Sascha Lobo: Klare Zahlen gegen Massenüberwachung

Grafik: CC-BY saschalobo.com

Nach jedem Terroranschlag packen die Innenminister das Thema Massenüberwachung auf die Tagesordnung. Um diesen Lösungsansatz zu kritisieren, hat Sascha Lobo sich die öffentlich verfügbaren Daten von fünf Terroranschlägen in Westeuropa der letzten zwei Jahre angesehen:

  • Anschlag auf das Jüdische Museum, Brüssel, 24. Mai 2014,
  • Anschläge auf Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt, Paris, 7. Januar 2015,
  • Doppelanschlag (Kulturzentrum und Synagoge), Kopenhagen, 14./15. Februar 2015,
  • Anschläge des 13.11. in Paris, 13. November 2015,
  • Anschläge des 22.03. in Brüssel, 22. März 2016.

Er kommt in seiner Spiegel-Kolumne zu folgendem Schluss:

Dabei waren insgesamt 17 islamistische Attentäter unmittelbar an der Ausführung beteiligt. Und hier die bittere Überraschung, die offenbart, wie falsch und dysfunktional der politische Ansatz der flächendeckenden Überwachung ist: Von den 17 Attentätern sind zwei noch nicht abschließend identifiziert und können daher kaum sinnvoll betrachtet werden – aber alle 15 identifizierten Attentäter waren behördlich bekannt.

Lobos Forderung ist: Gezielte Überwachung der Verdächtigen statt Massenüberwachung aller Bürger. Die Ergebnisse seiner Recherche hat Lobo auch als Infografik veröffentlicht:

Lobos kleine Recherche zeigt sehr schön, dass alle Verdächtigen lange polizeibekannt und vermutlich auch für die Geheimdienste kein unbeschriebenes Blatt waren. Zudem muss man noch hinzufügen, dass die Informationslage zumindest bei aktuellen Anschlägen dadurch bestimmt ist, was die Polizeisprecher und Politiker verlautbaren und die Öffentlichkeit wissen lassen wollen. Die Erkenntnisse, die in der Vielzahl (geheimdienstlicher) Datenbanken über die Verdächtigen stehen und über die die Öffentlichkeit in der Regel nichts weiß, sind hier nicht einmal aufgeführt. Vor diesem Hintergrund ist das Versagen der Behörden umso erstaunlicher.

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20 Ergänzungen

  1. „Terror-/Warnlisten“ sollten genauso verboten werden wie Listen über Straftäter im Fußballstadien.

  2. Den Lobo kann man nicht mehr ernst nehmen – und das sieht man schon an diesem Artikel. Denn verschweigt er den tiefen Staat, denn ohne den können solche Terroranschläge nämlich überhaupt nicht passieren. Dass ich Staatsterrorismus nichts anderes. Doch soweit getraut er sich nicht aus dem Fenster zu lehnen – der angepasste Tintenknecht.

      1. Unterlassung ist der größte Freund des Terrorismus. Und am Fall NSU ist das sogar dokumentiert. Auch V-Leute , bezahlt durch den Verfassungsschutz, haben mehr mehr zum Terrorismus (Bombenherstellung) bei getragen als die „Verfassungsfeinde“ selber. Zwar hätte ich an Grilleaus Stelle die letzten Teile anders formuliert, aber der Leseart kann ich mich anschließen. Natürlich sagt Herr Lobo das nicht explizit, es steht aber im Raum. Und der Raum ist sehr klein. Ich nehme Grilleaus Kommentar sehr wohl ernst und wenn sie nicht so damit beschäftigt wären das Wort über den Sinn zu stellen und andere Interpretationen als die ihren, mit Spott zu überziehen, käme auch mal etwas Konkretes.

      2. Und wo hat wer was unterlassen? Du meinst 99% der Bevölkerung Deutschlands? Auf Sascha Lobo, der wenigstens überhaupt was tut, rumzuhacken, das ist zwar was konkretes, hilft aber auch keinem weiter.

        Und wieder die gleiche Frage: wenn ihr doch so schlau seid, wo ist euer Engagement, um die Lage zu bessern?

      3. Ich nehm den total ernst. Es braucht schon ein gewisses Mass an Naivitaet zu glauben, dass Terroristen grundsaetzlich Personalausweise mitbringen und diese vor Begehen der Tat so optimal den Medien praesentieren, dass diese ihre Artikel im Idealfall vor dem Geschehen druckfertig haben.

