Im Bereich privater Urheberrechtsdurchsetzung rücken Suchmaschinen und damit allen voran Google mehr und mehr ins Zentrum. Während Andre Meister Ende Mai noch von rund 1,3 Millionen gelöschten Suchresultaten im Monat wegen (vermeintlicher) Copyright-Verstöße berichtet hat, waren es im vergangenen Monat bereits 4,3 Millionen. Die Anzahl der Organisationen, die diese Löschungen beantragt haben, stieg jedoch nur von 1.099 auf 1.264, wobei die Recording Industry Association of America (RIAA) inzwischen Microsoft als Spitzenreiter abgelöst hat (vgl. Google-Transparenzreport). Seit Googles Offenlegung seiner Löschungspraktiken scheinen die Rechteinhaber dieses Instrument zur Rechtsdurchsetzung erst so richtig schätzen gelernt zu haben. Denn für die meisten Internetnutzer existieren Seiten praktisch nicht, die in Googles Suchresultaten nicht aufscheinen.
Die Löschung erfolgt dabei auf US-amerikanischer Rechtsgrundlage, dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA), dessen restriktive Bestimmungen so auf der ganzen Welt durchgesetzt werden. In einem gestern veröffentlichten Blogeintrag kündigte Google nun an, dass dieser DMCA künftig eine noch größere Rolle bei der Präsentation seiner Suchergebnisse spielen wird. Unter der lapidaren Überschrift „Updating our search algorithms“ heißt es dort (meine Übersetzung):
Mit Anfang nächster Woche werden wir ein neues Kriterium für die Reihenfolge unserer Suchergebnisse berücksichtigen: die Anzahl der gültigen Copyright-bedingten Löschanfragen für eine bestimmte Seite. Seiten mit einer hohen Anzahl von Löschanfragen werden weiter hinten in unseren Suchergebnissen aufscheinen.
Während bislang also einzelne Suchresultate aus den Ergebnissen entfernt wurden, werden hinkünftig Domains mit vielen solchen Löschanfragen schwerer bei Google zu finden sein. Dass auch Googles Videoplattform YouTube von dieser Maßnahme betroffen sein wird, ist aber wohl kaum zu erwarten.
Mit dieser Änderung des Suchalgorithmus folgt Google exakt jenen Forderungen der Unterhaltungsindustrie, die diese Anfang des Jahres in einem nicht-öffentlichen Treffen gegenüber Vertretern von Google, Bing und Yahoo vorgetragen hatte. In dem von der Open Rights Group im Januar geleakten Dokument (PDF) finden sich eine Reihe von Forderungen, der allererste Punkt in der Übersicht am Anfang lautet aber:
Assign lower rankings to sites that repeatedly make available unlicensed content in breach of copyright
Also exakt jene Maßnahme, die Google ab kommender Woche umsetzen wird. Weitere Forderungen andie Suchmaschinenbetreiber in dem Papier waren (meine Übersetzung):
- Webseiten priorisieren, die über eine Zertifizierung nach einem anerkannten System verfügen
- Aufhören Seiten zu indexieren, gegen die gerichtliche Verfügungen vorliegen sowie angemessene Verfahren zur Auslistung von Seiten mit erheblichen Rechtsverletzungen
- Weitere Verbesserung der Funktionsweise des ‚Notice-and-Takedown‘-Systems und Sicherstellen dass Suchmaschinen Konsumenten nicht via vorgeschlagener Suchen, verwandter Suchen oder vorgeschlagener Seiten auf illegale Seiten hingewiesen werden
- Sicherstellen, dass sie illegale Seiten nicht mittels Anzeigen oder das Platzieren von Anzeigen auf ihnen unterstützen sowie dass sie nicht von Rechtsverletzungen durch den Verkauf von Keywords profitieren, die auf Piraterie oder den Verkauf mobiler Anwendungen, die Rechtsverletzungen erleichtern, bezogen sind.
Man darf also gespannt sein, welche dieser Forderungen Google in der nächsten Zeit noch in seine Suchmaschine einbauen wird – und es ist wohl auch wahrscheinlich, dass Microsoft Bing und Yahoo (Allianzpartner von Microsoft) hier eher vorangehen denn hinten anstehen.
