Kampf um 219a: Medien dürfen Yannic Hendricks beim Namen nennen

Yannic Hendricks zeigt Ärzt*innen an, die auf ihren Webseiten gegen Paragraph 219a verstoßen, möchte aber lieber anonym bleiben. BuzzfeedNews wehrte sich gegen seine Unterlassungsklage – und hat damit vor Gericht gewonnen.

Mann versteckt sich hinter Plakat
Anzeigen gerne, aber bitte nicht öffentlich genannt werden: Anti-Abtreibungs-Aktivist Yannic Hendricks CC-BY 2.0 Aleksey Dushutin

Seit der Anzeige gegen die Ärztin Kristina Hänel debattiert Deutschland wieder über Abtreibungen, genauer den Paragraphen 219a im Strafgesetzbuch. Dort wird das Informieren über den Schwangerschaftsabbruch als vermeintliche „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ kriminalisiert. Jetzt darf der Name des Mannes, der diese Debatte mit seiner Anzeige gegen Hänel und andere Ärzt*innen erst angestoßen hat, auch öffentlich genannt werden: Yannic Hendricks. Das hat das Landgericht Düsseldorf in einem Urteil bestätigt.

Der 27-jährige Mathematikstudent aus Kleve ist einer von zwei Männern, die in Deutschland Ärztinnen und Ärzte anzeigen, die auf ihren Webseiten darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen – was nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch als „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ verboten ist. Hendricks hatte in der Vergangenheit unter dem Pseudonym Markus Krause schon Interviews in der taz und im Deutschlandfunk gegeben, in denen er dies als sein „Hobby“ bezeichnete und angab, in den vergangenen drei Jahren nach eigener Schätzung mehr als die 60 Ärzt*innen angezeigt zu haben.

Da Hendricks bei seinen Aktivitäten vor allem die Webseiten der Praxen ins Visier nimmt, ist dieses Thema auch netzpolitisch relevant: Es geht um den freien Zugang zu Informationen online, der für die Betroffenen beschränkt werden soll. So beschreibt Hendricks sein Vorgehen im Interview mit der taz: „Wenn ich Zeit habe, am Wochenende meistens, suche ich in meinem Arbeitszimmer am Computer über Google nach Schwangerschaftsabbrüchen und danach, wo man die vornehmen könnte. Ich überlege mir: Wo würden schwangere Frauen im Internet suchen? Also auf Seiten von Arztpraxen. Ich gucke dann, ob ich auf Seiten stoße, auf denen angegeben ist, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Wenn das der Fall ist, dann erstatte ich online Strafanzeige.“

Anzeigen: „Das ist halt so mein Hobby“

Das Nachrichtenportal BuzzfeedNews hatte über Yannic Hendricks berichtet, nachdem dieser andere Medien und Personen per Anwalt abmahnen ließ, die seinen Namen öffentlicht gemacht hatten.

Auch Buzzfeed News bekam daraufhin Post vom Anwaltsbüro Höcker, das Yannic Hendricks vertritt. Die Nennung des Namens verstoße gegen Hendricks’ Recht auf Anonymität. Er suche nicht die Öffentlichkeit, so die Argumentation. Die Journalist*innen sahen das anders. Sie schrieben: „Wir glauben, dass eine Person, die sich aktiv und freiwillig in einen öffentlichen Meinungskampf begibt, auch öffentlich genannt werden darf.“ So argumentierte auch der Medienrechtsanwalt Jan Hegemann, der Buzzfeed vertritt:

„Herr Hendricks nimmt mit seinen vielfältigen Strafanzeigen gegen Mediziner am öffentlichen Meinungskampf um eine die Öffentlichkeit gerade in diesen Wochen und Monaten intensiv beschäftigende Frage teil: Die Auseinandersetzung um das Werbeverbot für Abtreibungsleistungen gemäß § 219 StGB. Diesen Meinungskampf führt Ihr Mandant nicht alleine mit seinen Strafanzeigen, sondern auch durch mehrere Interviewäußerungen, die er freilich im Schutze der ihm von den interviewenden Journalisten zugestandenen Anonymität abgegeben hat. Das ändert aber nichts an der Berechtigung anderer Medien, einen solcherart mit Interviews und Strafanzeigen in die Öffentlichkeit tretenden Aktivisten auch namhaft zu machen.“

Und so sah es auch das Landgericht Düsseldorf, das die Klage im Fall von BuzzfeedNews heute abgewiesen hat. (Hier das vollständige Urteil als PDF auf der Webseite von BuzzfeedNews.)

Yannic Hendricks‘ Name kursierte schon seit Monaten im Netz, Kritiker*innen der Paragraphen 219 a verwendeten ihn als Hashtag. Hendricks hatte sowohl die Anzeigen gegen die Ärzt*innen als auch die Dienstaufsichtsbeschwerden bei Generalstaatsanwaltschaften, die er im Rahmen seines Aktivismus betrieb, unter seinem Klarnamen gemacht. Die Ärztinnen Kristina Hänel und Nora Szász, die beide von ihm angezeigt wurden, nannten ihn mehrmals öffentlich in Interviews. Im März 2018 hatte die Journalistin und Vorsitzende von Pro Familia, Kersten Artus, Hendricks‘ Namen auf Facebook und Twitter gepostet, sie zählt zum Unterstützerkreis der angezeigten Ärzt*innen. Auch Artus wurde dafür verklagt, über ihren Fall wird am 15. Februar in Hamburg entschieden.

Ein Kampf um die Diskurshoheit

Der Fall ist Teil eines öffentlichen Kampfes um die Diskurshoheit im Zusammenhang mit Abtreibungen. Im Kern geht es um die Frage, ob Abtreibungen in unserer Gesellschaft als etwas „Normales“ gelten sollten oder ob sie weiterhin moralisch verpönt sein sollten. Gegner*innen der Normalisierung, darunter auch der Gesundheitsminister Jens Spahn, erhoffen sich davon, dass das Stigma einer Abtreibung ungewollt Schwangere eher von einer solchen Entscheidung abbringt – dass also dadurch mehr ungewollte Schwangerschaften ausgetragen werden – auch wenn Erfahrungen aus Ländern, in denen der Abbruch kriminalisiert wird, dies nicht bestätigen.

Die andere Seite, die sich für die Abschaffung des Paragraphen 219 a einsetzt, argumentiert dagegen, dass Abtreibungen in Deutschland längst Teil der Normalität sind und es um das Recht der Betroffenen auf Informationen geht. Sie sollen nach dem Besuch eines vorgeschriebenen Beratungsgespräches die Möglichkeit haben, ohne weitere Hürden einen Arzt oder eine Ärztin in ihrer Nähe zu finden.

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