      4. @ich „gläserne Decke“ ist der Begriff, wieso sich wohl einige nicht in der Politik einbringen wollen. (Gibt natürlich individuell mehrere verschiedene Gründe)

        Dies konnte man z.B. bei der SPD bei manchen Parteifragen beobachten. (Meine das war bei TTIP)

      5. Deutsche Konveriten, Islamisten, Schläfer, Cyber-Dschihadisten: der fundamentalistische Islam wird seit dem 11.9.2001 regelmäßig als reale Bedrohung unserer Freiheit und dauerhafte Gefährdung dargestellt, der mittels Massenüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen und Kriegsbeteiligungen begegnet werden muss. Dabei wird das Maß der Gefährdung nicht selten überhöht und die Verstrickung staatlicher Stellen durch V-Leute und Provokateure verschwiegen. Die Durchführung sogenannter Sting-Operations im Kontext von Terrorplanungen sind in den USA beispielsweise weit verbreitet. Eine Untersuchung im Jahr 2011 ergab, dass zirka 30% aller Terrorismus-Fälle in den USA als Sting Operations eingestuft wurden, in denen Informanten/Spitzel eine aktive Rolle in Terrorplanungen spielten, die anschließend zu Verhaftungen führten. In fast allen “high profile”-Terrorplanungen waren laut Human Rights Watch Agenten der Regierung und Informanten beteiligt.

        Auch in Deutschland ist zumindest ein prominenter Fall dokumentiert in dem die Beteiligung von sogenannten Agents Provokateurs aktenkundig ist: Anlässlich der Buch Veröffentlichung “Der Dschihadist:Terror made in Germany-Bericht aus einer dunklen Welt” von Irfan Peci und seinen Co-Autoren Johannes Gunst und Oliver Schröm soll im Folgenden der Fragestellung nachgegangen werden, welche Rolle Geheimdienste und private Security Firmen im Umfeld der deutschen GIMF-Zelle gespielt haben. Detailliert beschreiben die Autoren, wie ein zum damaligen Zeitpunkt 14-Jähriger von einem Lockvogel der amerikanischen Terrorfahnder-Firma SITE beim Aufbau einer islamistischen Website unterstützt wurde. Im Auftrag des BND:

        https://machtelite.wordpress.com/2015/06/01/gimf-chef-irfan-peci-der-v-mann-und-die-sting-operation-des-site-instituts/

      6. @Max Anderson
        Wenn Du oder Grilleau Lobos Artikel gelesen hättet, hättet Ihr meinen (zugegeben kurzen) Einwurf verstehen können. Im letzten Absatz geht Lobo genau auf das als verschwiegen kritisierte ein. Lobo noch dazu wegen eines Textes nicht „ernst nehmen zu wollen“ und das so dürftig festmachen zu wollen, ist das Gegenteil von klug. Da ging es nur um Dreckwerfen.

    1. Ja, soll er doch gleich alles auflisten, was so schief läuft, damit er gar nicht mehr erst die Chance hat in einem bekannten Magazin wenigstens etwas in die richtige Richtung zu lenken. Mit der „Hau-drauf“-Methode kommt man sicherlich viel weiter….

      Und wo genau lehnst du dich so weit aus dem Fenster, in der Öffentlichkeit?

      1. Ihr völliges Missverständnis meinen Posts gegenüber macht es leider zu schwierig ihnen zu antworten.Dem Wort Unterlassung folgt doch ein Beispiel, das kann man normal gar nicht fehl deuten. Mit der Haudrauf Methode kommt man sicherlich nicht ans Ziel , steht ja auch da………… Leerlauf.

  3. Klare Zahlen sind das nicht – Die Anzahl der Personen auf den Terrorwarnlisten würd mich interressieren und ob der aktuelle Aufenthalt bekannt war.

    Denn wann man schon auf eine Warnliste kommt wenn man sich eine Website über linux Ansieht oder mal zum Spaß bombe gesucht hat oder einfach nur Tor getestet hat bzw. mit dieser Person ab und zu Kontakt hat.
    …ergeben sich in Deutschland geschätzt ca. 70Mio Verdächtige.

  4. Am Rande bemerkt:auch die Attentäter des 11.September standen im Visier mehrerer Geheimdienste.

    Die NSA hielt wertvolle Informationen zurück, mit deren Hilfe die Terroranschläge vom 11.9.2001 hätten verhindert werden können. In einem aktuellen Foreign Policy Artikel widerlegen NSA-Experte James Bamford und NSA-Whistleblower Thomas Drake, die von Präsident Obama und dem ehemaligen Chef der CIA und der NSA, Michael Hayden, kolportierte These, die NSA habe vor 9/11 keine technische Möglichkeit besessen, die Anrufe des mutmaßlichen Hijackers Chalid al-Midhar, der von San Diego aus mit der Al-Qaida Operationsbasis im Jemen telefonierte, in die USA zurückzuverfolgen. Folgerichtig legen Whistleblower wie Drake nahe, dass die post-9/11 Metadatenüberwachung in den USA, die mittlerweile von einem Gericht als illegal eingestuft wurde, auf einer Lüge basierte:

    https://machtelite.wordpress.com/2015/07/24/911-das-maerchen-von-der-unentdeckten-hamburger-terrorzelle/