Von steigender Bedeutung angesichts dieser Entwicklung hin zur Verschärfung privater Rechtsdurchsetzung sind Verfahren, um fälschlicherweise gelöschte Suchresultate zu reklamieren (vgl. z.B. kürzlich den Fall der Löschung eines Verweises auf einen heise.de-Artikel). Die diesbezügliche EU-Konsultation zur Rechtsdurchsetzung im Internet läuft noch bis 5. September (siehe auch „Mitmachen: Gemeinsam Löschversuche im Netz dokumentieren“).
[Update]
Patrick Beuth berichtet auf Zeit Online über eine Nachfrage bei Google, wie nun YouTube in Zukunft in den Suchergebnissen gereiht werde, wo doch dort sicherlich auch eine große Menge an validen Löschanfragen eintreffen:
Die Zahl der Copyright-Beschwerden wird demnach nicht den alleinigen Ausschlag geben, ob ein Angebot als besonders urheberrechtsverletzend eingestuft wird. Es gebe noch weitere Faktoren, teilte Google mit – nur nicht, welche das sein sollen.
Soviel zum „Transparency Report“.
Wird es nun bei der Content Industrie einen Wettbewerb geben die Löschung Aufforderungen möglichst feinkörnig zu gestalten um den Webseiten maximal zu schaden?
Eine etwas andere Art der SuchmaschinenOptimierung. :-(
Das Spielchen kann man wahrscheinlich auch andersherum spielen. DDoS war gestern.
hm und nun?
Darauf hoffe, dass die EU es mit Gesetzen/Verboten schon richten wird? Ich weis ja nicht, ob das so eine erfolgsversprechende Idee ist.
Alternative Suchmaschinen fördern und versuche diese zu verbreiten (wobei mir nur DuckDuckGo als Alternative einfällt)? Wäre langfristig wohl sinnvoller, dürfte aber angesicht der Monopolstellung von Google sehr schwer werden, vorallem da Alternativen meist schwächer bei der Suche sind.
Versuchen Google unter Druck zu setzen, sodass die sich dagegen wehren?
Insgesamt denke ich, die wenigsten durfte das generell stören.
Klingt daher für mich alles nicht so optimal.
DuckDuckGo ist auch wieder ein zentraler Anbieter. Den kann die Contentindustrie/US-Regierung genauso unter Druck setzen wie Google.
Ich persönlich sehe nur einen Weg, eine halbwegs zensurresistente Suchmaschine aufzubauen: Dezentrale Strukturen von ausreichender Größe und Verteilung.
Ansätze dazu gibt es ja (Yacy).
Ok, also wenn ich ab jetzt unliebsame Artikel zu Firmen oder illegale inhalte suchen will, fange ich bei Google möglichst weit hinten an? Na viel spass.
Krasse Idee! Wird man dann sobald man am Heimrechner die Sortierung ändert oder die Suchergebnisse von hinten nach vorne durchstöbert, als kriminell eingestuft, da man dann Interesse an Seiten mit hohen Löschanfragen zeigt? Anonymisierungsdienste sind ja auch nur bedingt zuverlässig. Bisher tat ich das manchmal um mir auch mal unbekanntere Seiten anzuschauen. Fand ich spannend.
s/aufscheinen/erscheinen/g
Je mehr Leute bei Yacy mitmachen desto eher wird es möglich sein eine Zensurresistente Suchmaschine zu erhalten !
Meinst Du? Was ist, wenn irgendwann mal genug Nutzer da sind? Glaubst Du, daß dann nicht auch irgendwelche Leute kommen und ähnliche Forderungen stellen. Bei all den Gesetzen und ihren Interpretionsmöglichkeiten sowie technischen Möglichkeiten…
Sicher würde es solche Forderungen geben. Es ist aber sehr viel schwerer, sie gegen 1xxxxxxx Nutzer in zig Ländern durchzusetzen, als gegen ein einzelnes US- Unternehmen.
@ blurks: Theoretisch ist es schwerer. Und praktisch könntest diesen Leuten einfach den Netzzugang versperren.
Aber muß mich ersteinmal ùber die Seite informieren…sorry! Hab im Moment keinen geeigneten Netzanschluss für das www.
@blurks: Das wird dauern :(
Alles was ich derzeitig beim Aufrufen der Links dieser Seite über mein Endgerät angezeigt bekomme:
„Hoppla!
