Peter Schaar protestiert gegen erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung

Peter Schaar warnt vor einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. CC BY-SA 2.0, via flickr/ Heinrich-Böll-Stiftung

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar spricht sich entschieden gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung aus. „Es ist rechtlich sehr problematisch, dass Daten über sämtlichen Telefon- und Internetnutzern aufgezeichnet werden sollen – auch von denjenigen, die nicht im Entferntesten im Verdacht stehen, irgendetwas mit schweren oder sogar terroristischen Straftaten zu tun zu haben,“ zitiert die dpa den nunmehrigen Vorsitzenden der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID).

In einem Blog-Posting fasst Schaar die wesentlichen Forderungen einer Stellungnahme der EAID gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zusammen:

  • Die mit dem Gesetzentwurf vorgesehene Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung hätte erhebliche Auswirkungen auf die Grundrechte. Betroffen wären sämtliche Nutzer von Telekommunikationsdiensten und des Internets, mithin nahezu die gesamte Bevölkerung. Aus diesem Grund tritt die EAID nachdrücklich dafür ein, ein solches Gesetzesvorhaben einer ausführlichen parlamentarischen und verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen, in der die Argumente, die für und gegen das Vorhaben sprechen, gründlich erörtert und abgewogen werden können. Die Verabschiedung eines derart eingriffsintensiven Gesetzespakets ohne ausführliche öffentliche Debatte quasi im Schnelldurchgang wäre unverantwortlich.
  • Die im Gesetzentwurf vorgesehene anlasslose und flächendeckende Speicherung von Telekommunikations- und Internetdaten ist gemessen an den Vorgaben der zitierten höchstrichterlichen Urteile unverhältnismäßig. Zudem widerspricht die Vorgabe, auch die Daten von Berufsgeheimnisträgern zu speichern und Schutzvorkehrungen erst bei dem Datenzugriff und der Verwertung dieser Daten vorzusehen, gegen die ausdrücklichen Forderungen des EuGH, der entsprechende Ausnahmen bereits bei der Speicherung der Daten verlangt. Schließlich haben die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung bisher keine überzeugenden Nachweise dafür erbracht, dass die Vorratsdatenspeicherung schwerste terroristische Straftaten verhindert hätte oder sigfnifikant zu ihrer Aufklärung beigetragen hätte. Vor diesem Hintergrund hat die EAID schwer wiegende verfassungs- und europarechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf und regt an, auf die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu verzichten.
  • Die vorgeschlagene neue Strafvorschrift § 202d StGB (Datenhehlerei) steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den sonstigen durch das Gesetzesvorhaben verfolgten Zweck. Sie würde einerseits zur Kriminalisierung von Whistleblower-Plattformen, Bloggern oder Medien führen, die dem Ziel dienen, Informationen über rechtswidriges Verhalten von Amtsträgern oder Organisationen zu sammeln oder aufzudecken. Im Ergebnis wäre sogar eine Schwächung des journalistischen Quellenschutzes zu befürchten und mithin eine Beeinträchtigung von Art. 5 Abs. 1 GG. Würde es den im Entwurf formulierten Straftatbestand schon heute geben, würde eine Vielzahl der in diesen Tagen erfolgenden Berichte und Blogs über illegale Aktivitäten von Geheimdiensten strafrechtlich erfolgt. Zudem würde die vorgesehene generelle Privilegierung von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten „der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen“ den durch § 44 BDSG gewährleisteten Schutz personenbezogener Daten aushöhlen und andere gesetzliche Verwertungsverbote unterlaufen. Die EAID wendet sich deshalb gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene neue Strafvorschrift zur „Datenhehlerei“. Sie regt die gründliche Prüfung der Frage an, wie ein besserer strafrechtlicher Schutz personenbezogener Daten gewährleistet werden kann.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

