Hass und Propaganda im Netz: Wie das EU-Urheberrecht das Immunsystem der Öffentlichkeit stärken könnte

Die Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz und Upload-Filtern zeigen: Unliebsame Inhalte aus dem Netz zu entfernen ist nicht so leicht wie gedacht und mit Einschränkungen von Grundrechten verbunden. Zeit, darüber nachzudenken, wie man stattdessen den öffentlichen Diskurs stärkt. Das Urheberrecht kann dafür ein Hebel sein. Es muss der gesellschaftlichen Debatte zu Gute kommen.

Der Wandel der digitalen Öffentlichkeit | Hypnosis (Symbolbild) CC-BY-NC 2.0 Thomas Hawk

Der Bundestagsausschuss Digitale Agenda hat in der vergangenen Woche die Ergebnisse des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes debattiert. Das in Netzkreisen als NetzDG bekannte Gesetz verpflichtet die Plattformanbieter seit Januar 2018 dazu, illegale Inhalte nach Eingang von Nutzermeldung umgehend zu überprüfen und gegebenenfalls zu löschen. Andernfalls drohen hohe Bußgelder, zumindest bei systematischen Verstößen.

Ziel des Gesetzes war es einerseits, der Verbreitung von strafbaren Inhalten wie Volksverhetzung, terroristischen Inhalten, Verleumdungen und Ähnlichem zu begegnen. Andererseits wollte man die Plattformen bei hochsensiblen Eingriffen in die Meinungsfreiheit dazu verpflichten, sich an deutsches Recht zu halten sowie transparente und einheitliche Verfahren im Bereich Beschwerdemanagement einzurichten.

Denn Facebook, aber auch die anderen Plattformen, glänzten in der Vergangenheit mit ausgesprochen inkonsistenten Content-Management-Verfahren: Anstelle klarer Normen und transparenter Beschwerdeverfahren regierte Willkür.

Im Kampf gegen Hassrede und Falschnachrichten: Das NetzDG und seine Effekte

Das Gesetz war zu jedem Zeitpunkt hoch umstritten: Einerseits privatisiere es die Rechtsdurchsetzung, so die Kritiker. Andererseits sei es wohl kaum geeignet, der Menge an toxischen Inhalten zu begegnen. Denn die Öffentlichkeit sei beileibe nicht nur durch Hassrede herausgefordert, sondern auch durch eine große Menge an Propagandamaterial.

Das Problem sind also auch eine ganze Reihe von Inhalten, die nicht unbedingt strafbar sind, aber auch nicht unbedingt zu einem öffentlichen Diskurs beitragen – und die durch Bots und Fake Accounts zum Teil große Verbreitung finden. Leider fehlt es noch immer an einem genauen Überblick.

Bislang konzentrierte sich das weltweite Vorgehen gegen toxische Inhalte auf direkte Bekämpfung: Ob mittels so genannter Notice-and-Take-Down-Verfahren, wie es das NetzDG vorsieht, oder mittels automatisierter Methoden wie Upload-Filter. Die bisherige Ansätze schaffen einen enormen organisatorischen oder technischen Kontrollbedarf, an dem sich staatliche und wirtschaftliche Akteure verschlucken.

Außerdem gefährden sie mitunter rechtsstaatliche Prinzipien wie Meinungs- und Informationsfreiheit. Und sie scheinen auch nicht so sonderlich gut zu funktionieren, so das Ergebnis der Bundestagsberatung in dieser Woche. In Deutschland soll nun das Beschwerde-Management verbessert werden, in Europa streitet die EU Kommission für vielfältige Content-Management-Maßnahmen.

Damit stellt sich die Frage: Wie weiter? Wenn es wenig aussichtsreich ist, illegale oder anderweitig unliebsame Inhalte effektiv aus dem Netz, beziehungsweise aus den sozialen Netzwerken zu entfernen oder herunterzustufen – gibt es dann vielleicht eine Möglichkeit, die Anzahl qualitativ hochwertiger Inhalte zu steigern?

Wie das Urheberrecht die Verbreitung von Falschnachrichten und Propaganda fördert

Die Frage führt zum Urheberrecht. Denn es ist eines der wichtigsten Gesetze, wenn es um die Zirkulation von Inhalten geht und hat mit dem Aufkommen des Internets nochmal an Relevanz gewonnen. In den letzten Jahren konzentrierte sich die Debatte auf den Schutz von Werken und sonstigen Schutzgegenständen vor der Verbreitung im Internet. Selbst wenn Studien darauf hindeuten, dass die freie Verfügbarkeit von Inhalten keinen direkten Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft von Menschen für hochwertige Inhalte ausübt (Value Gap) und Urheber nicht unbedingt von den Einnahmen der Verleger profitieren – das Internet wurde häufig als Gefahr für die Kreativwirtschaft verteufelt. Dementsprechend entwickelte sich das Urheberrecht in Deutschland eher restriktiv.

