem Versprechen von mehr Transparenz. Doch die eigenen Abgeordneten torpedieren eine Abstimmung, die Lobbyisten im EU-Parlament strengere Regeln auferlegen soll. Sie wollen ausgerechnet über Transparenz geheim abstimmen.

Zum ersten Mal hat die Polizei weniger Telefone und Internet-Anschlüsse abgehört als im Vorjahr, auch die Zahl der Straftaten ist auf einem Tiefstand. Das geht aus der offiziellen Justizstatistik hervor. Überwacht wird auch weiterhin vor allem wegen Drogen, Terrorismus taucht nicht auf.

Seit November darf die Bundespolizei Personen auf bestimmten Abschnitten der Berliner S-Bahn anlasslos und ohne besonderen Grund durchsuchen. Möglich macht dies ein Verbot von „gefährlichen Gegenständen“. Das Berliner Verwaltungsgericht hat jetzt in einem Fall gegen die Allgemeinverfügung der Polizei entschieden.

Creative Commons und Open Access

Creative-Commons-Abmahnungen sind nicht mehr lukrativ. Seit Jahren werden Nutzer:innen von Creative-Commons-Bildern für kleinste Lizenzfehler mit Forderungen und Abmahnungen überschüttet. Doch dieses Geschäftsmodell könnte bald zu Ende sein, wenn sich mehr Betroffene wehren. Denn immer mehr Gerichte haben die Masche durchschaut und urteilen mitunter auch gegen die Abmahner.

Ein Konsortium deutscher Wissenschaftseinrichtungen hat sich mit dem Großverlag Wiley auf ein wegweisendes Open-Access-Modell geeinigt. Damit steigt der Druck auf andere Großverlage wie Elsevier, ebenfalls mehr Open Access zu ermöglichen. Hinzu kommen immer mehr Wissenschaftler, die Elsevier den Rücken zukehren und eigene Open-Access-Wege gehen.

Geschmackssache

Die Rasierermarke Gillette provoziert Ewiggestrige mit einem Werbespot, der eine neue Männlichkeit propagiert. Die Methode ist schlau, denn sie instrumentalisiert die Erregbarkeit von Rechten und Rechtsradikalen und macht sie und ihre Netzwerke zu willigen Multiplikatoren für virale Werbung.

Mit der neuen zivilgesellschaftlichen Online-Plattform Topf-Secret können Verbraucher:innen Hygienekontrollberichte zu Restaurants, Supermärkten und anderen Betrieben anfragen. Bisher setzt die Bundesregierung auf ein System der freiwilligen Transparenz.

Die Lieferfirmen Foodora und Deliveroo geben ihren Mitarbeiter:innen gerne das Gefühl, unabhängig und frei zu sein. Durch permanente Überwachung und über Anreizsysteme werden jedoch die Fahrer:innen diszipliniert und interne Konkurrenz geschürt: Die App ist der Chef. Wissenschaftlerinnen haben das Geschäftsmodell jetzt untersucht.

Ein Kläger bleibt gerne geheim

Yannic Hendricks zeigt Ärzt:innen an, die auf ihren Webseiten gegen Paragraf 219a verstoßen, möchte aber lieber anonym bleiben. BuzzfeedNews wehrte sich gegen seine Unterlassungsklage – und hat damit vor Gericht gewonnen.

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