Die unendliche Geschichte von „Metall auf Metall“: Sampling vor dem Europäischen Gerichtshof

Ein gerade Mal zwei Sekunden langes Sample beschäftigt schon seit Jahrzehnten deutsche Gerichte – und demnächst auch den Europäischen Gerichtshof. Der deutsche Bundesgerichtshof will dabei erfahren, ob Kunstfreiheit über den Leistungsschutzrechten steht.

Metall auf Metall (Symbolbild)

Der nicht enden wollende Rechtsstreit rund um ein zwei Sekunden langes Sample von Kraftwerks „Metall auf Metall“ geht nun in die nächste Runde. Heute hat der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Fragenkatalog vorgelegt, der abklären soll, ob Sampling die Rechte des Tonträgerherstellers verletzt oder ob kleine Tonschnipsel ohne Genehmigung des Rechteinhabers genutzt werden können, wenn daraus ein neues Werk entsteht.

Zweimal hatte der deutsche BGH bereits zu Gunsten der Kläger entschieden und das Sampling für unzulässig erklärt. Vor fast genau einem Jahr urteilte dann jedoch das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Rechtsstreit, dass Kunstfreiheit wichtiger als die Leistungsschutzrechte von Tonträgerherstellern sein können und zwang damit den BGH dazu, sich ein drittes Mal mit dem mittlerweile 20 Jahre alten Fall zu befassen.

In der Begründung des Urteils machte das BVerfG deutlich, dass es beim Sampling um mehr als um das bloße „Nachspielen von Klängen“ geht sondern es sich dabei um „eines der stilprägenden Elemente des Hip-Hop“ handelt. Im Ergebnis markierte die Entscheidung des BVerfG eine Wende weg von allzu restriktiver Auslegung eines überbordenden Urheberrechts hin zu einem alltagstauglicheren Schutzniveau.

Darf Deutschland Sampling erlauben?

Rechtlich stützte sich das Urteil des BVerfG u.a. auf das Recht der „freien Benutzung“ des § 24 UrhG, wonach „ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden [darf].“ Und genau an diesem Punkt setzt jene Rechtsfrage an, die der BGH vom EuGH geklärt wissen möchte:

[können] die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die – wie die Vorschrift des § 24 Abs. 1 UrhG – klarstellt, dass der Schutzbereich des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers zur Vervielfältigung […] und Verbreitung […] seines Tonträgers in der Weise immanent beschränkt ist, dass ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung seines Tonträgers geschaffen worden ist, ohne seine Zustimmung verwertet werden darf.

Mit anderen Worten, der BGH möchte wissen, ob Sampling auf nationaler Ebene erlaubt werden darf oder ob das durch die restriktiven Regeln des EU-Urheberrechts unmöglich ist. Zusätzlich möchte der BGH vom EuGH wissen, ob alternativ vielleicht das Zitatrecht Sampling rechtfertigen könnte, macht aber schon in der Formulierung der Frage deutlich, dass er das nicht für möglich hält („Es gibt allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Hörer annehmen könnten, die dem Musikstück ‚Nur mir‘ unterlegte Rhythmussequenz sei einem fremden Werk oder Tonträger entnommen worden“).

Urheberrecht vs. Kunstfreiheit

Als dritte Möglichkeit möchte der BGH schließlich noch erfahren, ob „bei der Bestimmung des Schutzumfangs des ausschließlichen Rechts des Tonträgerherstellers […] die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta zu berücksichtigen sind“:

Im Streitfall stehen das gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta geschützte geistige Eigentum der Kläger als Tonträgerhersteller und die in Art. 13 Satz 1 EU-Grundrechtecharta gewährleistete Kunstfreiheit der Beklagten als Nutzer des Tonträgers einander gegenüber.

Der EuGH bekommt durch diese Vorlageentscheidung des BGH also die Gelegenheit, das Verhältnis zwischen urheberrechtlichem Schutzniveau und Kunstfreiheit neu zu justieren.

Fazit

Je nachdem, wie der EuGH die Fragen des BGH beantwortet, sind zwei Szenarien denkbar. Schließt sich der EuGH der Position des BVerfG an und erlaubt Sampling ohne Rechteklärung im Einzelfall mit Verweis auf Kunstfreiheit, wären damit auf einen Schlag viele Formen von Remixkunst und -kultur legal möglich. In Deutschland würde von Seiten der Rechteinhaber dann wohl mit Vehemenz auf eine (pauschale) Vergütung von „freien Benutzungen“ im Rahmen des § 24 UrhG gedrängt. Für Kunstfreiheit und Remixkreativität wäre das mit Sicherheit das beste Ergebnis.

Verneint der EuGH jedoch die Zulässigkeit des Samplings und entscheidet, dass selbst für die Nutzung kleinster Tonschnipsel die Rechte im Einzelfall geklärt werden müssen, liegt es am europäischen Gesetzgeber, Remixkreativität durch Einführung einer entsprechenden Schranke – einem „Recht auf Remix“ – zu legalisieren. Angesichts der heftigen Auseinandersetzungen auch um kleinste Fortschritte in der laufenden Reformdebatte zum EU-Urheberrecht wären das keine besonders guten Aussichten.

 

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