Mit dem Leistungsschutzrecht etwa versuchte der Gesetzgeber die alten Geschäftsmodelle von Springer und Co. zu fördern – der Erfolg ist mangels Evaluation unklar. Trotzdem sollen diese Regelungen nun in europäisches Recht einfließen und das bedeutet tendenziell: mehr Falschnachrichten und Propaganda. Denn ein restriktiver Umgang mit Presseartikeln, Werken und anderen Schutzgegenständen in sozialen Netzwerken impliziert indirekt eine Begrenzung qualitativ hochwertiger Inhalte, insbesondere für sozial schwache Schichten. Denn diese sind häufig nicht bereit oder fähig, für die hochwertigen Inhalte von FAZ & Co. zu zahlen.

Gleichzeitig müssen wir davon ausgehen, dass bei rassistischen, nationalistischen oder verschwörungstheoretischen Inhalten tendenziell keine Urheberrechte geltend gemacht werden. Einerseits liefe das dem Wesen von Propaganda zuwider. Zweitens gehört es zu den Charakteristiken solcher Inhalte, ihre Herkunft tendenziell zu verschleiern. Drittens sind die Urheber solcher Inhalte häufig keine Presseverlage oder Presseverlage aus dem Ausland, wie etwa Breitbart News oder RT Deutschland (Ausnahme: Bild und Focus Online). Im Endeffekt kommt das Urheberrecht damit nicht der der öffentlichen Debatte zu Gute, sondern fördert versehentlich ihre Zersetzung.

Vorschläge für die EU-Urheberrechtsreform

Die aktuell viel debattierte EU-Urheberrechtsreform soll das Urheberrecht in Europa harmonisieren und den digitalen Binnenmarkt fördern, auch nach deutschem Vorbild. Nach dem ersten EU-Kommissionsvorschlag und den Änderungen des Europäischen Parlaments liegt das Gesetzesvorhaben im so genannten Trilog. Dort verhandeln Vertreter der Kommission mit Rat und Parlament einen Konsens. Umstritten sind neben dem Artikel 3 zum Data- und Textmining unter anderem die Artikel 11 (Leistungsschutzrecht), 12 (Ausgleichsansprüche) und 13 (Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung). Denn diese fördern, so die allgemeine Kritik, einseitig die Interessen der Verleger anstelle der Urheber und gefährden mit den geplanten Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung das freie Internet.

Doch beinhalten sie auch positive Vorschläge für die öffentliche Debatte? In Artikel 11 geht es um die Rechte der Presseverlage für die digitale Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen, also die Verbreitung von Presseartikeln in sozialen Netzwerken oder als Links in Blogs. Ziel ist der Schutz von Presseveröffentlichungen vor dem Internet, daher auch der Name „Leistungsschutzrecht“. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, die Schutzrechte der Rechteinhaber auf 20 Jahre zu erweitern, also mit Rückwirkung.

Die Änderungen des Europäischen Parlaments dagegen ebnen den Weg in die richtige Richtung: Danach würden Einzelpersonen und Links von den äußerst restriktiven Regelungen ausgenommen (Verbreitung von Presseerzeugnissen nur mit Zustimmung und ggf. Bezahlung des Rechteinhabers). Außerdem begrenzt der Parlamentsvorschlag die Schutzfrist auf fünf Jahre – vier Jahre mehr als das als gescheitert geltende deutsche Leistungsschutzrecht – und schließt Rückwirkung aus. Besonders interessant ist aber die Tatsache, dass der Vorschlag Optionen für eine faire und angemessene Vergütung der Presseanbieter enthält – für den Fall einer Übertragung der Rechte an Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft, also etwa Veröffentlichung bei Google, Facebook und Co. Denn klar ist: Irgendwie müssen Urheber bezahlt werden.

Der Parlamentsvorschlag ist also ausgewogener als der Kommissionsvorschlag, aber vor allem im Sinne des kleineren Übels. Was wir brauchen, sind faire und kollektive Entlohnungssysteme für die eigentlichen Urheber und nicht ein restriktives Urheberrecht, das allein auf die Interessen der Verleger zugeschnitten ist. Ein solches würde wohl auch die Debatte über Artikel 12 ändern, der ebenso Urheber gegenüber Verwertern zu benachteiligen droht.

