Der Handy-Skandal: Wer schläft der sündigt nicht.

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Diese Woche machte es mal wieder Spaß Zeitung zu lesen. Viele hatten ja gedacht, dass es sowas wie einen globalen „Überwachungsskandal“ gibt. Seit Juni kamen dank Edward Snowden immer mehr Beweise ans Tageslicht, dass vor allem der US amerikanische Geheimdienst NSA und der britische GCHQ systematisch jegliche Kommunikation überwachen, abspeichern und analysieren – deswegen baut die NSA Datenzentren, die Yottabytes speichern. Was wir bisher u.a. wissen:

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Man könnte die Liste noch weiterführen. Aber der Eindruck verhärtet sich, dass es sich bei dieser „Überwachung“ um eine größere Sache handelt. Ja, man könnte von einem Skandal sprechen. Selbst das ansonsten eher gemächlich agierende Europäische Parlament hat seit Juni 7 Anhörungen verschiedener Experten im Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) abgehalten – und kam zum Ergebnis, dass die Überwachung durch USA und UK nicht wirklich legal sei. Außerdem wurde als Konsequenz ein Aussetzen des SWIFT-Abkommens gefordert – wenn auch mit 280:254 Stimmen äußerst knapp. Aber auch außerhalb der EU hat der „Überwachungsskandal“ große Wellen geschlagen. So fand Dilma Rousseff deutliche Worte vor der UN Generalversammlung in New York für die Überwachung und Wirtschaftsspionage durch die USA und Großbritannien.

Es scheint, dass sich einige Teile der Welt – maßgeblich jene, die nicht zu den Five-Eyes gehören – Sorgen machen, in was für einer Welt wir leben, in der die USA Informationsherrschaft um jeden Preis erlangen will – Total Information Awareness. Und was ist mit Deutschland? Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hat die „NSA-Affäre“ schon sehr früh für beendet erklärt. Einschlägige Fragen der Opposition an die Bundesregierung wurden abgewiegelt oder als ‚geheim weil geheim‘ deklariert. Gerade bei der CDU ist man der Meinung, dass dies überhaupt gar kein Thema der deutschen Politik sei, sondern einzig und allein eines der US Regierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel empfand das alles als so unwichtig, dass sie sich mit „Details“ nicht beschäftigen wollte – das sei gar nicht ihre Aufgabe. Innenminister Friedrich hat den USA Glauben geschenkt, war sich sicher dass sowas unter Freunden nicht geschieht und beteuert, dass alles aufgeklärt würde.

Hört man auf die deutsche Regierung sieht das alles auf einmal gar nicht so schlimm aus. Kein Skandal. Keine Grundrechtsverletzung. Kein flächendeckendes, verdachtsunabhängiges Überwachen. Keine Wirtschaftsspionage. Höchstens ein paar Ungereimtheiten. Und sowieso scheinen einige der Behauptungen Snowdens mehr als fragwürdig.

Das alles hat sich diese Woche geändert. Sowohl in der Presse, als auch in der Politik. Mit der Erkenntnis, dass nicht nur französische, brasilianische, italienische,  indische und mexikanische Regierungen, die Vereinten Nationen, das Europäische Parlament und die verschiedensten Botschaften durch die NSA und die GCHQ überwacht werden, sondern auch das Handy unserer Kanzlerin, wurde nun auch unsere Bundesregierung hellhörig.

Direkt wurde mit Obama telefoniert – sowas mache man nicht unter Freunden. Westerwelle hat sich mit US-Botschafter John B. Emerson getroffen – um darüber zu reden. Signar Gabriel übt Kritik an Kanzleramtsminister Ronald Pofalla – er hätte es zu schnell beendet. Die Grünen wollen eine Sondersitzung des Bundestages (da der ja noch nicht einberufen wurde so kurz nach den Wahlen). Die Süddeutsche Zeitung spricht von der „Affäre um Merkel-Handy„.

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nie den Überwachungsskandal als beendet erklärt habe.

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Bei all der Verwirrung steht jedoch zumindest Folgendes fest: Zum Einen ist es bezeichnend, dass das Handy unserer Kanzlerin abgehört werden muss, damit die Bundesregierung endlich die Lethargie in Bezug auf die globale Überwachung ablegt. Dieses Handy scheint wichtiger, als Europäische Union, Vereinte Nationen und Brasilien zusammen – von der Zivilbevölkerung mal ganz abgesehen.

Zum Anderen zeigt der „Handy-Skandal“ wie gut weite Teile der Presse der Regierung nach dem Mund redet. Vor dem Hintergrund anhaltender Enthüllungen zur globalen Überwachung und Menschenrechtsverletzungen ist das Betiteln des Abhörens des Handys unserer Kanzlerin als „Handy-Skandal“ eine Farce! Denn:

Es ist und bleibt ein Überwachungsskandal historischen Ausmaßes und das Handy unserer Kanzlerin nimmt in diesem einen vernichtend unbeduetenden Platz ein. Es ist kein Handy-Skandal, sondern seit der ersten Minute ist es ein Überwachungsskandal der Bevölkerung.

Dass unsere Regierung so überrascht scheint liegt letztlich nur daran, dass sie die letzten Monate verschlafen haben – aktiv und kollektiv. Einzige Hoffnung ist, dass nun Teile der Regierung und Opposition erkennen, dass Handlungsbedarf besteht – nicht für Angelas Handy, sondern für die Gesellschaft. Für uns.