9 Ergänzungen

  1. zu Punkt 1)
    Das soll ja so sein. Sonst könnte zu viel Widerstand entstehen. Außerdem lieber schnell durchprügeln, danach dauert es Jahre, bis eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht überhaupt bearbeitet wird. Diese Jahre kann man dann auf jeden Fall nutzen, egal ob die VDS erneut verfassungswidrig ist oder nicht. Um nichts anderes geht es.
    Man stelle sich vor, das würde bis zum Ende der Wahlperiode dauern und in der nächsten Wahlperiode hätte man nicht mehr die entsprechend gleichgeschalteten Leute zur Abstimmung bereit? Wie sähe das denn aus? Außerdem würde der Bürger vielleicht mit längerer Vorlaufzeit doch mal den Hintern aus der Couch bekommen. Jeder Monat mehr bringt dieses Vorhaben ins Wanken, deswegen schnell, sofort und am Besten gestern.
    *
    zu Punkt 2)
    Natürlich will man auch an die Daten von Berufsgeheimnisträgern ran, vor allem an die von Strafverteidigern, Steuerberatern und Seelsorgern. Denn das sind die Daten, die man offiziell zwar vielleicht nicht verwenden darf, aber doch viele Informationen liefern, die man gegen einen Menschen einsetzen kann. Zur Not macht man es eben wie in den USA, man bedient sich illegal von den Quellen und lässt sich dann eine fantastische Geschichte zur Herkunft der Daten einfallen. Und natürlich winken Gerichte das durch.
    Es geht auch nicht um terroristische Straftaten, das sagt der Straftatenkatalog schon aus. Es geht darum, Menschen zu verfolgen, die vielleicht FKK-Fotos Minderjähriger ansehen, um den Enkeltrick und ggf. auch um Urheberrechtsverletzer. Außerdem um Menschen, die „verdächtige“ Webseiten aufrufen, sowas wie Netzpolitik oder auch linkspolitische Webseiten, Selbsthilfeforen und so weiter…
    Bei Mord und Totschlag greifen eigentlich so gut wie immer klassische Ermittlungsmethoden, das Internet ist da eher nachrangig zu sehen, die Aufklärungsquote ist seit Jahren fantastisch. Die VDS hilft dabei kaum, das dient nur als Argument.
    *
    zu Punkt 3)
    Ja, siehe Januar. Da lief exakt das Gleiche ab. Auch da hat man so nebenbei die Pressefreiheit eingeschränkt. Und auch da hat man das parallel zu der Sache mit dem angeblichen Kinderschutz durchgewunken. Das hat bei Maas anscheinend Methode und System. Das gibts bei dem dann im Paket, weil das Vorhaben „Datenhehleri“ alleine vermutlich nicht durchkommen würde. Als Gesamtpaket hat es dann bessere Chancen, gleich mit durchgewunken zu werden. Wie gesagt, siehe Januar, da lief es bereits genauso ab.
    *
    Bleibt nur noch zu sagen: Maas stoppen. JETZT!
    Verfassungsfeinde gehören nicht in Regierungsämter.

  2. Bei Punkt 3 „Whistleblower“ ist der Einwand überholt, zumindest wenn er auf die journalistischen Tätigkeiten abzielt. Der Paragraf wurde im Vergleich zur ersten bekanntgewordenen Fassung dahingehend überarbeitet, dass journalistische Tätigkeiten nunmehr ausdrücklich nicht Datenhehlerei sein können.

    1. Bleibt die Frage, was denn im juristischen Sinn „journalistische Tätigkeiten“ sind. Gehört Bloggen dazu? Oder gilt das nur für die deutschen Leidmedien? Wo wird die Grenze gezogen?

  3. Muss eigentlich nicht der Bundespräsident das Gesetz zur VDS unterschreiben, bevor es rechtskräftig wird? Vllt. verweigert er ja seine Unterschrift. Und wäre es nicht denkbar das BVerfG setzt bis zur rechtlichen Klärung das Gesetz aus?

  4. Meine Anzeige gegen mein Einwohnermeldamt ist schon geschrieben. Die betreiben Datenhehlerei.
    Auch steht die Anzeige schon gegen die Schufa. lol

    Ich freu mich drauf, wenn das Gesetz so kommt. Die Krankenkassen habe ich auch auf der Liste.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.