Bundesbehörden spähen immer öfter Mobiltelefone aus

Die Nutzung von Telefonen als Ortungswanzen nimmt abermals stark zu. Dies betrifft Einsätze von IMSI-Catchern, „stillen SMS“ und Funkzellenauswertungen. Zu den jeweiligen Techniken zeichnet sich eine Aufgabenteilung unter BKA, BfV und Bundespolizei ab. Wichtige Angaben zur Spitzelei des Zolls oder Bundesnachrichtendienst bleiben indes geheim.

Spion in der Hosentasche: Von der Ortung ihres Mobiltelefons bekommen die Betroffenen nichts mit. CC-BY-SA 2.0 Sascha Kohlmann

Immer öfter werden Mobiltelefone als Ortungswanze genutzt. Dies ergab die halbjährliche Kleine Anfrage der Linksfraktion „Einsätze von sogenannten ‚Stillen SMS‘, WLAN-Catchern, IMSI-Catchern, Funkzellenabfragen“, die das Bundesinnenministerium jetzt beantwortet hat.

Die deutlichste Zunahme erfolgte im vergangenen Halbjahr im Bereich der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage. Dabei fragen Behörden bei den Telefonanbietern an, welche Mobiltelefone sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle aufgehalten haben. Während die Zahlen beim Zoll stark zurückgingen und bei der Bundespolizei etwa gleich blieben, nahm das BKA 376 Abfragen von Gerätenummern und Telefonnummern vor. Im ersten Halbjahr 2017 waren es noch 149, in den beiden Halbjahren davor sogar nur eine.

Drei Halbjahre hintereinander tragen die Angaben in unserer Statistik für die Bundespolizei den Wert „49“. Das liegt daran, dass früher nicht ordentlich protokolliert wurde, bis Mitte 2015 soll die Anzahl „weniger als 50“ betragen haben.

Zu den Gründen des jetzigen Anstiegs von Funkzellenauswertungen bestätigt das Bundesinnenministerium unsere Vermutung vom Sommer vergangenen Jahres, wonach das BKA vor allem zu Brandanschlägen auf Kabelschächte an Bahnanlagen in verschiedenen Städten ermittelt. Der Tatvorwurf lautet auf „verfassungsfeindliche Sabotage“ und „Bildung einer kriminellen Vereinigung“.

Auch die Einsätze „stiller SMS“ häufen sich deutlich. Die Methode erzeugt Verbindungsdaten, ohne dass die Nutzenden es merken. Sie lassen Rückschlüsse auf den ungefähren Standort des Geräts zu und erlauben damit die Erstellung von Bewegungsprofilen. Während die Zahlen bei der Bundespolizei mit 33.654 wieder leicht abnehmen, pendeln sie sich beim BKA um die 20.000 ein. Beim Verfassungsschutz hingegen legen die „stillen SMS“ um ein Drittel zu und erreichen mit 179.285 den absoluten Höchstwert. Auch der Zoll nutzt „stille SMS“, er teilt die Zahlen hierzu aber seit einigen Jahren nicht mehr in offener Form mit. Das Gleiche gilt für den Militärischen Abschirmdienst. Zahlen für den Bundesnachrichtendienst bleiben komplett geheim.

Schließlich nehmen auch die Einsätze von IMSI-Catchern zu. Den deutlichsten Anstieg um ein gutes Drittel verzeichnet die Maßnahme mit 61 Fällen bei der Bundespolizei, während die Zahlen beim BKA mit 13 Einsätzen wieder rückläufig sind. IMSI-Catcher simulieren eine Funkstation, in die sich in der Nähe befindliche Mobiltelefone automatisch einbuchen. Dadurch kann der Standort ermittelt werden, außerdem bestimmten Personen weitere Telefone beziehungsweise deren Telefonnummern zugeordnet werden. Der Zoll verfügt angeblich über keine eigenen IMSI-Catcher und fordert bei Bedarf die Amtshilfe des BKA, der Bundespolizei sowie verschiedener Landeskriminalämter an. Gezählt werden die Einsätze unter Verantwortung des Finanzministeriums nicht.

Quellen:

17 Ergänzungen

    1. Wieso genutzt?
      Das Handy IST eine Ortungswanze.

      Der Staat will nur ein Stück vom Datenkuchen.

      Mein neues Nokia emittiert ständig Datenfluten. Und falls die Firewall das WLAN etwas filtert, schreit das Ding gleich, „Warnung! Keine Internetverbindung!“, und funkt dann munter über LTE die Daten raus.

  1. Und das sind nur die behördlichen Spionagetätigkeiten, oder denkt man, daß solche Dinge auf privater Ebene nicht funktionieren? Könnte zum Beispiel Herr Draghi die Daten der Frau Yellen abgreifen, oder ich mir anschauen, was das Handy von Herrn Monroy so zu erzählen weiß?

  2. Wer zwischen „Mobiltelefon“ und „Ortungswanze“ differenziert, sollte sein Abitur gepfändet bekommen.

    Aber hier wird ja auch Genderretheorik und Feminismus hochgehalten.

