Über die Pläne zur Schaffung einer „zentralen Behörde für Internet-Aufsicht“ und einen „Zehn-Punkte-Katalog“ berichtete RP Online heute Morgen. Das Wirtschafts- und das Verbraucherministerium hätten ein gemeinsames Maßnahmenpaket beschlossen, um Verbraucher im Netz besser zu schützen.
Jetzt ist das Papier veröffentlicht worden: „Mehr Sicherheit, Souveränität und Selbstbestimmung in der digitalen Wirtschaft“ (pdf). Laut Pressemitteilung hätte man sich heute auf die Maßnahmen geeinigt:
Die Staatssekretäre des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Matthias Machnig, und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Gerd Billen, haben heute in Berlin das gemeinsame Maßnahmenprogramm „Mehr Sicherheit, Souveränität und Selbstbestimmung in der digitalen Wirtschaft“ beschlossen.
Man hat etwas Mühe, einen „Zehn-Punkte-Katalog“ aus dem Papier zu lesen, denn einiges ist bereits altbekannt, etwa beim Routerzwang, mit dem sich das Kabinett bereits befasst hat, bei der von der Bundesregierung schon beschlossenen Neuregelung für WLAN und Störerhaftung oder beim Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen für Verbraucherverbände, das nun durch eine Änderung des Gesetzes über Unterlassungsklagen erweitert werden soll.
Neu: Die „Digitalagentur“
Ein neuer Vorschlag ist allerdings die „Digitalagentur“, die aber nur eine recht vage Absichtserklärung ist:
BMJV und BMWi werden noch in dieser Legislaturperiode prüfen, ob die derzeitig bestehenden Aufsichtstätigkeiten im Bereich des Verbraucherschutzes in der digitalen Welt in einer Behörde gebündelt werden können. Eine neu geschaffene „Digitalagentur“ könnte Aufgaben zur Erhaltung und Förderung von funktionierenden Wettbewerbsstrukturen und der Marktregulierung zusammenfassen. Unabhängig davon, welche Behörde die genannten Aufsichtstätigkeiten ausübt, soll der Verbraucherschutz hierbei gleichrangiges Ziel werden.
Die „Gleichrangigkeit“ dürfte sich darauf beziehen, sowohl Verbraucherrechte als auch Wirtschaftsinteressen zu berücksichtigen. Die Bundesnetzagentur drängt sich da nicht unbedingt als erste Wahl auf.
Geplante Transparenzpflichten
Im Sinne der Verbraucher plant die Regierung, den Internet- und Telekommunkationsanbietern mehr Transparenzpflichten aufzuerlegen. Man erwarte von ihnen in Zukunft, dass ein „Produktinformationsblatt“ die Kunden vor Vertragsabschluss über alle Bedingungen informiert. Es sollen darin Datenübertragungsraten, Vertragslaufzeiten, Kündigungsregelungen und Entgelte übersichtlich dargestellt werden. Auf der monatlichen Rechnung sollen außerdem in Zukunft der Vertragsbeginn und das Ende der Mindestlaufzeit vermerkt werden. Dadurch werde der Verbraucher in die Lage versetzt, immer genau zu wissen, wann sein Telefon- oder Internetvertrag endet.
Dafür soll eine Transparenzverordnung in Kraft gesetzt werden:
Mit dem Ziel, den Verbrauchern transparente, vergleichbare, ausreichende und aktuelle Informationen bereitzustellen, wurde anlässlich der letzten Gesetzesnovelle eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer besonderen Transparenzverordnung in das TKG aufgenommen. Aktuell wird diese Ermächtigungsgrundlage im Zuge des Gesetzesvorhabens zum Verbraucherstreitbeilegungsgesetz nochmals ausgebaut.
Der Vergleich zwischen vertraglich vereinbarten Datenübertragungsraten und in Wirklichkeit übertragenen Raten soll künftig mit Hilfe von „Messplattformen“ überprüfbar werden. Zusätzlich sollen die Anbieter ihre Kunden über tatsächliche Übertragungsraten ihrerseits in Kenntnis setzen.
Die Vorhaben zu Transparenzpflichten lassen allerdings Regelungen zur Netzneutralität vermissen, obwohl selbst die Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ bereits in ihren Handlungsempfehlungen zur Netzneutralität (pdf) mehrheitlich Transparenzpflichten gefordert hatte.
Statt Warnhinweisen bei kastriertem Netz plant die Regierung lieber Vorschriften für Warnhinweise für bestimmte Mobilfunktarife, bei denen erhebliche Datenmengen bewegt werden können. Wenn Tarife nämlich keine beschränkten Datenvolumina mit Geschwindigkeitsreduzierung oder unbeschränkte Datenvolumina enthalten, sollen Kunden gewarnt werden:
Darüber hinaus werden in bestimmten Fällen bei Mobilfunktarifen […] Warnhinweise bei übermäßigem Datenverkehr eingeführt. Dies schützt die Verbraucher vor unerwartet hohen Rechnungen.