Es ist ein Problem aufgetreten, sodass wir die von Ihnen angeforderte Seite derzeit nicht anzeigen können. Sie können jedoch davon ausgehen, dass die Techniker von […] bereits an einer Lösung dieses Problems arbeiten.“
Yacy ist eine dezentrale Suchmaschine, die jeder auf seinem eigenen Rechner hat. Die Suchindexe kann jeder selbst aufbauen und anderen zum Download zu Verfügung stellen ( im Zeitalter von TB-Platten kein Problem) . Wenn das jeder hätte, dann müssten sie das Internet abschalten, um Zensur durchzusetzen.
@mark: Aber wie kann ich den Datenschutz sicherstellen, wenn ich ähnlich wie bei Tauschbörsen sämtliche Leute an meinen Rechner lasse? Über einen leeren bzw. zweiten Rechner?
Freunde von mir haben sehr kostenspielige Erfahrungen mit Tauschbörsen im Zusammenhang mit Musik gemacht…kann und will ich mir nicht leisten…deshalb die Fragen ;) Sry
Naja seine „eigene“ Suchmaschine betreiben ist nicht illegal, also soweit schonmal keine Panik.
Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass Yacy wirklich nur das tut, was es tuen soll und nicht zusätzlich Unfug auf deinem Rechner anstellt oder Türen für anderen Unfug öffnet.
Da kannste jetzt den Autoren von Yacy vertrauen oder eben nicht (wie so oft bei Programmen). Ist allerdings OpenSource, also entsprechende Kenntnisse vorausgesetzt, kannste dir ja mal selbst ein Bild davon machen…
http://yacy-websuche.de/wiki/index.php/De:WhatIsYaCy
http://yacy.net/en/
Runtergerechnet also : Google entfernt 1,66 Ergebnisse pro Sekunde – rund um die Uhr. Da kann überhaupt kein Mensch auch nur ein Bruchteil von kontrollieren.
Nebenbei: Warum sind die plötzlich so duckmäuserisch und tun was andere Unternehmen von ihnen wollen?
Seiten, die eine ungerechtfertigte TD&N bekommen haben sollten konsequenterweise gegenüber ihrem vorherigem Rank um 2 Stufen steigen, einfach als Strafe für die angeblichen Copyrightinhaber. Die vorgeblichen Inhaber sollten automatisch um 2 Ranks gesenkt werden, so lange, bis sich auch die angeblichen Content-Inhaber korrekt verhalten.
Im Sozialismus wird das zensiert was der Kommunistischen Partei nicht gefällt. Im Kapitalismus wird das zensiert was den großen Konzernen nicht gefällt.
Ob das ein guter Weg für Google und das Netz ist, das wage ich arg zu bezweifeln. Das Netz sollte grundsätzlich ohne Zensur bleiben. Und ob Google sich damit als Unternehmen einen Gefallen tut? Auch das wage ich zu bezweifeln. Google Inc. müsste als Suchdienst da bei der Content-Industrie abwinken. Unter dem Hinweis das ihr Job der ist die Suche im Netz nur so komfortabel wie möglich zu gestallten. Was Menschen im Netz tun, das kann nicht die Aufgabe von Google sein das zu kontrollieren. Ich meine an meiner Haustür steht ja auch kein dauerhafter Polizist der guckt das ich ja nix illegales mache. Das Netz wird somit immer undemokratischer… und verliert extrem an Reiz es zu nutzen. Zumindest verliert für mich Google damit den Reiz deren Suche zu nutzen. Und nicht weil ich illegale Inhalte suche sondern weil ich befürchte das auch kritische Töne im Netz einfach nicht mehr zu finden sind. Sicher werden dann auch Seiten abgestuft die Kritik an Google anführen, wie mein Blog, oder dieser Blog hier.
Ich sehe die Netzkultur die sich immer noch am entwickeln ist wird im Keim zerstört, da hilft nur Google nicht mehr zu nutzen.