    Die Methode an sich ist nicht weiter zu kritisieren. Das ist wie Personenüberwachung nur halt in modern: Wanze drangepappt und gut is. Kostet weniger Personal. Technische Lösung zur Rationalisierung bei der Polizei. Die hätten schon gerne vor 50 Jahren mehr Verdächtige „gestalked, nur wars zu teuer und auf Grund von Personalmangel nicht möglich.

    Ach ihr macht euch Gedanken, weil ihr so eine WischofonWanze in der Tasche habt? Schlechtes Gewissen?

    Hahahaha ;>

  3. Ich hab da ein Verständnisproblem.

    Wie effektiv kann die Funkzellenabfrage in dichtbesiedelten Gebieten sein?
    Konkret bei den Kabelschachtbränden am Ostkreuz. Wie viele Leute befinden sich da in den einzelnen Zellen, die dort wohnen oder auf ne Bahn warten?

    Wie blöd müsste man sein, wenn man sowas macht, sein Telefon betriebsbereit dabei zu haben?

    Könnte es sich vielleicht um ein Scheinargument handeln, um „besorgten Bürgern“ das Gespitzel schmackhaft zu machen?

  4. Leider machen die das immer öfter,

    ist nur die frage in welchen rahmen das erlaubt ist.
    Daher stellt sich mir die Frage, ob das BKA,etc. dafür einen Richterlichen beschluss brauchen und wie genau die Informationen sind wie Standort angaben.

    Zum glück gibt es auch eine Techink um sowas wie IMSI-Catcher zu entdecken da diese immer doppelt so schnelle und unregelmäßige abfragen machen wie die Provider.
    Bei der Stillen-SMS kann man auch schnell mit bekommen das so etwas passiert, da auch dort einfach nur eine Normale SMS gesendet wird die nur ein bestimmen Status-Code geändert hat.

    Gut finden tue ich das alles nicht, daher habe ich auch schon seit ein paar Monaten eine Android-App laufen die sowas entdecken soll.
    (leider erst in der Alpha)
    https://github.com/CellularPrivacy/Android-IMSI-Catcher-Detector

    Ist nur die Frage, wie sieht es aus wenn man so etwas entdeckt das man mit einer Stillen-SMS gesendet bekommt und es eindeutig weiss das es die Polizei ist, kann man dann klagen?

    mfg Kai

    1. Die App hilft nicht gegen die Funkzellenabfragen. Dank Ausweispflicht bei Freischaltung der SIM liefert der Provider auch gleich einen validen Adressdatensatz frei Haus. Wozu da noch die Mühe mit dem Catcher?

      Stille-SMS können mit einer Baseband-Firewall geblockt werden. Für Consumer-Geräte aber nicht existent. Es wäre ja noch schöner, wenn der Kunde volle Kontrolle über sein Handy bekäme. Google, Apple und Co haben uns da ein schönes Gefängnis aus Hard- und Software gebaut.

      1. Und die gesamte IT-Fuzzis und rechthaberischen Netzpolitiker, die gasammelte Hardcore-Fraktion der CCC ITler , Alleswisser und Penetrationstester, Admins und Bmins, Programmierer und Assemblierer – allesamt nicht in der Lage oder Willens einen Open-Source-Kleincomputer mit Telefon- und Datenfunktion auf den Markt zu bringen?

        Oder habt ihr schon alle einen und wollt nicht teilen? Oder macht wie machen die Freaks das? Alles rooten mit Gewalt?

        Wie auch immer. Bringt so ein Gigageiles Gerät auf den Markt – dann seht zu das es bekannt wird.

        Ich such auch grad und schon mal zahlungswillig.

        1. Soll ich mal raussuchen, wieviel eine Basisband Platformentwicklung kostet? Also so in Millionen, dann kannst du das mal umrechnen, wieviele Ingenieursstunden da unterkommen. Für Open Source bräuchte man eine weitgehend offene und dokumentierte Platform und soetwas ist zZ nicht sichtbar. Dann hast du das Problem, das selbst wenn du eine Entwicklung ans Laufen bekommst, musst du durch die Typzulassung, bevor dich Netzbetreiber überhaupt ins Netz lassen (IMEI). Es gibt ein paar halboffene Platformen die in der Forschung und in Testsystemen verwendet werden, die haben aber keine hübschen Preise. Also wie hoch ist dein Zahlungswillen? 3000€ oder 30000€ pro Gerät?

    1. I)
      Hat ihr Handy noch einen Netzschalter mit Kaltgerätestecker?
      Sie müssen schon ALLE Energiespeicher entfernen – falls dies bei neuen Geräten überhaupt noch möglich ist.

      II)
      „Ausschalten“ – womöglich auf dem Weg zu einem späteren Tatort – generiert auch Verdachtsmomente.
      Besser wäre es, sein Handy der Freundin zum Shoppen mitzugeben.

  5. Was regt ihr euch auf? In einem Radiobeitrag veräppelte ein Ossi die Zuhörer zu recht mit den sinngemäßen Worten früher hat die Stasi viel Aufwand betrieben um Menschen auszuspionieren, heute zahlen die Opfer für Alexa usw auch noch viel Geld.

    Und was die Registrierpflicht von SIM Karten betrifft = mit ganz wenig Hirnschmalz kann man das System austricksen

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