Urheberrechtsreform in Österreich im Schnellverfahren: Speichermedienabgabe, Leistungsschutzrecht aber auch mehr Zitat- und Zweitveröffentlichungsrechte [Update]

Pallas Athene vor dem österreichischen Parlament (Foto: Derschueler, CC-BY-SA 3.0)

Ähnlich wie in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung soll in Österreich eine unpopuläre Reform des Urheberrechts im Schnellverfahren durchgezogen werden. Seit gestern liegt ein Entwurf für eine Urheberrechtsnovelle zur Begutachtung (PDF) vor, die Begutachtungsfrist für Stellungnahmen beträgt allerdings gerade einmal 10 Tage, darunter ein Wochenende, ein Feier- und ein Brückentag.

Schlecht aus deutschem Urheberrecht abgeschrieben..

Hauptgrund für diese ungewöhnliche Vorgangsweise dürften vor allem zwei Punkte im Entwurf sein, die bereits seit Jahren heftig umstritten sind und im wesentlichen aus dem deutschen Urheberrecht „schlecht kopiert“ wurden. Zum einen betrifft das die vorgesehene Einführung einer „Speichermedienabgabe“, mit der digitale Kopien im Rahmen der Privatkopie abgegolten werden sollen.

Zum anderen droht auch in Östereich ein Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverleger, allerdings sogar in noch verschärfter Form. Im Begutachtungsentwurf des österreichischen LSR fehlt die Einschränkung des deutschen LSR, das „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ vom LSR ausnimmt. Ansonsten ist das österreichische LSR im Wesentlichen Copy&Paste des deutschen LSR, es ist also auch auf ein Jahr beschränkt und fokussiert vor allem Suchmaschinenbetreiber:

LSR Österreich, §76f Abs. 2: „Eine Zeitung, eine Zeitschrift oder Teile davon dürfen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Verfügung gestellt werden, soweit dies nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten geschieht, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“

LSR Deutschland, §87g Abs. 4 UrhG: „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“

In den Erläuterungen zum Entwurf (PDF) heißt es dementsprechend auch:

Der Entwurf stellt daher in Anlehnung an die § 87f ff dUrhG einen neuen § 76f zur Diskussion, wobei er in der Formulierung des Schutzgegenstandes und für die den Berechtigen einzuräumenden Verwertungsrechte andere und zum Teil weiter reichende Ansätze als das deutsche Vorbild vorschlägt.

Mit anderen Worten: die Lehre in Österreich aus den Problemen mit Eingrenz- und Durchsetzbarkeit des deutschen LSR ist nicht ein Verzicht sondern ein noch weiter reichendes LSR.

[Update, 5.6.2015] Ebenfalls aus deutschem Urheberrecht in den österreichischen Entwurf kopiert wurde schließlich, wie mir beim ersten Lesen entgagen war und worauf derstandard.at hinweist, das Verbot auch von Downloads aus „offensichtlich rechtswidriger“ Quelle. Genau dieser unbestimmte Gesetzesbegriff hat sich aber in Deutschland nicht bewährt, was „offensichtlich rechtswidrig“ ist, lässt sich schwer feststellen. Und auch in Österreich führt diese Änderung eher zu mehr als zu weniger Rechtsunsicherheit, wie schon die widersprüchlichen Stellungnahmen im verlinkten derstandard.at-Artikel illustrieren.[/Update]

..und Fehler beim Abschreiben korrigiert

Abgesehen von diesen beiden Verschlechterungen finden sich in dem Entwurf auch Verbesserungen, von denen wiederum zwei besonderes bemerkenswert sind. Erstens soll auch in Österreich ein Zweitveröffentlichungsrecht für Urheber wissenschaftlicher Beiträge eingeführt werden:

„§ 37a. Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der von diesem als Angehörigem des wissenschaftlichen Personals einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungseinrichtung geschaffen wurde und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen ist, hat auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein Werknutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient. Die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“

Sollte diese Formulierung bestand haben, wäre damit eine deutliche Verbesserung für WissenschaftlerInnen verbunden, die sich bislang in der Regel zur Übertragung exklusiver Rechte an Verlage gezwungen sehen. Die entsprechenden Formulierungen gehen sogar über jene in Deutschland hinaus, wo § 38 Abs. 4 zwar ebenfalls ein Zweitveröffentlichungsrecht vorsieht, dieses jedoch auf „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschungstätigkeit“ einschränkt. In Österreich wird nicht auf die Förderung, sondern auf die Einrichtung abgestellt, weshalb sämtliche an öffentlichen Universitäten tätige WissenschaftlerInnen von der Regelung profitieren dürften.