Es ist kein Handy-Skandal. Es war und ist ein Überwachungsskandal, der uns alle betrifft und bedroht.

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15 Ergänzungen

  1. Es ist so unglaublich widerlich, dass es scheinbar völlig OK ist, die gesamte Bevölkerung zu überwachen. Aber wenn Mutti merkt, dass mit _alle_ auch sie gemeint ist, DANN ist es plötzlich ein Problem. WTF?

    1. sollte heißen:
      Die 1. Sitzung des Bundestages war am Dienstag…

      und ich wollte den Link auf genau die nicht erschienen Worte beschränken – offenbar war ich mit den HTMl-tags hier überfordert, Sorry!

  2. 7. Absatz
    „Regierungssprecher Georg Streicher“
    Der Herr Streicher… An den mußte ich den Zusammenhang auch denken. Lügen ist eben ein solide Handwerkskunst und daher nicht Jedermanns Sache. Also ein köstlicher, Freud’scher Vertipper.

  3. Hieß es aber nicht gerade aus CDU-Kreisen immer: „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten.“? Und jetzt regt sich ausgerechnet die Merkel so auf?

    … Naja, ich hab ja schon immer geahnt, dass mit der irgendwas nicht stimmt. Heheheheee!

  4. Unsere Bundesregierung ist nur deshalb so zögerlich mit klaren Stellungnahmen, weil sie ja selbst alles tut, um die deutsche Bevölkerung umfassend zu überwachen.

    Der eigene Überwachungswahn zur (angeblichen) „Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung“ würde ja plötzlich in einem ganz anderen Licht dastehen, wenn man genau das Gleiche bei den USA und Co. lautstark kritisiert.

    Ausserdem soll es ja wohl (mehr oder weniger geheime) Verträge geben, dass die USA Deutschland ganz offiziell bespitzeln und überwachen dürfen. Sowas kommt jetzt auch langsam raus.

    MfG Andy

  5. „im Ausschusses“ -> „im Ausschuss“
    „Signar Gabriel“ -> „Sigmar Gabriel“
    „nach dem Mund redet“ -> „nach dem Mund reden“
    „verschlafen haben“ -> „verschlafen hat“

  6. „Einzige Hoffnung ist, dass nun Teile der Regierung und Opposition erkennen“

    Die Opposition kann doch genau garnichts mehr machen, dank der SPD. Deutschland wird unter der SPD den Five Eyes beitreten, au man wird das toll.

    Und wir sollten nicht glauben, dass die SPD sich gegen ermächtigungsgesätze von totalitären wehrt. Hat ’33 schon nicht geklappt.

    1. Ich bin keine großer Fan der aktuellen SPD, aber hier liegst Du historisch daneben.

      Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 wurde gegen die Stimmen der SPD entschieden. Die Zentrumspartei „CDU“ stimmte dagen für die Änderung der GO und das Gesetz.

      Die genauen Zahlen zur Abstimmung findet man bei Wikipedia.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Erm%C3%A4chtigungsgesetz#Abstimmung

      O-Ton und O-Quellen gibt es auch bei Wikipedia. Ansonsten mal nach Otto Weis suchen.

      http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/downloads/img/weimar/ton/wels333.wav

  7. Bitte nicht wieder die Bevölkerung bashen, von denen sich der größte Teil tatsächlich nur aus Zeitung, Radio und Fernsehen informiert (bis spätestens 20:15). Ich habe den Versuch unternommen und vor der Wahl eine Woche lang keine Information mehr aus kritsichen Blogs gelesen. Fast hätte ich danach CDU gewählt… Da sah die Welt wirklich komplett anders aus, fast so, als wäre wirklich alles im Griff. Die Leute, die sich von Netzpolitik über AdSinistram und den Nachdenkseiten bis hin zu Feynsinn und Fefe querinformieren, sind bei aller Menge doch nur ein Häuflein von „Verschwörungstheoretikern“.

  8. Die aktuelle Propagandawelle über das Muttiphone ist völlig bedeutungslos. Alles nur Daily Soap, um uns die kommende Mitgliedschaft im Club der privilegierten Schnüffelpartner als politischen Erfolg verkaufen zu können.
    Was mich sehr viel mehr interessieren würde: Wie weit können britische Dienste und Privatfirmen gehen wenn sie alle Börsengeschäfte und sonstige Finanztransaktionen in Echtzeit von der Glasfaser frei Haus erhalten? Die technischen Möglichkeiten, Börsenkurse, Ratings, Firmenübernahmen und sonstige Kapitalflüsse zu steuern dürften nicht nur verlockend sein. Sie sind der allergrößte Beweggrund, alles und jeden uneingeschränkt abzuschnorcheln.
    Wäre es beispielsweise technisch möglich, eine Transaktion so zu manipulieren, dass die eigene Reaktion auf diese Transaktion einen Sekundenbruchteil eher gebucht wird, so wäre das finanzielle Perpetuum Mobile erfunden, seine Betreiber aller Sorgen ledig und mit Orden Ihrer Majestät behängt.
    Modernes Freibeutertum halt.

  9. Hört auf die Mär von Yottabytes zu verbreiten. Mehrere Exabytes, ja, aber keine Zetta- oder Yottabytes.

  10. Ich kann mir gut vorstellen, dass das was an die Öffentlichkeit gelangt ist nur die Spitze vom Eisberg ist und in Wirklichkeit viel breitflächiger abgehört wird. Aber sie werden nie alles zugeben, um sich nicht weiter reinzureiten.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.