KW 10Die Woche, in der Tech-Medien die politische Berichterstattung anführten

Die 10. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 18 neue Texte mit insgesamt 169.955 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen.

Vielleicht ist es euch auch schon aufgefallen: In den vergangenen Wochen seit dem Amtsantritt von Donald Trump übernehmen Tech-Medien eine neue, sehr prominente Rolle in der Berichterstattung über die Ereignisse in den USA. Natürlich beschäftigen Trumps Machtübernahme und das brutale Tempo, mit dem er demokratische Institutionen angreift, auch die großen Medienhäuser. Doch ein Teil der besten Berichterstattung und Einordnung stammt von Tech-Medien und -Blogs, die bislang nicht unbedingt für ihren Politikjournalismus bekannt waren.

Allen voran das Tech-Magazin WIRED berichtet seit Anfang des Jahres unablässig über die zersetzenden Aktionen von Trumps Administration, mit einem besonderen Fokus auf die Rolle von Elon Musk und seiner Effizienz-Abteilung DOGE. Wer sind die zwanzigjährigen Tech-Brudis, die Musk losgeschickt hat, um die komplette Regierungsinfrastruktur zu übernehmen und Tausende Behördenmitarbeiter*innen zu feuern? Was haben sie alles innerhalb kürzester Zeit verbockt? Und wo sind die Parallelen zu Musks Machtübernahme bei Twitter?

All diese Recherchen und Analysen gehen auf das Konto von WIRED – einem Medium, das bislang eher für seine Start-up-Reportagen und Hochglanz-Fotostrecken zu den neuesten Gadgets bekannt war. (Offenlegung: Ich habe selbst als Redakteurin für den deutschen Ableger von WIRED gearbeitet).

In einer historisch guten Position

Die Gründe dafür fasst der Gründer des Blogs Techdirt Mike Masnick in einem seiner jüngsten Posts zusammen. Titel: „Warum Techdirt jetzt ein Demokratie-Blog ist“. Wohl niemand hat vorhergesehen, wie zentral die Rolle von Tech-Milliardär Elon Musk für Trumps autoritäre Machtübernahme werden würde.

Selbst der Harvard-Professor Stephen Levitsky, der seit 20 Jahren zu autoritären Machtübernahmen forscht, sagt, dass er so etwas noch nie gesehen hat. Es fehle ein Skript, so Levitsky, um vorherzusagen, wie sich diese beispiellose Konzentration von politischer, wirtschaftlicher und technologischer Macht in den Händen eines Mannes auswirken wird. Eines Mannes, der, wie inzwischen bekannt ist, nicht mal ein offizielles Amt in der Regierung inne hat und trotzdem Zugriff auf die Datenbanken der größten US-Behörden bekommt.

Tech-Journalist*innen sind in einer besonders guten Position, um diesen historischen Erstfall zu begleiten: Sie berichten zum einen schon länger über Musk und haben beobachtet, wie er bei der Übernahme der Plattform Twitter vorgegangen ist. Jetzt sehen sie die Parallelen zu dem, was Trump und Musk auf der nationalen Ebene veranstalten: etwa von „Meinungsfreiheit“ schwadronieren, während sie zugleich aggressiv gegen Kritiker:innen vorgehen.

Sie berichten aber auch schon länger über die Infrastruktur, die Trump derzeit unter seine Gewalt zu bringen versucht. „Deshalb ist die Perspektive des Technikjournalismus gerade jetzt so wichtig“, schreibt Mike Masnick. „Wir haben jahrzehntelang dokumentiert, wie Technologie und Unternehmertum demokratische Institutionen entweder stärken oder untergraben können. Wir kennen die Gefahren der Machtkonzentration im digitalen Zeitalter. Und wir haben in Echtzeit miterlebt, wie Tech-Führungskräfte, die einst für Innovation und Offenheit eintraten, nun aktiv daran arbeiten, die Kontrolle zu konsolidieren und genau die Systeme zu demontieren, die ihren Erfolg ermöglicht haben.“

Was WIRED, Techdirt, 404 und andere Tech-Medien derzeit machen, ist Kernaufgabe des Journalismus. Sie vermelden nicht einfach, was die Mächtigen sagen. Sie legen offen, was sie tatsächlich tun: Sie sprechen mit Quellen, graben nach Dokumenten und machen mit ihrer investigativen Berichterstattung öffentlich, was passiert. Und sie ordnen ein, wie sich die Handlungen auswirken, wie sie die Demokratie Stück für Stück zersetzen.

Derzeit sieht es nicht danach aus, als würde ihnen bald die Arbeit ausgehen.

Bleibt zuversichtlich

Chris

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