Berlin konkretisiert Schritte zur Einführung von „Predictive Policing“ – Auch Brandenburg interessiert sich

EIne Analysesoftware wie "Precobs" steigert den polizeilichen Datenhunger. Immer mehr Landeskriminalämter interessieren sich.
EIne Analysesoftware wie „Precobs“ steigert den polizeilichen Datenhunger. Immer mehr Landeskriminalämter interessieren sich.

Auch das Land Berlin hat sich die Vorhersagesoftware „Precobs“ vom Institut für musterbasierte Prognosetechnik (IfmPt) vorführen lassen. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Piratenfraktion vor. Demnach war die Firma am 2. März von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu einer Präsentation eingeladen worden.

Die Informationsveranstaltung stand im Kontext einer „fortgesetzten Marktschau“ der Berliner Behörde. Die womöglich zu beschaffende Software soll zunächst bei „Wohnraumeinbruch“ genutzt werden, weitere Anwendungsgebiete, darunter Kraftfahrzeug-Diebstahl bzw. Diebstähle aus Fahrzeugen könnten folgen.

Bayern als Motor für andere Bundesländer

Denkbar sei der Einsatz grundsätzlich in allen Dienststellen, die sich „mit Aufgaben der Kriminalitätsanalyse und Lageauswertung“ befassen. Konkrete Pläne zur Einführung hege das Landeskriminalamt (LKA) Berlin nach eigener Auskunft noch nicht. Allerdings tauscht die Polizei bereits rege Informationen mit Polizeidienststellen in anderen Bundesländern aus. Entsprechende Absichten waren bislang nur aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bekannt; nach Medienberichten interessierten sich aber auch Baden-Württemberg und Brandenburg.

Im vergangenen November waren BeamtInnen des Berliner LKA-Analysezentrums und der Abteilung Verbrechensbekämpfung nach Bayern gereist und hatten sich das dort genutzte „Precobs“ vorführen lassen. Laut dem Senat nahmen an der Veranstaltung auch jeweils ein Vertreter des LKA Brandenburg und des Polizeipräsidiums Potsdam teil.

Ähnliche Treffen fanden bereits seit 2011 statt. So nahm die Berliner Polizei zwei Mal an der „Europäischen Konferenz für räumliche Kriminalitätsanalyse“ beim LKA Bayern teil. 2012 habe das Thema „Predictive Policing“ dort einen Themenschwerpunkt dargestellt. Anlässlich einer dort durchgeführten „Simulationsstudie“ sei damals auch die Stadtpolizei Zürich eingeladen worden. Auf der Webseite des Herstellers von „Precobs“ wird dies bestätigt, demnach war die Firma aus Oberhausen ebenfalls mit einer Präsentation anwesend. Auch in Zürich kommt „Precobs“ zum Einsatz.

LfDI hat kein Problem

Die „Predictive-Policing“-Software generiere laut dem Berliner Senat lediglich „empirische Erkenntnisse“, die sich kaum von „kriminalistischkriminologischen Grundannahmen“ unterschieden. Denn bereits fußten die polizeilichen Maßnahmen auf Kriminalitätsanalyse und Lageauswertung. Ausschlaggebend für eine mögliche Einführung sind vielmehr die „sich technisch ergebenden Möglichkeiten“ effektiver Arbeitsabläufe.

Ähnlich hatten sich bereits eine Studie des Landeskriminalamtes Niedersachsen geäußert. Demnach sei „Predictive Policing“ eine Weiterentwicklung von Geoinformationssystemen (GIS), die seit rund 20 Jahren bei fast allen westlichen Polizeibehörden weltweit Einzug hielten. Laut der Studie habe das „Crime Mapping“ mit Geoinformationssystemen bereits viele Eigenschaften des „Predictive Policing“. Allerdings hätten die frühen Geoinformationssysteme keine Prognosen erstellen können, da die Rechnerleistung damals schlicht zu gering gewesen sei.

Vor einer Entscheidung über den Einsatz einer Vorhersagesoftware will Berlin eine „sorgfältige rechtliche Vorbewertung“ unter Beteiligung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) vornehmen. Eine Firewall gegen die Einführung der teilautomatisierten Strafverfolgung ist das nicht: Der Bayerische LfDI findet „Precobs“ beispielsweise in Ordnung, solange keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

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4 Ergänzungen

  1. Wir sollten nicht auf das Niveau der Grünen zurückfallen und alles verteufeln, wenn es nur den Anschein erweckt irgendwie mit Datensammelei in Verbindung gebracht werden zu können. Auf einer Dresdner Brücke wird jetzt die Geschwindigkeit auf 30km/h begrenzt, weil vor dem Brückenbau Brückengegner auf einmal eine geschütze Fledermausart ausgemacht haben, mit der man den Brückenbau vielleicht verhindern kann. Das Ergebnis ist eine biologisch sinnlose Maßnahme.

    Wenn statistische Erfahrungen, korreliert mit aktuellen Dingen (Feiertage,…) dazu führen, dass das bissl Polizeistreife genau dort eingesetzt wird, wo die Wahrscheinlichkeit eines Vorfalls am größten ist, ist das Ok. Vor einer Wertung ist also zu prüfen, ob hier tatsächlich ein Nutzen ohne Rasterfahndungsmethoden möglich ist. Vielleicht motiviert es auch die im Einsatz befindlichen Polizisten.

    Ich denke, wir haben mit größeren Problemen im polizeilichen Sinne zu kämpfen, wenn ich allein an die Auswertung von Mobilfunkdaten bei Demonstrationen denke. Da gabs auch schon in Dresden einen Fall bei Gegendemonstrationen eines Neonaziuaufmarsches. Dort ist die Demokratie sehr dicht auf der Kippe zum Polizeistaat.

    In dem Sinne fehlt mir im Artikel eine Beschreibung der tatsächlichen Relevanz des Inhaltes bezüglich Datenschutz usw.

  2. Interessant wird es dann, wenn sich die ganzen Gauner und Gangster darauf eingestellt haben und entsprechend reagieren. Dann ist das ganze schöne Geld verpulvert, eine Firma wurde damit endlos reich gemacht aufgrund unserer Steuergelder und die Aufklärungsquote sinkt weiterhin in den Keller. Außer natürlich die Überwachung wächst parallel dazu in die Lückenlosigkeit, aber dann begehen wir alle besser Selbstmord. Denn in so einer Welt kann niemand ernsthaft leben wollen.

    Ich denke, mit diesen Daten lässt sich allerhand Unfug anstellen. Am Ende wissen die Gauner, wo die Polizeistreifen die Runden drehen und brechen exakt dann ein, wenn die Streife weg ist oder ziehen eben an einen anderen Ort, den die Software gerade nicht für „gefährdet“ hält. Denn was eine Firma programmieren kann, das können auch andere entwickeln…

    Das, was zusätzlich zu befürchten steht, ist eintretende Betriebsblindheit nach einiger Zeit. Also das, an dem viele Polizisten heute schon leiden. Sie haben ihre vorgefertigten Anschauungen und Weltbilder, pauschalisieren und scheren dabei alle über einen Kamm. Wen man dann nicht erwischt, der kann sich bestenfalls gut verstecken, ist aber trotzdem schuldig, so das Motto. Wer im Raster ist, dessen Unschuldigkeit wird ohnehin nicht geglaubt.

    Mal sehen, wann dann aufgrund von Softwareabschätzungen bei uns Menschen auf der Straße erschossen werden, weil sie sich „verdächtig“ verhalten haben in einer Umgebung, die gerade als „gefährdete Zone“ gilt.

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