Großbritannien: Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung im Unterhaus

Wie bereits von der Queen angekündigt wurde nun ein Gesetzentwurf für eine Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien im Unterhaus eingebracht. Mit der „Communications Data Bill“ werden nicht nur die Vorgaben der EU-Richtlinie umgesetzt, sondern deutlich darüber hinaus gegangen. (Wir berichteten bereits hier und hier). Die Daten sollen 1 Jahr gespeichert und von Strafverfolgern ohne Richterbeschluss live abgerufen werden können. Ansonsten benötigen die zugriffsberechtigten Behörden (Polizei, Geheimdienste, Zoll) einen Richterbeschluss.

Gespeichert werden sollen nicht nur wie von der EU-Richtlinie vorgesehen Verbindungsdaten von E-Mail und Telefon sowie die IP-Adresse des Internetzugangs, sondern auch die aufgerufenen Webseiten (ohne Unterseiten), Dienste wie Facebook-Nachrichten, Chats und alle anderen Kommunikationsprotokolle. Was konkret aufgezeichnet werden soll, findet sich in dem über 100 Seiten starken Entwurf nirgends.

Hauptziel ist zwar die Vorratsdatenspeicherung von Online-Kommunikation im weitesten Sinne, doch auch vor der Offline-Kommunikation soll kein Halt gemacht werden. Wie Erich Moechel schreibt fallen unter die Communications Data Bill auch die „normale“ Post, mit allem was sie transportiert – von der Postkarte bis zum Paket.

Wie die Datenspeicherung technisch gelöst werden soll ist noch offen, da bei verschlüsselten Tunneln (VPN) oder auch bei verschlüsseltem Zugriff auf Dienste (z.B. https) unklar ist, wie die Provider an die Daten gelangen sollen. Es wird aber bereits über „Man in the Middle“ Techniken, in denen alle Kommunikation über Regierungsserver umgeleitet wird, spekuliert. Das „Lawful Interception“ genannte System wird auch auf europäischer Ebene vorangetrieben. Das European Telecom Standards Institute (ETSI) arbeitet bereits an einer Standardisierung. Das FBI hat ähnliche Pläne und nennt diese sogar in ihren Strategic Gaps 2011 – 2015.

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13 Ergänzungen

  1. Ich glaub das gibt es noch nicht einmal in China ?
    Erich Mielke hätte sicher auch seine Freude in der DDR daran gehabt.
    Zumindest kann die Urheberechtsindustie gleich live jeden Tag abfragen wer „Kino.to“ welchen Film abgerufen hat und die Abmahnung verschicken bevor der Film zuende ist.
    Ich denke irgentwann haben die Leute einfach keine Lust mehr aufs Internet und gehen wieder auf die Strasse…. ;-)

  2. Im Sozialismus wird überwacht weil die KP Elite es so will. Im Kapitalismus wird überwacht weil die Konzerne es so wollen. Beides ist ziemlich scheiße, lang lebe die Anarchie !

    1. Wir haben doch längst eine EUdSSR mit einem Politbüro Elite in Brüssel ….. die es wollen !

  3. Hallo!

    Deine Arbeit und Deine Zeit für diese Internetseite finde ich wirklich beeindruckend (mein größten Respekt), aber dennoch verstehe ich die Aufregung hinsichtlich der Datenspeicherung nicht ganz.
    Vielleicht reichen meine Kenntnisse nicht aus (bin leider erst am Anfang meines Studiums), aber wir reden hier doch von Computertechnologie. Basiert diese nicht auf einer permanten Speicherung. Im Internet werden vielfach Datenbanken verwendet und die Abfragen funktionieren doch zumeist besser, wenn eine Information im Arbeitsspeicher hinterlegt wird. Das Löschen von Daten und Inhalten ist doch nur mittels Entladung oder Zerstörung des Datenträgers möglich.
    Und wenn solche Gesetze durchkommen, dann gibt es doch immernoch die Möglichkeit gewisse Sachen nicht oder via Synonyme bzw. eigener Codes zu verschicken…aber das hat man doch schon vor 10 Jahren gemacht. Wurde beispielsweise Leetspeak nicht genau aus solchen Gründen erfunden? Und selbst das war nicht neu…Geheimsprachen gibt es doch schon nachweisbar seit einigen Jahrhunderten. Andere Zeichen, Spiegelschrift, Rückwärts,…da kann man sich so viel ausdenken.