Etwas nebulös bleibt die Ankündigung in der Pressemitteilung zu neuen Regeln für verständliche Nutzungsbedingungen bei Apps:
Heiko Maas und Sigmar Gabriel selbst nicht:
Im Dialog mit wichtigen Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft soll ein Muster einer einfachen und verständlichen Verbraucherinformation erarbeitet werden, so z. B. für Suchmaschinen und Soziale Netzwerke. Diese Muster könnten als Best-Practice-Beispiel Vorbildfunktion entfalten. Dieser Prozess ist Teil einer umfassenden App-Strategie zur Verbesserung des Verbraucher- und Datenschutzes bei Apps. Weitere Gespräche werden auf nationaler und europäischer Ebene stattfinden.
Warum sich Anbieter an solch einem Vorbild-Muster orientieren sollten, bleibt rätselhaft. Wenn beispielsweise der App-Anbieter alle Daten zu verhökern plant, die er vom Mobiltelefon nur irgendwie kriegen kann, und gleichzeitig per Zugriff auf die Kontaktdaten allen Großeltern des Telefonbesitzers Gewinnspiele unterjubeln will, wird er wohl kaum genau das in die „verständliche Verbraucherinformation“ schreiben.
Monopole und Wettbewerb
Entstehende Monopole auf den Telekommunikationsmärkten sollen in Zukunft stärker beobachtet werden:
Tendenzen zur Monopolisierung bestehen in der Datenökonomie von der Infrastrukturebene bis hin zu großen Internetdienstleistern. Ziel muss es sein, die dauerhafte Monopolbildung zu verhindern und die aus einer Vermachtung von Märkten resultierenden Gefahren durch das Wettbewerbs- und Regulierungsrecht effizient zu kontrollieren.
Hoffentlich nimmt die Bundesregierung bei der Gelegenheit auch die gewünschte Umstellung auf Vectoring bei der Telekom in den Blick, die zu einer Re-Monopolisierung des Marktes führen könnte.
Angekündigt wird außerdem ein umfänglicher Fachdialog „Ordnungsrahmen für die digitale Wirtschaft“ des BMWi, der beginnend nach der Sommerpause „ökonomische sowie rechtliche und technische Implikationen der digitalen Wirtschaft“ untersuchen soll. Der frühere „Fachdialog Netzneutralität“ soll damit fortgeführt und „weiterentwickelt“ werden. Man will nun auch die „volkswirtschaftlichen Wachstumspotenziale der digitalen Wirtschaft“ einbeziehen und hat zahlreiche zur Untersuchung bestimmte Fragen zusammengestellt, die in Workshops und Studien besprochen werden sollen.
Was macht eigentlich die Stiftung Datenschutz?
Heute abend sprechen wir zum Beispiel in Leipzig mit start ups und diskutieren, inwieweit für sie Datenschutz als Geschäftsmodell in Frage kommt
(https://stiftungdatenschutz.org/geschaeftsmodell_datenschutz).
Anfang November werden wir dann klären, was die kommende EU-Datenschutzreform für die verschiedenen Gruppen (Verbraucher, Datenschutzbeauftragte usw.) bedeutet:
https://stiftungdatenschutz.org/eu-datenschutzgrundverordnung-bleibt-alles-anders
Aber um auf die Bundesregierung zurückzukommen: Die könnte uns natürlich gerne mehr fördern, als sie es bislang tut. Dann könnten wir zum Beispiel ein Datenschutzgütesiegel entwickeln (https://twitter.com/DS_Stiftung/status/643456381526392832).
Agenturen bei der SPD offenbar immer noch en vogue.
Und Vorsitzender wird Gorny ..
Nicht noch eine Behörde…
Als hätten wir nicht schon genug. Jetzt bringt uns der politische Aktionismuss neben BNetzA, BKartA und BaFin noch eine Behörde. Was ist eigentlich mit dem BSI? Und warum wir solch ein Thema nicht mit dem BMVI abgestimmt? Ach ja, stimmt ja, falsche Partei. In der Politik geht es ja selten um die Sache…
Die Flüchtlingswelle ist ein Segen für die Bundesregierung und Sicherheitsbehörden.
Aus den Medien ist der NSA-Skandal verschwunden. Keiner redet mehr über die Selektorenliste. Der Landesverrat ist aus den Köpfen verschwunden. Derweil arbeiten die Sicherheitsbehörden weiter an Gesetzesverschärfungen, auch unter dem Vorwand der Flüchtlingswelle, um das Sicherheitsbedürfnis der Bürger zu erhöhen.
Dies ist ein perfektes Beispiel, wie sich die Medien und Bürger manipulieren lassen.
Auch für Whistleblower ist es eine gute Zeit. Wir haben intern im Moment andere Probleme.
Es fehlt der Mut.
Netzneutralität geht in der VO nach 45n TKG nicht – das würde nur zur (Teil-)Unwirksamkeit führen..