Mit dem Beschluss der EU-Urheberrechtsreform im Rat endet die Debatte auf EU-Ebene und jene über die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht beginnt. Dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels kann es zum Beispiel gar nicht schnell genug gehen. Der Verlegerverband fordert, den Artikel zur Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften noch in diesem Jahr umzusetzen. Eine Bestimmung, die Einkünfte von Kreativen weg zu Verlagen umverteilen wird.
Was den besonders umkämpften Artikel 17 betrifft, der vorher Artikel 13 hieß, hatte dort die Diskussion über die nationale Implementierung bereits vor der Verabschiedung begonnen. Er soll Plattformen zur Lizenzierung und Filterung von Uploads zwingen, doch CDU/CSU versprachen bereits im März, dass „es in der nationalen Umsetzung keine Uploadfilter geben“ wird. In der zentralen Passage der CDU-Mitteilung heißt es:
Das bedeutet: alle Inhalte können hochgeladen werden. Unterhalb einer zeitlichen Grenze sind Uploads von Lizenzgebühren frei. Oberhalb einer zeitlichen Grenze muss die Plattform für urheberrechtlich geschützte Werke, die einen digitalen Fingerprint (Kennzeichnung des Urhebers) haben, Lizenzen erwerben. Das ist der Normalfall.
Alternativ könne der Rechteinhaber auch auf seine Rechte verzichten oder die Löschung verlangen. Im Übrigen gelte „eine gesetzlich verpflichtend ausgestaltete Pauschallizenz“, also eine standardisierte Vergütung für Uploads, die an Verwertungsgesellschaften abzuführen ist. Am Ende präzisiert die CDU, dass „das Modell der Pauschallizenz [rechtlich] eine Schranke zum Urheberrecht dar[stellt]“. Das Problem mit diesem Vorschlag ist, dass es der weiterhin gültige Artikel 5 aus der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 explizit untersagt, nationale Schrankenbestimmungen einzuführen – und zwar unabhängig davon, ob für so eine Schranke eine Vergütung („Pauschallizenz“) vorgesehen ist oder nicht (weitere Hintergründe zum Thema Pauschallizenz liefert Henry Steinhau bei irights.info).
Aktuelle Urheberrechtsschranken erfassen keine Remixe und Memes
In der soeben verabschiedeten, neuen EU-Richtlinie zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ wird in Artikel 17 Absatz 7 nur auf bereits bestehende Schranken für „Zitate, Kritik und Rezensionen“ sowie „Karikaturen, Parodien oder Pastiches“ verwiesen. Neu eingeführte Schranken für bestimmte Nutzungen im Bildungsbereich oder Text- und Datamining helfen ebenfalls nicht weiter.
Auch die bis zuletzt umstrittene, bei der Verabschiedung im Rat ergänzte „Protokollnotiz“ (PDF) der deutschen Bundesregierung geht über den Verweis auf bestehende Schranken nicht hinaus und ist darüber hinaus nicht rechtlich bindend:
Auch die Nutzung geschützter Inhalte auf Upload-Plattformen beispielsweise für Kritik und Rezensionen oder für Karikaturen, Parodien und Pastiches oder aber im Rahmen der Zitatschranke wird erlaubt, ohne dass eine Vergütung zu zahlen ist: Hier entstehen dem Rechtsinhaber ohnehin keine relevanten wirtschaftlichen Einbußen.
Zahlreiche weit verbreitete Nutzungsweisen – allen voran Remixe, Mashups und Memes – sind jedoch von genau diesen Schrankenbestimmungen derzeit nicht erfasst (für eine ausführliche Erläuterung dieses Problems: „Meme und Urheberrecht: Ohne Fair Use unversöhnt“). Auch Uploads „unterhalb einer zeitlichen Grenze“ von Lizenzgebühren freizustellen ist zumindest auf Basis der bestehenden Schrankenbestimmungen im deutschen Urheberrecht unmöglich. Mehr noch, es ist die Frage, ob so eine Bestimmung überhaupt auf nationaler Ebene umsetzbar sein könnte.
„Metall auf Metall“-Prozess hat Folgen für Umsetzung von Uploadfiltern
Von großer Bedeutung für die Beantwortung dieser Frage wird eine bald erwartete Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH): Mittlerweile über 20 Jahre dauert der Prozess um ein zwei Sekunden langes Sample des Kraftwerk-Songs „Metall auf Metall“ an. Die Sequenz aus dem gleichnamigen Titel der Band tauchte in einem Song von Sabrina Setlur auf. Ralf Hütter von Kraftwerk verklagte daraufhin ihren Produzenten Moses Pelham, da die Nutzung nicht genehmigt worden war. Dagegen hatte das Kraftwerk-Gründungsmitglied Klage eingereicht.
Zwar hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Nutzung dieses kurzen Tonschnipsels von dem Recht auf „freie Benutzung“ in § 24 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) gedeckt ist. Diese Entscheidung ist jedoch nur dann mit dem EU-Urheberrecht vereinbar, wenn die deutsche Regel und Rechtsprechung zur „freien Benutzung“ als kompatibel mit dem Schrankenkatalog der EU-Richtlinie aus 2001 angesehen wird. Zumindest der EU-Generalanwalt verneint in seinem Schlussantrag diese Kompatibilität (Hervorhebung von mir):
Hingegen enthält die Aufzählung der Ausnahmen und Beschränkungen der ausschließlichen Rechte in Art. 5 der Richtlinie 2001/29 keine allgemeine Ausnahme, die die Benutzung eines fremden Werks zum Zweck der Schaffung eines neuen Werks gestatten würde.