Was wir brauchen: Die Förderung von hochwertigen Inhalten im Netz – nicht der Schutz davor

Aber nicht nur das: Ein auf Förderung von qualitativ hochwertigen Inhalten ausgerichtetes Urheberrechtsregime (Text, Audio und Video), in Kombination mit entsprechenden Entlohnungssystemen, würde auch die Debatte um Artikel 13 unnötig machen. Dieser Artikel betrifft die Nutzung geschützter Inhalte durch Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die große Mengen der von ihren Nutzern hochgeladenen Werke und sonstige Schutzgegenstände speichern oder zugänglich machen, beziehungsweise deren Verhinderung.

Nach Vorschlag der EU-Kommission sollen soziale Netzwerke geeignete Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung treffen: Damit das Urheberrecht nicht verletzt wird, sollen Google, Facebook und Co „geeignete und angemessene Maßnahmen“ ergreifen, um die illegale Verbreitung von Inhalten zu stoppen. Warum das bekannte und bewährte Notice-and-Take-Down-Verfahren nichts ausreicht, bleibt unklar. Im Fokus der Debatte stehen nun Upload-Filter, also Software-Systeme die von Nutzenden hoch geladenen Inhalte proaktiv filtern, beziehungsweise mit als illegal indizierten Inhalten abgleichen, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

Das ist aus verschiedensten Gründen problematisch: Einerseits sind bisherige Systeme sehr ungenau und kreieren viele Fehler. Zweitens sind diese Systeme politisch sehr leicht zu mißbrauchen: Wenn auf einer Demonstration urheberrechtlich geschützte Musik läuft, können die Videos davon unter Umständen nicht mehr verbreitet werden. Auch Remixes hätten keine Chance. Drittens sehen diese Systeme bislang kaum Widerspruchsmöglichkeit vor. Daher fürchten Kritiker um die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, die leicht zu anderen Zwecken genutzt werden kann.

Viertens sind diese Systeme, die zunehmend durch Künstliche Intelligenz unterstützt werden, in ihren technologischen Wirkungen aktuell nicht überschaubar. Wir haben es mit selbstlernenden Systemen zu tun, denen erst dann menschliche Entscheidungshoheit übertragen werden sollte, wenn man von der Güte der Ergebnisse überzeugt ist. Schlussendlich wäre es vermutlich sinnvoller, die Algorithmen sozialer Netzwerke darauf zu trainieren, konstruktive, menschliche Inhalte zu erkennen anstelle von Hassrede, Falschnachrichten oder Propaganda.

Unter Betonung der Notwendigkeit einer fairen und angemessenen Vergütung, beispielsweise durch Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern oder Kollektivlizenzen, hat auch hier das EU-Parlament die besseren Vorschläge: Die Fortführung des Notice-and-Take-Down-Verfahrens und eine Verbesserung der Streitschlichtung – für den Zweifelsfall.

Fazit: Das Urheberrecht muss der gesellschaftlichen Debatte zu Gute kommen

Die Überlegungen zeigen: Der Konflikt um das Urheberrecht beschränkt sich heute mitnichten auf die Interessen von Urhebern und Verlegern. Ein modernes Urheberrecht muss dem öffentlichen Diskurs zu Gute kommen. Restriktive Regelungen fördern toxische Netzinhalte, ihre Rechtsdurchsetzung das freie Internet. Daher müssen die Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene noch einmal durchdacht werden.

Es gilt, die Potentiale der digitalen Technologie zu nutzen, anstelle der Fortführung alter Geschäftsmodelle. Es gilt, die Risiken digitaler Technologien zu mindern und keine restriktiven Softwaresysteme wie Upload-Filter zu installieren, deren Folgen auf Gesellschaft und Diskurs bislang unklar sind. Es gilt, das Urheberrecht in den Dienst der demokratischen Gesellschaft zu stellen.

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27 Ergänzungen

  1. > Das Problem sind also auch eine ganze Reihe von Inhalten,
    > die nicht unbedingt strafbar sind, aber auch nicht
    > unbedingt zu einem öffentlichen Diskurs beitragen

    was zu einem Diskurs beiträgt oder nicht, wird jeder anders sehen. Entweder es ist strafbar oder nicht.

    > Als Demokrat muss man die Meinungsfreiheit auch politischen
    > Gegnern gestatten – sonst ist man kein Demokrat.

    https://www.heise.de/tp/features/Facebook-Loeschungen-Manufacturing-Consent-4193284.html?seite=all

    1. Lieber BigFreddy,

      hab vielen Dank für den Kommentar. Natürlich hast Du recht: Entweder ein Kommentar ist strafbar oder nicht – das sollten allein Gerichte entscheiden.

