Das massenhafte Sammeln von Daten durch deutsche Behörden war auch diese Woche wieder zentrales Thema. In immer mehr Bundesländern wurde bekannt, dass die Polizei weitläufig Informationen über Fußballfans sammelt und dabei datenschutzrechtliche Bestimmungen ignoriert. Die geheimgehaltenen Dateien wurden zusätzlich zu einer bestehenden bundesweiten Datenbank geführt und kamen nun durch kleine Anfragen an die Landesregierungen zu Tage.
Das brisante daran: Es werden auch Personen gespeichert, gegen die keine Verfahren eingeleitet wurden, sondern auch „Kontakt- und Begleitpersonen“ sowie „Umfeldpersonen“. Somit steht auch der Otto-Normal-Fan unter Generalverdacht. Journalist Thorsten Poppe berichtet auf seiner Webseite ausführlich über die skandalösen Datensammlungen.
Der Netzpolitische Wochenrückblick fasst die wichtigsten Meldungen der letzten sieben Tage zusammen und kann auch als E-Mail-Newsletter abonniert werden.
EU weite „Anti-Terror“-Datenbanken
„Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang“ – Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte nach den Anschlägen in Brüssel, die „Datentöpfe“ europäischer Sicherheitsbehörden sollten besser miteinander „verknüpft“ werden. Einen entsprechenden Vorschlag habe er bereits vor den blutigen Attentaten letzter Woche bei der Europäischen Kommission eingereicht. Wie diese Verknüpfung im Detail aussehen soll, wurde nicht bekannt. Grundsätzlich geht es dabei um eine Kompetenzerweiterung von Europol.
Passend dazu berichteten wir über die verschiedenen Europol-Dateien zu „islamistischem Terrorismus“ und „ausländischen Kämpfern“. Zu 90 Prozent werden diese durch die Polizeiarbeit aus fünf Mitgliedsstaaten gefüllt, aber auch US-Behörden sind beteiligt. Die detaillierten Informationen zu den einzelnen Datenbanken basieren hauptsächlich auf dem jüngsten Bericht des „Anti-Terrorismus-Koordinators“ der Europäischen Union sowie auf mehreren Kleinen Anfragen.
FBI entsperrt iPhone selbstständig
Im Streit Apple vs. FBI kam es diese Woche zu einer Wende. Die amerikanische Ermittlungsbehörde bat das kalifornische Bundesgericht darum, die Entsperrungs-Anordnung gegenüber dem iPhone-Hersteller zurückzuziehen, da man nicht mehr auf Hilfe durch den US-Konzern angewiesen sei. Das FBI ist demnach eigenständig in der Lage, die verschlüsselten Inhalte des iPhone 5C des Attentäters von San Bernardino auszulesen. Methodik und beteiligte Personen des Einsatzes blieben unbekannt, laut US-Regierung seien „Parteien außerhalb der Regierung“ mit Entschlüsselungsmethoden an das FBI herangetreten. Die Aktion hat eine signalisierende Wirkung an Regime, Kriminelle und Verbraucher weltweit: Ganze iPhone-Modellreihen sind unsicher.
BKA-Liste zu vereitelten Terroranschlägen
Laut Aussagen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA) diese Woche haben deutsche Sicherheitsbehörden elf Terroranschläge seit dem Jahr 2000 verhindert. Auf Anfrage bekamen wir eine Liste der vereitelten Anschläge. Angaben, wie die Anschläge verhindert wurden und welche Behörden beteiligt waren darin nicht enthalten. Wir haben die BKA-Angaben mit entsprechenden Presseberichten ergänzt und so ausführliche Informationen zu den einzelnen Anschlagsversuchen zusammengestellt. So wurde ersichtlich, dass bei mindestens vier Fällen Hinweise von ausländischen Geheimdiensten und oft auch glückliche Umstände ausschlaggebend waren.
Weitere Neuigkeiten zum BKA erwarten wir am 20. April. Dann will das Bundesverfassungsgericht nämlich seine Entscheidung zum BKA-Gesetz und zum Staatstrojaner verkünden. Mit diesem werden die informationstechnischen Geräte von Verdächtigen direkt angegriffen. Die umstrittene Methode installiert eine Spionage-Software auf den entsprechenden Geräten und soll bei verschiedenen Delikten angewendet werden. Wir werden live berichten.
Die Transformation des Journalismus durch Social Media
Unter dem Titel „Facebook, Google & Co. fördern und kolonisieren den Journalismus“ analyisiert Gastautor Prof. Dr. Volker Lilienthal die Veränderung der medialen Welt, insbesondere der Journalismus-Branche durch die Einflüsse von Social Media. Durch Initiativen, wie die „Instant Articles“-Funktion von Facebook oder die „Digital News Initiative“ von Google, bemühen sich die beiden Internet-Riesen zunehmend um die Integration und Förderung von journalistischen Tools. Dabei geht es auch um Datenschutz, die algorithmische Mechanik von Newsfeed und Suchergebnissen sowie Netzneutralität.
Neues zu Netzneutralität in der EU
Das EU-Parlament hat letzten Oktober einem Kompromiss zur Netzneutralität zugestimmt, bei dem vieles unklar blieb und der zu Gunsten der Telekommunikationsunternehmen ausfiel. Nun ist allerdings die Zivilgesellschaft gefragt, denn es wird unter SaveTheInternet.eu eine Online-Konsultation geben. Positive Beispiele gab es in den USA und Indien, dort hatten Millionen Stimmen aus der Bevölkerung die Beschließung der Netzneutralität erwirkt. Jetzt sind die Europäer an der Reihe, die Regulierungsbehörde von den Argumenten für Netzneutralität zu überzeugen!