  5. Zitat:“Von den 17 Attentätern sind zwei noch nicht abschließend identifiziert und können daher kaum sinnvoll betrachtet werden – aber alle 15 identifizierten Attentäter waren behördlich bekannt.“

    … na dann werden die Zwei Fehlenden die Führungsoffiziere gewesen sein, evtl. sogar V-Leute oder fest Angestellte Mitarbeiter eines beauftragten Dienstes …
    … aber hey, alles nur VT … nur VT …

  6. Vor allem muss man auch mal etwas anderes sehen, rein menschlich betrachtet:
    Wenn man permanent Unschuldige nötigt mit solchen Maßnahmen, dann haben sie irgendwann auch den Grund, aktiv zu werden.
    Man muss sich nur einmal überlegen, wie viele Hausdurchsuchungen, präventive Verhaftungen zu Befragungszwecken und so weiter es neuerdings nach jedem durchgeführten Anschlag gibt. In sehr hohem Maße sind das Unschuldige, deren Leben in solche Maßnahmen regelrecht dem Erdboden gleich gemacht werden. Mit so einer Historie im Lebenslauf sind diese Menschen ein Leben lang gezeichnet. Mit anderen Worten: Man nimmt diesen Menschen jegliche Perspektive, evtl. auch ohne dass sie jemals etwas gemacht haben, aber eben auf diesen Listen stehen.
    Denkt man mal etwas weiter… wenn jemandem jegliche Perspektive auf Lebenszeit genommen wird, was hindert eine solche Person noch daran, sich nicht doch aktiv an solchen Aktionen zu beteiligen?
    Je mehr Datenbanken es gibt, je mehr Menschen überwacht werden, je mehr Menschen stigmatisiert werden, desto mehr Anschläge wird es auch geben. Ich habe das Gefühl, je strikter die Gesetze werden, umso mehr Anschläge gibt es,
    Ein verletztes Tier, das in die Ecke getrieben wird, muss in in der Verzweiflung letztlich zubeissen, da es keine andere Wahl mehr übrig hat.
    Vielleicht sollten wir uns generell einfach mal die Frage stellen, ob all diese Polizeiinstitutionen, alle diese Geheimdienste, Datenbanken, Überwachung usw. nicht überhaupt erst dazu führen, dass es mehr Übergriffe gibt!
    Hatte man das nicht beim Fußball bereits festgestellt, dass weniger Polizei auch zu weniger Straftaten und Ausschreitungen geführt hat? Ist doch merkwürdig, oder?
    *
    Freiheit einschränken heisst Terror fördern!

  7. „Die Zeit-Interview mit Giovanni di Lorenzo am 30.08.2007: Schmidt: »Ich habe den Verdacht, dass sich alle Terrorismen, egal, ob die deutsche RAF, die italienischen Brigate Rosse, die Franzosen, Iren, Spanier oder Araber, in ihrer Menschenverachtung wenig nehmen. Sie werden übertroffen von bestimmten Formen von Staatsterrorismus.« ZEIT: »Ist das Ihr Ernst? Wen meinen Sie?« Schmidt: »Belassen wir es dabei. Aber ich meine wirklich, was ich sage.« http://www.zeit.de/2007/36/Interview-Helmut-Schmidt/seite-7„

  8. Manchmal kommt es einem so vor, als könnte den staatlichen Scharfmachern, die hin zum perfektionierten Überwachungsstaat wollen, und die sich zur Verdummung der Öffentlichkeit immer verlogenere Rechtfertigungsargumente für ihre Machenschaften einfallen lassen, kein besser „gefundenes Fressen“ passieren als praktizierter Terrorismus. Wenn dann das öffentliche Erschrecken und Entsetzen gross ist, lässt sich jede noch so krumme administrative Tour zur Bürgerbeschnüffelung als gerechtfertigt ausgeben. Gerade das in höchstem Masse blamable Staatsversagen gegenüber einer solchen Gefahr wie dem NSU, der ohne im mindesten an seinem mörderischen Tun geschlagene 13 Jahre – angeblich unentdeckbar – gehindert zu werden, offenbart doch einen seinesgleichen suchenden Dilettantismus. Und weil einfach die Bereitschaft fehlt, wirklichen und potentiellen Gangstern hinreichend auf die Finger zu sehen, ist verschärfter pauschaler Generalverdacht d a s Mittel der Wahl.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.