      Viele Grüße
      Julia

  2. Was ist das eigentlich: Hass, Hetze und Propaganda? Alle reden darüber ohne es zu definieren. Eins ist aber klar, solange sie nicht gegen Gesetze verstossen sind sie zulässig.

    Die Verfasserin hat ein merkwürdiges Rechtsverständnis: Sie will das Urheberrecht dazu nutzen, mehr Qualitätsjournalismus in die Netze zu bringen, also den „Qualitätsautoren“ ihre Rechte bestreiten, damit deren Texte im Netz stärker Verbfreitung finden als Hass, Hetze und Popaganda. Damit nimmt sie Qualitätsjournalisten als Geiseln gegen unliebsame Meinungen. So darf man Recht nicht pervertieren.

    Und was ist Qualiltätsjournalismus? Springer, BILD? Und was war mit der Hetze der FAZ gegen unseren früheren Bundespräsidenten Wulff? War das Qualitätsjournalismus? Er wurde von allen „Anwürfen“ nach gerichtlicher Prüfung freigesprochen.

    1. Lieber HerBert,

      auch Dir möchte ich sehr für Deinen Beitrag zur Debatte danken: Denn er macht auf ein wesentliches Problem des Diskurses aufmerksam, der seit nunmehr zwei Jahren die Öffentlichkeit bewegt: Unter den Stichworten Hass, Hetze und Propaganda werden unterschiedliche Ausdrucksformen diskutiert, die dem Einzelnen und der vernetzten Gesellschaft Angst machen – aus unterschiedlichen Gründen. Ich habe diese Worte benutzt, um an den Diskurs anzuschließen – wie immer mit dem Ziel, darauf aufmerksam zu machen, dass die aktuellen Methoden, dagegen vorzugehen, unsachgemäß sind. Denn in der Tat ist Hass kein Straftatbestand, Volksverhetzung, Verleumdung oder der Aufruf zu Gewalt dagegen schon. Aber über diese Tatbestände sollten Gerichte entscheiden.

      Nun stellt uns das Netz jedoch vor Herausforderungen: Denn rechtsstaatliche Verfahren der legitimen Einschränkung der Meinungsfreiheit (Grundrecht) stoßen durch die globale Verfügungsgewalt internationaler und multinationaler Akteure über Kerninfrastrukturen des Netzes an ihre Grenzen. Was in Deutschland strafbar ist, kann im internationalen Netz kaum durchgesetzt werden – oder eben nur in Graubereichen wie sie das NetzDG darstellt, was ich zu jedem Zeitpunkt eben deshalb kritisiert habe. Recht haben ist halt nicht alles. Daher lohnt meines Erachtens eine Erwägung funktionaler Tatsachen – die das Urheberrecht betreffen, leider. Um Deine Gedanken zu diesem Thema zu beantworten, folgt gleich eine zweite Antwort.

      Herzlich
      Julia

      1. Lieber HerBert,

        bezüglich des Urheberrechts in der Debatte: Es ist weder mein Anliegen, Urhebern ihr Recht (auf Bezahlung) streitig zu machen, noch die wichtige Funktion von Verlegern. Mein Ziel ist eine souveräne Debatte. Eigentlich stehen alle unter Druck: Die Urheber (die immer mehr in kürzerer Zeit abdecken sollen), die Verlage (deren klassische Geschäftsmodelle durch das Netz unter Druck geraten), die Politik (die fundierte Gesellschaftskritik braucht, um strategisch an Lösungen zu arbeiten – aber statt dessen ständig kurzfristig auf Skandalisierungen reagieren muss) und die Gesellschaft (mangelnder Fortschritt). Meines Erachtens nach ist der aktuelle Zustand der Informationsgesellschaft also prekär: Anstelle der breiteren und besseren Information zugunsten konstruktiver gesellschaftliche Problemlösung, im Zusammenspiel aller Akteure, kämpfen alle um ihr Überleben, zulasten des Gemeinwohls.

        Dafür gibt es verschiedene Gründe, die insgesamt den Rahmen eines Blog-Artikels sprengen würden. Aber einer davon liegt aus meiner Perspektive darin, dass die besten Artikel von BILD und FAZ eben nicht im Netz geteilt werden können, damit auch von Algorithmen nicht aufgegriffen werden, und insgesamt weniger Reichweite erlangen.