Telekom Deutschland will künftig auch bei der Spotify-Flatrate die Geschwindigkeit drosseln. Schuld gibt der deutsche Konzern der EU-Verordnung zur Netzneutralität, die die weitgehende Gleichbehandlung des Datenverkehrs festschreibt (jedoch mit unklaren Ausnahmen). So sollen „vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden“.
Auch bei der Überarbeitung des Rechtsrahmens auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt will die Telekom mit halb-lauteren Methoden mitspielen und diktiert der deutschen Bundesregierung ihre Wünsche, die diese nur allzugerne übernimmt und eins-zu-eins an die EU-Kommission übergibt.
BND: Geburtstag ohne Reform
Das Bundeskanzleramt hat die Reform des Auslandsgeheimdienstes BND auf Eis gelegt. Dabei wäre doch der sechzigste Geburtstag der Schlapphüte ein schöner Anlass gewesen, den Laden etwas besser zu kontrollieren. Wir haben uns mal umgehört, wie Abgeordnete das „auf Eis legen“ der Reform auf Schäubles Intervention finden: Und siehe da, sowohl die SPD wie Grüne sind gar nicht amused über die Verzögerung. Nur – war die SPD nicht auch Teil der Regierung?
Beunruhigendes aus Uganda und Vietnam
Ausgehend von einer Länderstudie durch Privacy International (PI) berichteten wir von der exemplarisch über die Überwachungspraxis in Uganda. Im Gegensatz zu Aussagen der Regierung ist der Ausmaß an Überwachung im korrupten Uganda relativ gering, was an mangelnder Technik(kompetenz) sowie der hohen Bestechlichkeit der Beamten liegt.
Die Basisstudie „State of Surveillance“ untersucht verschiedene Länder weltweit entlang der Kategorien Kommunikationsstatistiken, Zivilgesellschaft, internationaler und nationaler Rechtsrahmen, Datenschutzmaßnahmen, wichtige staatliche und wirtschaftliche Akteure, vorhandene Überwachungstechnologien und bekannte Fälle von Überwachung.
Außerdem thematisierten wir die Verurteilung des vietnamesischen Bloggers Nguyen Huu Vinh und seiner Assistentin Nguyen Thi Minh Thuy. Die Beiden berichteten über soziale und wirtschaftliche Themen sowie Demokratie und kritisierten auch die Politik der vietnamesischen Regierung. Sie wurden zu fünf Jahren Haft verurteilt, rund 100 Demonstrierende solidarisierten sich vor dem Gerichtsgebäude.
Wissenschaftliche Gutachten und Zahlen gegen die Massenüberwachung
Laut einem Report von onlinecensorship.org löscht Facebook weit mehr Inhalte als die eigenen Richtlinien vorschreiben. Die Webseite sammelte seit November 2015 entsprechende Fälle verschiedener Social-Media Plattformen, um so mehr über die gängige Löschungspraktiken zu erfahren.
Wie wir berichteten, sind auf der Seite sehrgutachten.de die veröffentlichten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages einsehbar. Wir haben die gut 2000 Dokumente ein bisschen durchgesehen und eine netzpolitische Leseempfehlung erstellt.
Für Aufsehen sorgte diese Woche das Bekanntwerden von Sicherheitsproblemen bei SAP. Der viertgrößte Softwarehersteller der Welt ließ im Update-Prozess seiner Programme dem Kunden die Wahl, eine unverschlüsselte oder verschlüsselte Verbindung zu nutzen. Bei letzterer ließen sich Datenpakete abfangen und manipulierte Pakete einschleusen.
Mit öffentlich verfügbaren Daten zu Terroranschlägen zeigte Kolummnist Sascha Lobo die Unsinnigkeit von Massenüberwachung auf. Demnach seien sämtliche identifizierte Täter der letzten fünf islamistischen Attentate auf europäischem Boden den Behörden bekannt gewesen.
An der Universität Arizona diskutieren die drei Kritiker von staatlicher Überwachung Snowden, Chomsky und Greenwald über Privatsphäre. Das interessante Gespräch wurde auf Video aufgezeichnet.
Die Stadt New York führt 10.000 kostenlose W-LAN Hotspots ein. Diese erfreuliche Nachricht wurde allerdings von datenschutzrechtlichen Bedenken überschattet, denn die Säulen sind mit einer Kamera, Temperatursensoren und Mikrofonen ausgestattet. Außerdem werden die Mailadressen sowie die besuchten Seiten der Nutzer gespeichert. Auch in Berlin ist ein entsprechendes, wenn auch weitaus kleineres Projekt geplant, das hoffentlich ohne derart invasive Begleitmaßnahmen auskommen wird.
Besorgnis bereitete außerdem die zunehmende Intransparenz der US-Behörden. 4 von 5 Antworten auf Anfragen wurden entweder abgelehnt oder geschwärzt.
Der 1. April ist zwar noch nicht zu Ende, aber den besten April-Scherz des gesamten Internets, den habt ihr fabriziert! ROFL, and still ROFL!
Soviel Humor habe ich Euch nicht zugetraut. Respekt!