KW 46Die Woche, in der die Omnibusse rollten

Die 46. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 20 neue Texte mit insgesamt 142.154 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal in grün, gelb pink, blau
Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser:innen,

mit Omnibussen assoziiere ich eigentlich gute Dinge. Sie sind für alle da, wie ihr lateinischer Namensursprung klarmacht. Omnibusse gibt es aber nicht nur im öffentlichen Nahverkehr, sondern auch in der Gesetzgebung. Und da ist der Omnibus diese Woche in meiner Gunst deutlich gesunken.

Genauer gesagt der „digitale Omnibus“, den die EU-Kommission bald offiziell präsentieren will. Vor rund einer Woche haben wir vorläufige Entwürfe zu dem Digitalgesetzespaket veröffentlicht. Es geht dabei um grundlegende Änderungen, etwa an der Datenschutzgrundverordnung und der KI-Verordnung der EU. Aber das sind keine Änderungen zum Guten für Nutzer:innen – mit dem Paket werden wichtige Grundsätze der Gesetze geschliffen.

Die Reaktionen waren deutlich: 120 zivilgesellschaftliche Organisationen nannten die Pläne den „größten Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“. Fraktionen aus dem EU-Parlament von Liberalen bis zu den Grünen sehen die Vorreiterrolle Europas in der Digitalpolitik bedroht.

Es ist aber nicht der einzige Omnibus, der wie ein Räumpanzer grundrechtliche Garantien mit der Schaufel aus dem Weg schafft. Das EU-Parlament stimmte am Donnerstag für das „Omnibus-I“-Paket – und schwächte damit das Lieferkettengesetz der EU extrem ab. Das torpediert nicht nur menschenrechtliche Standards, sondern die Europäische Volkspartei hat dafür auch eine Mehrheit mit den Rechtsaußen-Fraktionen erreicht und eine Brandmauer abgerissen.

Ich finde: Omnibusse, egal ob im Verkehr oder in der Gesetzgebung, sollten für alle da sein und nicht nur ein Geschenk an Unternehmen. Omnibusse, die allein im Zeichen des Bürokratieabbaus durch Grundrechte rasen, müssen wir stoppen.

Ein gutes Wochenende wünscht euch

anna

Uns fehlen dieses Jahr noch 303.302 Euro.

DegitalisierungSei ein Esel

Menschen sind irgendwie auch Herdentiere, die kopflos in eine Richtung mitlaufen. Im KI-Enthusiasmus müssen wir aber nicht blind aufgescheuchten Innovationsherdentieren folgen. Dafür brauchen wir vielleicht nur ein besseres Wappentier, das mehr Bewusstsein hat als jede sogenannte künstliche Intelligenz.

Lesen Sie diesen Artikel: Sei ein Esel

Palantir in Baden-WürttembergPolizei soll mit deinen Daten Software trainieren dürfen

Eine Änderung des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg soll der Landespolizei erlauben, Software mit personenbezogenen Daten zu trainieren und zu testen. Sie könnte damit auch Klarnamen oder Gesichtsfotos unschuldiger und unverdächtiger Personen in Systeme wie von Palantir einspeisen.

Lesen Sie diesen Artikel: Polizei soll mit deinen Daten Software trainieren dürfen

MenschenrechteDas Grundrecht auf digitale Integrität und sein Erfolg in der Schweiz

In immer mehr Kantonen in der Schweiz wird ein neues Grundrecht auf digitale Integrität verankert. In Zürich wird darüber am 30. November abgestimmt. Bislang verfängt das Konzept, welches das Persönlichkeitsrecht um das Digitale erweitern will, allerdings nur in der Schweiz.