        Wie kann man erreichen, dass alle Perspektiven die Menschen und die Politik erreichen können, die an soziale Medien gewohnt sind? Wenn wir niemanden einschränken wollen, wäre eine chancengleiche Verfügbarkeit von Online-Inhalten wünschenswert. Wenn wir dabei niemanden von der Entlohnung ausnehmen wollen, bräuchten wir demnach entweder kollektive Entlohnungssysteme, in Kooperation mit den Internetdiensten. Oder ein Grundeinkommen. Beides bedeutete eine Grundsicherung der Autoren – und würde Verleger (als Gatekeeper, Vermarkter von Sternchen usw.) keineswegs überflüssig machen – lediglich etwas Stress rausnehmen aus dem Mediensystem.

        Das Recht ist aus meiner Perspektive ein Set tief institutionalisierter Normen – zum Teil auf Ewigkeit ausgelegt (Grundrechte), zum Teil auf Veränderbarkeit (in entsprechenden demokratischen Verfahren oder durch Gerichte). Aus meiner Perspektive muss es im Angesicht gesellschaftlichen Wandels weiter entwickelt werden, zum Wohl der Gesellschaft. Oder nicht?

        Ich freue mich auf die weitere Debatte!
        Viele Grüße
        Julia

      2. „Unter den Stichworten Hass, Hetze und Propaganda werden unterschiedliche Ausdrucksformen diskutiert, die dem Einzelnen und der vernetzten Gesellschaft Angst machen – aus unterschiedlichen Gründen.“

        Schaffen wir jetzt PR Agenturen ab, weil die halt von Propaganda leben?

        Warum hat DieVernetzteGesellschaft(tm) eigentlich ständig Angst vor Spam und einem zünftigen Flame-War? Ich entstamme der Generation Brotkasten, ich fühle mich vom gemeinen Troll mal genervt, aber Angst? Warum sollte ich vor getippselten Buchstaben Angst haben? Wem getippselte Buchstaben Angst machen, der sollte vielleicht mal darüber nachdenken die Küche zu verlassen, wenn es ihm da zu warm ist. TANSTAAFL.

        Und warum soll plötzlich im Internet überall eine allgemeingültige Netiquette gelten, die deutlich restiktiver sein soll als der Rechtsrahmen, den das BVerfG über Jahrzehnte zur Meinungsfreiheit herausgearbeitet hat?

        Die Angstfreiheit Einzelner darf m.E. nicht dazu mißbraucht werden die Ausdrucksfreiheit anderer, weniger ängstlicherer, einzuschränken.

        Das Internet ist riesig, niemand hindert dich daran deinen persönlichen digitalen Ponyhof hochzuziehen. Wenn Dir der dann nicht genügt, weil keiner ihn mit Leben erfüllen möchte, dann gibt Dir das kein Recht ihn zu schließen und von anderen anderswo zu verlangen sie mögen sich jetzt bitte ponyhofkonform verhalten, weil Du jetzt halt da bist.

    2. Ich bin geblockt worden (meint mein Beitrag unterdrückt)?
      oder ich habe etwas falsch gemacht beim absenden?
      Ersteres ist wahrscheinlicher.

      Irgendwelche Gründe, meinen Beitrag zu unterdrücken – die mir spontan nicht geläufig sind – gibt es viell..

      keine Ahnung und mfg

      1. Lieber Marco,
        ich kann für heute keinen Beitrag sehen, der zu diesem Artikel „geblockt“ wurde. Da muss tatsächlich was beim Absenden schief gelaufen sein.
        Viele Grüße
        Julia

        1. Hi Julia Krüger,

          wenn, dann war es vor 2 oder 3 Tagen – nicht heute – jedenfalls vor dem 23. Oktober 18 Uhr 40 (vor obiger Antwort). das nur der Wahrheitsfindung wegen…

          David

          1. Hallo David,

            leider ist von Dir wirklich nichts gelöscht oder geblockt, zumindest nicht bei diesem Artikel von mir.
            Danke für die Webseitenempfehlung und viele Grüße

            Julia

  3. „Unliebsame Inhalte aus dem Netz zu entfernen ist nicht so leicht wie gedacht…“

    Und das ist auch gut so. Es kann nur darum gehen rechtswidrige Inhalte zu entfernen, der Rest ist schlicht legal und seine Veröffentlichung legitim.

    Was übrigens nicht meine Idee ist, das meint das Bundesverfassungsgericht:

    „In einem pluralistisch strukturierten und auf der Konzeption einer freiheitlichen Demokratie beruhenden Staatsgefüge ist jede Meinung, auch die von etwa herrschenden Vorstellungen abweichende, schutzwürdig.“
    (BVerfGE 33, 1 (15))

    Und wer da anderer Meinung ist, der sollte mal über seine Treue zu unserer Rechtsordnung meditieren.