    1. Natürlich haben wir durch die Provider eine technische Möglichkeit gegeben alles zu speichern. Die Gründe die gegen die VDS sprechen sind meist auch weniger technischer Natur (von den Kosten für die Technik mal abgesehen).

      Warum die Aufregung so groß ist….naja es gibt viel an der VDS zu kritisieren, mein persönliches Hauptargument ist die Tatsache, dass durch die VDS unser Rechtssystem verdreht wird. Von „du hast was kriminelles gemacht oder es gibt gute Gründe zu glauben du tust bald was kriminelles“ zu „du bist ein Mensch und damit potenziell so oder so kriminell, also stehst du grundsätzlich unter Verdacht“.

      „Und wenn solche Gesetze durchkommen, dann gibt es doch immernoch die Möglichkeit…“

      Gesetze sollten aber niemals gemacht werden, nur um gebrochen zu werden.

  4. Vergessen: Persönlich finde ich es schade, dass zwar immer über die Speicherung gesprochen wird, nie aber die derzeitig technischen Gegebenheiten. Ich finde die Speicherung an sich nicht schlimm. Schlimm finde ich aber, dass es technisch zu leicht möglich ist, Manipulationen vorzunehmen. Wäre schön, wenn auch mal Fälle diskutiert würden, die beispielsweise die Haftung von Inhalten (bei Speicherung, gehacktem Account und manipulierter IP) beinhalten. Wie leicht kann ich damit das Leben eines Menschen zerstören…allein auf dem technischen Weg.

  5. „Wie Erich Moechel schreibt fallen unter die Communications Data Bill auch die “normale” Post, mit allem was sie transportiert – von der Postkarte bis zum Paket.“

    Das Erinnert dann wirklich an die „Stasi“ wenn zig Beamte Pakete Durchwühlen und Kopien von Briefen machen.
    Zumal die Online Überwachung der Bürger nichts Anderes ist, sondern lediglich eine Anpassung an die neuen Kommunikations Techniken.
    Taten die noch vor 20 Jahren in der EU einstimmig als Unrecht und Menschenverachtend beschrieben wurden werden nun von ihren Mitgliedern selbst Vorgenommen und von der EU sogar politisch Gedeckt.
    Es ist schlimm was zunehmend aus dieser Europäischen Idee wird, wie viele Unionen verschiedener Völker in der Geschichte ( Römisches Reich , UdSSR , Jugoslavien) entwickelt sich auch diese immer mehr über einen Sicherheitsstaat zum totalitären Überwachungsstaat.
    Welcher seine Außengrenzen immer mehr hermetisch abschließt und im Inneren die Bürger Überwacht, immer mehr bürgerliche Freiheitsrechte Einschränkt ( Demonstrationsrecht , Politische , Soziale und Religöse Freiheiten) Sich sogar staatlich und Hilfe privatrechtlicher Firmen zunehmend in Private Belange ihrer Büger einmischt ( Überwachung, Disziplinierung durch Soziale Entrechtung , Rauch- Alkoholverbote….. ect. ).
    Dies ist kaum noch mit dem Deckmantel der „terroristischen Gefahr“ zu Begründen sondern geht zunehmend an die Substanz der bürgerlichen Freiheiten wenn zunehmend in immer mehr private und berufliche Lebensbereiche ständige Überwachung, Vorschriften und gesetzliche Regelungen greifen.
    Wir müssen wirklich Aufpassen sonnst wachen wir bald in einer Anderen Welt auf.

  6. Ich warte ja nur noch auf den Tag, an dem es illegal sein wird, Briefe in Papierform zu verschicken.

    1. Analog zur Bargeldnutzung, die dann schon eingestellt sein wird. Läuft ja bereits an.

      Und der Pöbel wird auch DAS fressen, weil so bequem. Endlich mal ein Vorteil aus all der Regelungswut ziehen. Da hat Brüssel mal was geleistet, was uns zugute kommt!!1!

  7. Mich wundert etwas, dass es sich (tw. auch schon in der früheren) Berichterstattung liest, als gäbe es in Großbritannien bisher gar keine VDS. Dem ist nicht so, ganz im Gegenteil war UK eines der Staaten, die die Richtlinie auf europäischer Ebene aktiv unterstützt und bereits vor zehn Jahren für den Telefoniebereich gespeichert hat. Mehr dazu

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