Lesen Sie diesen Artikel: Das Grundrecht auf digitale Integrität und sein Erfolg in der Schweiz

„Trumpsche Gesetzgebungspraktiken“Max Schrems kritisiert Grundrechte-Kahlschlag

Die Europäische Kommission plant offenbar eine DSGVO-Reform mit der Abrissbirne. Der Datenschutzexperte Max Schrems und die Organisation noyb lassen kein gutes Haar an dem Vorschlag, den wir veröffentlichten. Die Pläne würden „40 Jahre europäische Grundrechtsdoktrin über den Haufen“ werfen.

Lesen Sie diesen Artikel: Max Schrems kritisiert Grundrechte-Kahlschlag

Interne DokumenteEU-Staaten wollen Chatkontrolle-Gesetz ohne weitere Änderungen

Die EU-Staaten wollen Internet-Diensten dauerhaft eine freiwillige Chatkontrolle erlauben. Viele Staaten bedauern, dass es keine ausreichende Mehrheit für eine verpflichtende Chatkontrolle gibt. Weitere Änderungen lehnen sie strikt ab. Wir veröffentlichen das eingestufte Verhandlungsprotokoll und den neuen Gesetzentwurf.

Lesen Sie diesen Artikel: EU-Staaten wollen Chatkontrolle-Gesetz ohne weitere Änderungen

„Künstliche Intelligenz“Ursula von der Leyen als Papagei der Tech-Bosse

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen macht sich die Übertreibungen der Tech-Bosse über „Künstliche Intelligenz“ zu eigen. Dagegen protestieren nun Wissenschaftler: Die EU sollte eher ein Auge auf die Fehlentwicklungen bei der KI haben, statt den Tech-Bossen die Füße zu küssen. Ein Kommentar.

Lesen Sie diesen Artikel: Ursula von der Leyen als Papagei der Tech-Bosse

Hungrig nach DatenDas geheimnisvolle KI-Programm von Europol

Die EU-Polizeiagentur Europol ist nicht nur an immer mehr Daten interessiert, sondern experimentiert auch mit KI-Tools, um sie zu verarbeiten. Ob automatische Einstufung von Missbrauchsdarstellungen oder Gesichtserkennung – den KI-Ambitionen stehen nur schwache Kontrollmechanismen gegenüber.

Lesen Sie diesen Artikel: Das geheimnisvolle KI-Programm von Europol

Digitaler Omnibus„Größter Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“

Die Europäische Kommission arbeitet an Plänen für einen Kahlschlag bei ihren Regeln für die digitale Welt. Das belegen unter anderem Dokumente, die wir veröffentlicht haben. Im Europäischen Parlament und in der Zivilgesellschaft formiert sich dagegen massiver Widerstand.

Lesen Sie diesen Artikel: „Größter Rückschritt für digitale Grundrechte in der Geschichte der EU“

Baden-WürttembergGrüne geben Polizeidaten für Palantir frei

Die grün-schwarze Regierung in Stuttgart winkt die automatisierte polizeiliche Datenanalyse und damit den Einsatz von Software von Palantir durch. Die Grünen machten das nach einem politischen Kuhhandel zu einem Nationalpark möglich. Eine „Experimentierklausel“ im Gesetz gibt außerdem polizeiliche Datenschätze für kommerzielle Unternehmen frei.

Lesen Sie diesen Artikel: Grüne geben Polizeidaten für Palantir frei

Digital Markets ActEU-Kommission unterstellt Google Diskriminierung von Nachrichtenseiten

Eine Spam-Richtlinie von Google führt womöglich dazu, dass Medien in den Suchergebnissen immer wieder ausgeblendet werden. In der Konsequenz verlieren sie Werbeeinnahmen. Grund genug für die EU-Kommission, um ein zweites Verfahren nach dem Digital Markets Act gegen den Konzern Alphabet zu eröffnen.

Lesen Sie diesen Artikel: EU-Kommission unterstellt Google Diskriminierung von Nachrichtenseiten
Noch 303.302 Euro für digitale Freiheitsrechte.

Bist Du auch Feuer und Flamme für Grundrechte? Dann unterstütze jetzt unsere Arbeit mit einer Spende.

0 Ergänzungen

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.