      1. Ich glaube nicht, daß Du das böse meinst, ich bin nur immer mal leicht genervt wenn jemand meint „wir machen das jetzt halt mal alternativlos so“ und sich dabei einen feuchten Kehricht um existierende Regeln schert.

        Da bin ich altmodisch, erst mal die alten Regeln formell in einem transparenten Prozess abschaffen, dann neue erfinden, falls sich für die Abschaffung der alten eine Mehrheit findet.

        1. Lieber Grauhut,

          was genau meinst Du? Ich habe das NetzDG zu jedem Zeitpunkt für falsch gehalten. Nun habe ich darüber berichtet, dass sich in der Umsetzung auch für andere Akteure andauernde Probleme zeigen („Unliebsame Inhalte aus dem Netz zu entfernen ist nicht so leicht wie gedacht“). Im Prinzip soll zwar nun das Beschwerde-Management verbessert werden. Das ist zwar nicht falsch, löst aus meiner Perspektive aber eben nicht das Grundproblem, dass Plattformen über die Zulässigkeit von Inhalten entscheiden und keiner eine Übersicht hat, was von den gelöschten Inhalten strafbar war.

          Ich fürchte, wir haben die gleiche Perspektive.
          Schönen Tag!
          Julia

          1. Hi, was genau meine ich… Hmmm…

            „was die Öffentlichkeit als Hass oder Hetze oder manipulative Falschnachrichten benennt“

            Denk mal darüber nach wer denn „die Öffentlichkeit“ ist, die das tut. Die alte Bild und Yellow Press Fraktion hat keiner so dämonisiert und das war nichts anderes. Bei denen ist keiner in Panik verfallen. Warum damals nicht?

            Ich glaube das Kernproblem ist, daß die Politik heute durch die schiere Masse der Publizierenden nicht mehr in der Lage ist diese alle in „Hinterzimmergesprächen“ einzufangen und auf Linie zu bringen.

            Ich glaube an diese gefühlte Hilflosigkeit wird sich die Politik gewöhnen müssen, wenn sie den grundgesetzlichen, durch das BVerfG konkretisierten Rechtsrahmen nicht einschränken will.

            Es gibt jetzt halt mehr veröffentliche Meinungsvielfalt und viele Hausordnungen und ich glaube nicht, daß man diese Uhr zurückdrehen kann. Passt euch also daran an.

            Vielleicht solltet ihr mehr Pressekonferenzen an regulierte Benutzergruppen live streamen, mit Feedbackmöglichkeit für Nachfragen. Die Zahl der Sitzplätze in PKs ist begrenzt, die Menge der Publizierenden gewachsen, wenn ihr die nicht einbindet, dann publizieren die halt was sie wollen. Mit gutem Recht, solange nicht rechtswidrig.

          2. Lieber GrauHut,

            jetzt sind wir weit vom Thema abgekommen, aber Du hast schon wieder einen ganz interessanten Aspekt ins Spiel gebracht: Den von Öffentlichkeit und Transparenz von Politik und Verwaltung und mehr Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern. Allerdings muss ich sagen: Was Du schreibst, erreicht den falschen Adressaten. Ich schreibe hier als freie Autorin v.a. über Aspekte, die meines Erachtens nach in der Bundestagsdebatte vernachlässigt sind und die in den gewöhnlichen Arbeitsprozessen wenig Raum finden.

            Sicher gehört die Öffentlichkeit und Transparenz von Entscheidungsbildungsprozessen auch dazu. Ich würde sogar noch eins drauf legen und die Digitalisierung der Politik zur Debatte stellen. Aber damit neue Ideen und Aspekte im Bundestag ankommen, braucht es einerseits Presse und Öffentlichkeit. Deshalb schreibe ich hier oder spreche (privat) auf Konferenzen dazu: https://netzpolitik.org/2018/ki-zum-wohle-der-gesellschaft-nutzen-oder-fuer-ihren-untergang/

            Andererseits kann ich vielleicht den Tip geben: Wenn die Öffentlichkeit fehlt, zum Beispiel im Digitale Agenda Ausschuss oder in der Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz, lohnt sich vielleicht auch mal eine E-Mail an die Abgeordneten – denn die können im Gegensatz zu mir entscheiden. Dabei muss man vielleicht berücksichtigen: Die „Bundestagsöffentlichkeit“ erscheint mir nach 4 Monaten Kennenlernen tatsächlich ähnlich komplex wie die anderen Öffentlichkeiten, die Du hervorhebst.

