Telekom-Paket: Frankreich macht Druck gegen Parlament

Der französische Präsident Sarkozy stört sich an einem vom EU-Parlament beschlossenen Änderungsantrag zum Telekom-Paket (Hier: Trautmann-Report). Das Parlament hatte in einer leicht chaotischen Abstimmung mit mehreren Wahlgängen nur zu diesem Änderungsantrag den folgenden Text beschlossen:

ga) applying the principle that no restriction may be imposed on the fundamental rights and freedoms of end-users, without a prior ruling by the judicial authorities, notably in accordance with Article 11 of the Charter of Fundamental Rights of the European Union on freedom of expression and information, save when public security is threatened where the ruling may be subsequent.

Konkret meint der Text, dass Internetsperrungen nicht ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden dürfen. Die Franzosen wollen allerdings mit einer neuen Behörde und in der Zusammenarbeit mit der Privatpolizei der Unterhaltungsindustrie (vermeintliche) Tauschbörsennutzer aus dem Internet aussperren dürfen (Das System der „Graduate Response“).

Im Rahmen der französischen Ratspräsidentschaft hat Sarkozy nun einen Brief an den EU-Kommissionschef Jose Manuel Durao Barroso und die Medienkommissarin Viviane Reding geschrieben, indem er diese persönlich bittet, den ihm nicht passenden Teil einfach zu streichen. Tolles Demokratieverständnis. Im Rahmen der ersten Lesung haben sich von den EU-Abgeordneten letztendlich 573 zu 74 für den oben zitierten Text ausgesprochen. Unter den 74 Gegnern finden sich aber überdurchschnittlich viele französische Konservative.

Die EU-Kommission antwortete jetzt mit einer Pressemeldung auf den französischen Brief:

The European Commission invites the French government to discuss its views on Amendment 138 with ministers of the other 26 Member States. As the EU Telecoms Package is decided under the co-decision procedure, agreement of Parliament and Council is required before an amendment can become law.

Zwischen den Zeilen wird der Brief vor allem formell abgelehnt. Frankreich soll sich erstmal mit den anderen Staaten im EU-Rat am 27. November einigen und dort eine Mehrheit für den Änderungswunsch organisieren, bevor man darüber in den Verhandlungen mit dem EU-Parlament über einen „Gemeinsamen Standpunkt“ sprechen kann. Bleibt zu hoffen, dass dieser Punkt, wie vom EU-Parlament beschlossen, erhalten bleibt.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

8 Ergänzungen

  1. Sarkozy ist genau wie Belsuconi nur eine Marionette die den Interessen des Großkapitals folgt.
    Das ist nicht nur im Urheberrechtsbereich so sondern auch bei vielen anderen Dingen.

    Als Dankeschön kriegt er dann einen Urlaub auf irgendeiner Luxusjacht geschenkt oder Villa seiner Industriefreunde geschenkt, tja so läuft das nunmal in Frankreich.

  2. Warum liegen die Pressemitteilungen eigentlich nicht auf Deutsch vor? In der EU wird in erster Linie Deutsch gesprochen. Rund ein Viertel aller Europäer sind deutsche Muttersprachler … Das ist doch lästig, jedes mal auf eine Übersetzung warten zu müssen, um zu erfahren, was diese Plutokraten über unsere Köpfe hinweg entschieden haben.

    Oder ist das bereits Ausdruck der Arroganz der Macht?

    1. Meist liegen sie auch in deutsch vor. In diesem Fall hab ich die PM in der englischen Version weitergeleitet bekommen und hatte keine Zeit, gross die deutsche Variante zu recherchieren.

    2. >Rund ein Viertel aller Europäer sind deutsche >Muttersprachler
      Ja, aber mehr als 3/4 aller Europäer verstehen Englisch. Und Du doch wohl auch, oder? Also musst Du auch nicht auf die Übersetzung warten.

      >Oder ist das bereits Ausdruck der Arroganz der Macht?
      Wer ist denn bitte arrogant? Die Portugiesen die sich erdreisten sich auf englisch zu verständigen oder die Franzosen oder die Spanier?
      Ich finde es eher bemerkenswert wie ignorant man als Deutscher sein kann zu behaupten in der EU würde in erster Linie Deutsch gesprochen.

      1. Rund 60% aller Deutschen sprechen kein Englisch. Sie haben es nicht einmal in der Schule gehabt. Von den restlichen 40% kommen 3/4 nicht über Schulenglischgestammel hinaus. Selbst wenn dir das in deinem begrenzten anglizistisch geprägten Umfeld nicht bewußt ist, weil du zu den 10% der Deutschen gehörst, die sich mit ihren Englischkenntnissen sehen lassen können.

        Die wichtigste Fremdsprache im ehemaligen Ostblock war abgesehen von dem aufgezwungenen Russisch die deutsche Sprache. Und wenn du dich in diesen Ländern mal bewegt hättest, dann wüsstest du, das der Fremdsprachenunterricht in diesen Ländern (übrigens auch in Skandinavien) im Gegensatz zum Fremdsprachenunterricht in Deutschland funktioniert. Die sprechen zum Teil sehr gutes Deutsch, können aber auf Englisch (das sie nach dem Mauerfall gelernt haben) allenfalls herumstammeln, ähnlich wie rund 30% der Deutschen.

        Wenn du also behauptest, das 3/4 aller Europäer Englisch verstehen, hast du ein sehr beschränktes Bild auf Europa.

        Nur weil das nicht in dein anglizistisches Weltbild passt, solltest nicht 90% aller Deutschen vom Informationsfluß abschneiden.

        Derweil leiste ich mir allerdings gern die Arroganz, auf deutschen Seiten keine englischen Texte zu lesen ;-)

  3. >neuen Behörde und in der Zusammenarbeit mit der Privatpolizei

    Was würde das wohl für eine Behörde sein? Irgendetwas unterhalb des Innenministeriums, eine Mischung zwischen Ordnungsamt und Polizei? :)

    Diese Behörde wäre dann eine Anlaufstelle die sich ausschließlich um die Belange der Unterhaltungsindustrie kümmert. Gibt’s dann eine Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.