Zweitens, und das ist der einzig wirklich innovative Ansatz im vorligenden Entwurf, schlägt dieser eine Ausdehnung des Zitatrechts vor. In den Erläuterungen heißt es dazu:

Das Zitatrecht soll großzügiger formuliert und eine freie Werknutzung von „unwesentlichem Beiwerk“ nach deutschem Vorbild geschaffen werden.

Während „unwesentliches Beiwerk“ wieder nur eine Kopie deutschen Rechts darstellt, beinhaltet eine Erweiterung und Flexibilisierung des Zitatrechts die Möglichkeit, zumindest manche Formen von transformativem Konsum und Remix im Internet zu legalisieren. So heißt es in dem zur Einfügung vorgeschlagenen §41f in Abs. 1:

„Ein veröffentlichtes Werk darf zum Zweck des Zitats vervielfältigt, verbreitet, durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen benutzt werden, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
[…]
5. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes in einem selbstständigen neuen Werk angeführt werden.“

Hier wird abzuwarten sein, wie die Gerichte diese Ausdehnung des Zitatrechts interpretieren werden. Jedenfalls aber wäre es ein Fortschritt, wenn Zitate unabhängig von bestimmten Werkstypen (also z.B. nicht nur Sprachwerke) möglich wären. Alleine der Umstand, dass die Aufzählung in Absatz 1 nur exemplarisch ist („insbesondere“), birgt jedenfalls beträchtliches Potential zur Flexibilisierung des Zitatrechts.

Fazit

Die Vorgangsweise eine jahrelang kontrovers diskutierte Urheberrechtsnovelle im Schnellverfahren und ohne angemessene Begutachtungsfrist durch das Parlament zu jagen ist einem demokratischen Verfahren unwürdig. Inhaltlich gibt es in Sachen Leistungsschutzrecht leider keine positiven Überraschungen, Österreich lernt Nichts bzw. das Falsche aus den deutschen LSR-Problemen. Auch die Einführung der Speichermedienabgabe wird nicht mit einer Ausdehnung von Nutzerrechten kombiniert und damit eine Chance zur Modernisierung des Urheberrechts vertan. Die geplante Einführung eines Zweitveröffentlichungsrechts im Wissenschaftsbereich und die Ausdehnung des Zitatrechts sind angesichts dessen nur ein schwacher Trost.

3 Ergänzungen

  1. Na, wenn da Deutschland nicht als nächstens ein Leistungsschutzrecht für Gesetzestexte auf EU-Ebene fordert.

  2. Kann ich das mal auf einen kurzen Nenner bringen? Man darf sich aus dem Internet informieren, darin lesen, aber Gelesenes und Geschautes nicht in der Weise verwenden, dass man es im Internet wiedergibt (wörtlich oder abbildlich). Das soll nach EuGH für jeden und ohne Ausnahme gelten, für Universitäten, Schulen, Bildungseinrichtungen, gemeinnützige und für nichtkommerzielle Verwendung. Der Student der Kunstgeschichte darf sich also das Bild einer Statue im Internet anschauen, eine wissenschaftliche Arbeit darüber aber nur ohne jegliche Abbildung derselben schreiben, – was schlicht unmöglich ist, denn Sprache kann die Anschauung nicht ersetzen,- es sei denn, er fragt den Rechtsinhaber um Erlaubnis und zahlt. Selbst hinfahren, fotografieren und das Bild ins Internet stellen nützt dem Studenten auch nichts, auch wenn die Statue öffentlich zugänglich ist, weil es immer einen Eigentümer, also einen Rechtsinhaber an diesem Foto geben wird, der die Hand aufhalten kann. Große Internetkonzerne entwickeln aus dieser Fehlentwicklung des Rechts gerade ein neues Geschäftsmodell und erwerben massenhaft die Rechte an „kulturellen Schlüsselbildern“. Wollen wir das? Warum entwickelt Brüssel nicht ein Urheberrecht, das den Interessen der Allgemeinheit dient? Derweil kopieren Internetgiganten lustig den Weltbestand aller Bücher für eigene kommerzielle Verwendung als book-on demand bzw. copy-on-demand und enteignen dadurch die Rechtsinhaber in ganz großem Stil – und ohne dass Europa reagiert. Es herrscht Kolonialkrieg im Internet. Die Beute wird gerade aufgeteilt! Für uns Bürger wird Bildung in Zukunft sehr teuer werden. Hoffentlich studiert Ihr Kind nicht Kunstgeschichte und will seine Abschlussarbeit im Internet veröffentlichen…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.