            Möchte man beispielsweise eine konstruktive Position in der IT-Sicherheit entwickeln, also defensiv ausgerichtet (Stärkung von Produktsicherheit vernetzter Geräte usw. gegenüber Cyberwaffen), dann muss man erst mal vielen Akteuren aus anderen etablierten Fachbereichen erklären, dass Cyberangriffe sich fundamental von der bekannten Kriegsführung unterscheiden. Das Cyberangriffe oft nach Wochen erst erkannt werden und Urheber schwer zu identifizieren sind. Das damit Visionen von Rückschlägen aka Hackbacks nicht nur unrealistisch sind, sondern eine Ressourcen-Verschwendung. Das wir technische Kapazitäten gerade woanders brauchen – in Krankenhäusern zum Beispiel oder in einer effizienten Verwaltung. Und das zu diesem Zweck ganz unterschiedliche Fachbereiche und Behörden, besetzt von unterschiedlichen Parteien, zusammenarbeiten müssen.

            Das ist eine Herausforderung. Man braucht viele gute Argumente, Geduld und Beharrlichkeit – am besten flankiert durch konstruktive Alternativen, öffentlich. Aber ich denke, dass dafür gerade ein guter Zeitpunkt ist. Denn mein persönlicher Eindruck ist, dass sich definitiv auch im Bundestag eine Haltung verbreitet, die Georg Christoph Lichtenberg mal ganz gut beschrieben hat: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber soviel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ Aber es bleibt schwer wiegendes Tagesgeschäft …

            Gut, das waren jetzt viele Gedanken. Ich denke, netzpolitik.org gilt ein Dank dafür, diese hoch-sensible Debatte zuzulassen – ebenso im Übrigen auch meiner Chefin und meinen Kollegen.

            Herzlich
            Julia

          3. Dann wünsche ich noch frohes Schaffen und verbleibe in freudiger Erwartung eines zusätzlichen SE Aufklebers für durch den TÜV Rheinland zertifizierte chinesische IoB Ware. Wird Menschen wie mich ja im Ergebnis nicht arbeitslos machen.

            Ich spiel dann mal weiter mit Rankbrain, KIs wollen ja erzogen sein. :)

  4. Verstehe ich das richtig? Netzpolitik plädiert dafür, unliebsame aber legale Inhalte aus dem Internet zu entfernen? Und dazu das Urheberrecht zu nutzen? Wurde hier nicht gegen „Zensurheberrecht“ protestiert?

    1. Das ist ein Beitrag von Julia Krüger, steht auch direkt oben dran, und gibt damit nicht die Meinung aller Mitglieder der Redaktion wieder.

    2. Hallo,

      ich denke, das gibt es ein 3-faches Mißverständnis. Erstmal hat Constanze Recht: es gibt keine netzpolitik.org-Zensur, ich schreibe unter meinem Namen. Zum zweiten hielt und halte ich alle Methoden, Inhalte ohne richterliche Prüfung aus dem Netz zu nehmen, für falsch (unabhängig davon ob es um vermeintliche Urheberrechtsverletzungen, Volksverhetzung oder Kinderporno geht). Und zum dritten halte ich ein Urheberrecht für kritisch, was zu seiner Durchsetzung Methoden benutzt oder benötigt, die legale Inhalte gefährden (und zur Bekämpfung weiterer Tatbestände genutzt werden können).

      Was ich zur Debatte stellen wollte, war eine funktionale Überlegung: Wenn das Netz überschwemmt wird von dem, was die Öffentlichkeit als Hass oder Hetze oder manipulative Falschnachrichten benennt, und Gegenmaßnahmen wie das NetzDG unzulänglich sind – was bedeutet es dann für die demokratische Öffentlichkeit, wenn die Verbreitung von Inhalten des Mainstream künstlich behindert wird?

      Nehmen wir einen Vergleich: Was passiert, wenn ich beim Bierbrauen immer weniger Wasser nehme, weil ein Wasserunternehmen das Bier als Verschwendung betrachtet?
      Vielleicht gibt es noch bessere Vergleiche, vielleicht kann man die Frage „wem gehört das Wasser?“ auch noch weiter denken.

      Aber es ist ja ein Debattenaufschlag …
      Danke für die Rückfrage und viele Grüße
      Julia

      1. „Wenn das Netz überschwemmt wird von dem, was die Öffentlichkeit als Hass oder Hetze oder manipulative Falschnachrichten benennt, und Gegenmaßnahmen wie das NetzDG unzulänglich sind – was bedeutet es dann für die demokratische Öffentlichkeit, wenn die Verbreitung von Inhalten des Mainstream künstlich behindert wird?“

        Ich glaube Du gehst von mehreren falschen Prämissen aus:

        1. Es gibt „die Öffentlichkeit“ als homogenen Block nicht. Diese Öffentlichkeit setz sich aus einer Vielzahl von Subkulturen zusammen, in denen in der Kommunikation unterschiedliche Tonalitäten vorherrschen, was auch völlig legitim ist, das nennt man Meinungs- und Ausdrucksvielfalt.