Mal ehrlich, die Suchergebnisse bei Guugel werden schon seit etwa einem Jahr sowieso immer schlechter. Die Frage ist auch, ob Guugel strategisch überhaupt noch eine effektive Suchmaschien anbieten will oder nicht versucht, Nutzer vermehrt auf ihre eigenen Seiten zu binden, warum sollte man die durch gute Resultate zur Konkurrenz bringen wo man doch will, dass alle Fragen und Themen in den eigenen Sozialnetzwerken behandelt werden ;)
Oder anders gesagt: ohne Suchmaschinen gäbe es nur noch Facebook, Facebook, Youtube, Amazon, Ebay und ein paar Seiten, die man in seinen Favoriten gespeichert hat, hm …
Genau so ist es! Google ist schon lange kein Werbevermarkter auf Basis einer Suchmaschine mehr, sondern versucht, die erlangte Monopolstellung auf andere Geschäftsbereiche zu übertragen (vertikale Integration).
Da YouTube zum Inhalteanbieter/vermarkter werden soll (bzw. sowieso de facto schon ist) und auf ein gutes Verhältnis zu Inhalteproduzten / Copyrightbesitzern angewiesen ist, ist ökonomisch vollkommen logisch, dass Google den Interessen der Geschäftspartner Rechnung trägt. Google-Nutzer sollten inzwischen begriffen haben, dass sie keine Kunden sind, die irgendwelche Ansprüche, z.B. auf qualitativ hochwertige Suchergebnisse, haben, sondern das Produkt, das Google an die Werbeindustrie verkauft.
Und was heißt schon „private Rechtsdurchsetzung“? Wenn Google, Seiten, die häufig wegen Copyrightverstößen aufgefallen sind, so wie alle anderen Seiten (außer den Seiten, z.B. von anderen Google-Diensten, die sowieso bevorzugt werden), also quasi „neutral“, behandelt, ist das dann private Unrechtsdurchsetzung?
Ja, so kann man das natürlich sehen, wobei ich diese Maßnahme zum Schutz von Otto-Normal-Verbraucher garnicht so schlecht finde…auch wenn ich wahrscheinlich selbst meine Suchoptionen ändern muß. Irgendwie wird von jedem verlangt, daß er einen Netzanschluss hat, aber kaum jemand wird eingewiesen. Setze Dich mal mit älteren Leuten hin, die nie was mit Rechnern zu tun hatten. Da muß alles total bedienerfreundlich sein und möglichst ohne Gefahren. Und die Meinungsfreiheit im Netz ist doch eh relativ…das wußte man aber auch schon im letzten Jahrhundert.
Das diese Art und wohl noch weitere von Zensur bei den Privat Firmen kommt war doch Vorhersehbar , nur warum gleich immer Jammern und Schwarzmalen?
Die meisten haben sich in den Jahren viel zu Abhängig von dem allseits ausgeretenen und bequemen Internetpfaden gemacht wie Facebook , Google, Amazon ….Microsoft oder Apple ect.
Das Netz ist aber viel Freier, Dezentraler und Offener als viele denken also warum nicht seine eigenen Suchrobots (Suchmaschine) als Programm auf dem Rechner betreiben ohne jegliche Zensur sowie einen eigenen DNS-Server ?
Wer will kann sich oder mit seinen Freunden auch in einem „freien“ Land für wenige Euro einen Root-Server anmieten und dort OpenVPN Installieren , durch den VPN Tunner umgeht man die länderspezifischen IP Sperren und Sürft zudem weitgehend Anonym.
Wer Zensur oder Sperren Umgehen will muss halt selbst Aktiv werden , auf große Internetfirmen oder den Zugangsprovidern ist längst kein Verlass mehr und es geht Legal und Open Source.
Auf Carta.info, immerhin mit einem Grimme-Online-Award beehrt, macht jetzt schon ein Löschanwalt Schleichwerbung für seine Dienste: http://carta.info/46645/rufschadigung-im-internet-und-was-man-dagegen-tun-kann/
Natürlich alles im Namen der Bekämpfung von Rufschädigung. Schöne neue Löschwelt.
Naja. Im Wettstreit um die vorderen Plätze bei Google hat sich auch schon eine ganze Branche entwickelt, die aktuell mit Pinguin und Panda kämpft.
Eine Änderung im Ranking ist an der Tagesordnung und wenn bei über 200 ’signals‘ eines hinzukommt, muss man erst einmal die Auswirkungen betrachten. Vermutlich könnte ein Großteil der betroffenen Seiten auch jederzeit abstürzen, weil deren Blackhat-SEO auffliegt oder weil endlich mal ein Einstufungsverfahren für besucherverarschende Banner gefunden wird.