Sollte der EuGH in diesem Punkt dem EU-Generalanwalt folgen, sieht es düster aus für den Vorschlag der CDU/CSU und damit auch für eine nationale Erlaubnis von (kurzen) Remixes und Memes. Es fehlt einfach an der dafür notwendigen europarechtlichen Grundlage in Form einer allgemeinen Bagatellschranke oder eines Rechts auf Remix. Umgekehrt ist eine Lizenzierung gerade solcher Nutzungen schwer bis unmöglich, weil auch große Verwertungsgesellschaften nicht über entsprechende Rechte verfügen: die Mitglieder von Verwertungsgesellschaften treten diesen in sogenannten Wahrnehmungsverträgen nur genau spezifizierte Verwertungsrechte ab. Die für Remixes oder Memes erforderlichen Rechte, Inhalte auch verändert weiterzuverbreiten, sind davon nicht umfasst.
Ist ein neues Zitatrecht die letzte Chance?
Für den nationalen Gesetzgeber bleibt dann nur noch die Option, den Anwendungsbereich vorhandener Schranken und hier vor allem jenen des Zitatrechts auszudehnen. In Deutschland sind die Grenzen des Zitatrechts äußerst eng gezogen. Erforderlich für ein rechtmäßiges Zitat ist, dass es als „Erörterungsgrundlage“ für eigene Ausführungen dient („Belegfunktion“) sowie der Umfang eines Zitats im Vergleich zur Länge des zitierenden Werks gering sein muss. Hinzu kommt, dass das Zitatrecht je nach Werksform – Bild-, Musik- oder Textzitat – unterschiedliche Maßstäbe anlegt.
Vorbild für eine Ausdehnung des Zitatrechts könnten Formulierungen im österreichischen Urheberrecht sein, das 2015 sanft modernisiert worden war. Dort heißt es unabhängig von der Art des Werks:
Ein veröffentlichtes Werk darf zum Zweck des Zitats vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.
Zulässig ist das laut Gesetz insbesondere, wenn „einzelne Stellen eines erschienenen Werkes in einem selbstständigen neuen Werk angeführt werden“.
Diese Formulierung ist relativ offen. Dem Gesetzeswortlaut nach könnten sogar bestimmte Formen von Memes, etwa ein beschriftetes Standbild eines Films, von diesem neugestalteten Zitatrecht erfasst sein. Rechtsprechung gibt es meines Wissens nach jedoch noch keine dazu. Auch der Ausdehnung des Zitatrechts sind europarechtliche Grenzen gesetzt. In seiner Antwort auf die Frage, ob Sampling nicht ein „Musikzitat“ sein könnte, fordert der EU-Generalanwalt Szpunar in seiner Empfehlung „eine Interaktion zwischen dem zitierenden und dem zitierten Werk“. Etwas, das er – meiner Meinung nach zu Unrecht – für Sampling verneint. Die EuGH-Entscheidung zu „Metall auf Metall“ wird deshalb auch maßgeblich dafür sein, inwieweit Memes und bestimmte Remixes über das Zitatrecht legalisiert werden können.
Ausblick auf nationale Möglichkeitsräume
Uploadfilter „in der nationalen Umsetzung [zu] verhindern“, wie es CDU/CSU versprechen, steht auf europarechtlich äußerst wackeligen Beinen. Wenn der EuGH im Verfahren zu „Metall auf Metall“ den Empfehlungen des Generalanwalts folgt, sind zentrale Vorschläge wie „[k]urze Ausschnitte von Stücken unterhalb einer Bagatellgrenze“ lizenzfrei zu erlauben, national kaum umsetzbar. Umso wichtiger wird es dann sein, bestehende Schranken für Zitate und Parodien auszudehnen, sodass zumindest bestimmte Formen von Remix und Meme von diesen erfasst sind. Diesbezüglich gibt es vor allem in Deutschland noch einiges an Spielraum und Bedarf, eine übermäßig restriktive Rechtsprechung gesetzlich zu korrigieren.
Schließlich bleibt die Frage, ob und wie Verwertungsgesellschaften die Wahrnehmungsverträge mit ihren Mitgliedern dahingehend überarbeiten werden, um Remixes, Mashups und Memes überhaupt lizenzieren zu können. Dann müssten sich Kunstschaffende mit kreativer Aneignung ihrer Werke durch Nutzer und Fans abfinden, ohne dass sie weiterhin im Einzelfall über ein Vetorecht verfügen. Etwas, das bei Cover-Versionen in der Musik zwar schon lange etablierte Praxis ist, im Bereich neuer digitaler Remixkultur jedoch bislang nicht möglich war.
Ein sehr interessanter Beitrag.
Ziemlich (und sogar angenehm) überrascht war ich aber auch von diesem Text:
https://ec.europa.eu/germany/news/20190322-urheberrecht_de
siehe insbesondere den Abschnitt „Memes, Parodien u.a. sind in Zukunft EU-weit erlaubt“.
Sie gehen immer wieder auf die „Nett“ klingenden irgendwie sinnvollen „Remix“ Möglichkeiten ein. Aber „Gesetzte und Recht“ lassen sich nicht auf Ihre als positiv gewünschten Beispiele einschränken. Nach 20 Jahre Netzhass, AFD. Russischer, US, China- Nordkorea etc- etc Probaganda, ganz abgesehen von Reichsbürgern und sonstigen Alu Hut Trägern und und und…… ist im Gegenteil der Schutz der Persönlichkeit und einhergehen der Schutz der Schaffung von persönlichen Werten, sogar eher noch höher zu setzen, als diesen, wie in Ihren Vorstellungen, abzubauen. Auch wenn ich jeden seine individuelle Naivität gönne.