        2. Die „Verbreitung von Inhalten des Mainstream“ wird nicht „künstlich behindert“. Das macht dieser Mainstream selbst, siehe Leistungsschutzrecht. Und wenn die das als zahlende Rechteinhaber so wollen, dann ist das deren Recht.

        Was hälts Du von dem Gedanken, Dich einfach an eine Welt ohne Nannies und Gatekeeper zu gewöhnen und anzupassen und „die Anderen“ als folkloristische Bereicherung zu sehen?

        1. Hallo Grauhut,

          zu: 2. Die „Verbreitung von Inhalten des Mainstream“ wird nicht „künstlich behindert“. Das macht dieser Mainstream selbst, siehe Leistungsschutzrecht. Und wenn die das als zahlende Rechteinhaber so wollen, dann ist das deren Recht.

          Ja, genau. Das Leistungsschutzrecht begrenzt aus meiner Perspektive die Verbreitung von „Mainstream“-Inhalten (egal welcher Subkultur) künstlich. Bislang verlief die Debatte aber immer nur nach „Geld für die Urheber/ Verleger: ja/ nein“. Das schien mir zu kurz gegriffen, mit Blick auf das gesamte Medien-Ökosystem, das eben darunter leidet, „wenn das Wasser fehlt“. Nun ist die Frage, ob das Leistungsschutzrecht auch in der EU gelten soll, mit wesentlich längerer Frist. Und ich halte das für falsch, aus eben jenen Gründen.

          Aber weil das nicht jedem sofort verständlich ist und die Debatte ziemlich ausgenudelt ist, habe ich diesen Artikel geschrieben. Er sollte das Problem noch einmal deutlich machen und darauf hinweisen, dass es bislang zwar das „gute Recht“ von Rechteinhabern ist, auf die Begrenzung der Verbreitung ihrer Werke zu pochen – aber mit negativer Rückwirkung auf den gesamten, vielfältigen öffentlichen Diskurs in sozialen Netzwerken. Aber meiner Einschätzung nach hängen Alternativen dazu nicht nur vom Rechts- und Technikverständnis ab, sondern auch von Konzepten, die das (berechtigte) Lebensinteresse aller Beteiligten berücksichtigen, als Einkommen oder Einnahmen. Ich glaube, es hilft nicht mehr, die Interessen des Einen über die Interessen des anderen zu stellen. Wir brauchen gemeinsame Lösungen.

          Liebe Grüße
          Julia

          1. „…mit negativer Rückwirkung auf den gesamten, vielfältigen öffentlichen Diskurs in sozialen Netzwerken.“

            Gibt es da eine Studie, die aufzeigt welche Mainstream Inhalte geringer als andere in den SM vertreten sind? Ich hatte bisher den Eindruck die sind ganz gut in SMM und wissen sich dort zu verkaufen.

            In Relation zur Grundgesamtheit der in SM verfügbaren Inhalte und Meinungsäußerungen sind sie natürlich weniger prominent vertreten, als auf ihren eigenen Publikations-Ponyhöfen. Das liegt aber eher daran, daß der Rest der potentiellen Inhalte und Meinungen auf diesen Ponyhöfen fast gar nicht vertreten ist. Vieviele kommen denn schon durch den Filter in die Leserbrief-Spalte? ;)

            Und mal ganz ernsthaft, glaubst Du wirklich der gemeine Vorinternet-BILD-Leser hätte die FAZ konsumiert, wenn man sie ihm geschenkt hätte?

            Wer sich gut verkaufen will, der muß seine Zielgruppen dort abholen, wo sie halt nunmal stehen. In einer freiheitlichen Ordnung könnt ihr in der Politik die vielen Subkulturen halt nicht per Ordre de Mufti an einen Zentralbahnhof befehlen, um sie dort bequemer einsammeln zu können.

            Also, etwas mehr Fleiss bei den notwendigerweise vielfältigen Zielgruppen-Ansprachen! Eine Ansprache für alle lief noch nie. ;)

  5. Tolles Beispiel für „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, danke! Ernsthaft, was ist denn bei euch los? So einen Vorschlag, gesellschaftliche Probleme wie Hassbotschaften oder Hoax Memes mit einem juristischen Winkelzug bekämpfen zu wollen, hätt ich bei Netzpolitik nicht erwartet. Ganz zu schweigen vom fragwürdigen Verständnis dessen, was Recht soll oder nicht soll.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.