Die EU-Staaten finden keine gemeinsame Position zur Chatkontrolle. Seit anderthalb Jahren verhandeln sie den Gesetzentwurf der EU-Kommission. Das EU-Parlament hat sich auf eine abgeschwächte Form geeinigt. Um das Gesetz noch vor der Europawahl im Juni zu beschließen, müssen die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat bald starten. Doch die Staaten sind sich uneinig.
Das geplante Gesetz soll Internetdienste verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchsuchen und strafbare Kinderpornografie an ein EU-Zentrum weiterzuleiten. Doch der Juristische Dienst der EU-Staaten kritisiert: Private Daten massenhaft und anlasslos mitzulesen ist illegal und wird vor Gericht scheitern. Trotzdem halten EU-Kommission und Ratspräsidentschaft daran fest.
Anlasslos und massenhaft
Unter den EU-Staaten gehen die Meinungen stark auseinander. Viele Staaten befürworten die Chatkontrolle, andere lehnen sie ab. Schon 24 Mal haben die Regierungen in der Arbeitsgruppe Strafverfolgung verhandelt. Doch die spanische Ratspräsidentschaft erkennt an, dass die EU-Staaten ihren aktuellen Gesetzvorschlag „nicht in ausreichendem Maße unterstützen“.
Insbesondere zur Chatkontrolle haben einige Staaten „Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit“. Das EU-Parlament teilt diese Bedenken und fordert, die Chatkontrolle auf unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu beschränken.
Doch Spanien ist nicht bereit, unverdächtige Personen, verschlüsselte Inhalte oder Audiokommunikation von der Chatkontrolle auszunehmen. Stattdessen schlägt die Ratspräsidentschaft vor, in den Inhalten Unverdächtiger zunächst nur nach bekannter Kinderpornografie zu suchen und erst später nach unbekannten Inhalten und Grooming.
Frankreich jetzt auch dagegen
Diesen Vorschlag diskutierten die Ständigen Vertreter der EU-Staaten auf ihrem Treffen Mitte Oktober. Wir veröffentlichen ein weiteres Mal das eingestufte Protokoll der Sitzung.
Demnach unterstützen nur 13 Staaten den Kompromissvorschlag der Ratspräsidentschaft. Manche Staaten wie Italien, Rumänien und Griechenland waren schon immer dafür. Bulgarien und Zypern geht schon der Kompromiss zu weit, sie wollen gleich nach unbekannten Inhalten und Grooming suchen.
Acht Staaten prüfen den Kompromissvorschlag noch. Dazu zählen Schweden, Portugal und Finnland, die sich weiterhin schwer tun, eine Position zu finden.
Relativ neu im Kreis der Kritiker ist Frankreich. Bis August führte das rechte Innenministerium die Verhandlungen und war für die Chatkontrolle. Im September wanderte das Thema „auf höchste politischer Ebene“ – zur eher linken Premierministerin. Seitdem sieht Frankreich „Probleme bei der Verhältnismäßigkeit“ und hat „Vorbehalte bezüglich verschlüsselter Kommunikation“.
Sperrminorität dagegen
Fünf Staaten lehnen den spanischen Vorschlag ab. Polen fordert weiterhin, die Chatkontrolle auf verdächtige Personen zu beschränken. Eine Chatkontrolle bei Unverdächtigen ist unverhältnismäßig und illegal. Der aktuelle Vorschlag löst dieses Problem nicht.
Österreich sieht „nach wie vor grundrechtliche und datenschutzrechtliche Probleme“. Estland will verschlüsselte Kommunikation besser schützen. Slowenien kann den aktuellen Vorschlag nicht unterstützen.
Auch Deutschland lehnt den Vorschlag der Ratspräsidentschaft ab. Die Bundesregierung hat im April Forderungen aufgestellt, ohne die sie dem Gesetz nicht zustimmen kann. Keine der deutschen Forderungen wurde bisher angenommen.
Ende September hat die Bundesregierung vorgeschlagen, den Gesetzentwurf aufzuteilen. Allgemein akzeptierte Vorschriften wie das EU-Zentrum können schnell beschlossen werden, umstrittene Teile wie die Chatkontrolle sollen später diskutiert werden. Mittlerweile ist dieser Vorschlag offiziell öffentlich. Doch Kommission und Ratspräsidentschaft lehnen die deutsche Idee ab, auch unter den Staaten sind nicht viele dafür.
Keine Einigung im Rat
Die spanische Ratspräsidentschaft versucht seit Monaten, eine Einigung unter den EU-Staaten zu finden. Ursprünglich sollten die Justiz- und Innenminister schon im September eine gemeinsame Verhandlungsposition beschließen. Doch auch nach 24 Sitzungen der Arbeitsgruppe konnten sich die Staaten nicht einigen, also hat die Präsidentschaft die Abstimmung verschoben.
Deshalb hat Spanien die neue Idee vorgeschlagen und das Thema auf die Ebene der Ständigen Vertreter gehoben. Nach der Sitzung wollte Spanien einen neuen Gesetzestext vorlegen, den die Justiz- und Innenminister im Oktober beschließen sollten.
Doch auch daraus wurde nichts. Der angekündigte Gesetzestext existiert bis heute nicht – „aufgrund politischer Entwicklungen“, wie uns der Rat schreibt. Spanien hat keine Mehrheit für die Chatkontrolle und deshalb die Abstimmung zum zweiten Mal vertagt.
Das Bundesinnenministerium hat dem deutschen Vertreter in Brüssel zur Vorbereitung des Treffens eine Weisung erteilt, die wir ebenfalls veröffentlichen. Demnach begrüßt Deutschland die Verschiebung „ausdrücklich“. Deutschland lehnt eine Chatkontrolle „privater verschlüsselter Kommunikation“ weiterhin ab.
Mehrheit nicht in Sicht
Damit ist eine Einigung der EU-Staaten weiterhin nicht in Sicht. Bei formalen Abstimmungen braucht der Rat eine qualifizierte Mehrheit. Allerdings können vier Staaten mit mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung eine Sperrminorität bilden und die Entscheidung blockieren.
Eine Verhandlungsposition für den Trilog können die Staaten allerdings auch ohne eine formale Abstimmung bestimmen. Das können auch die Ständigen Vertreter beschließen, das müssen nicht die Justiz- und Innenminister tun. Trotzdem braucht die Ratspräsidentschaft ausreichend Rückendeckungen für die Verhandlungen, denn die Staaten müssen das finale Verhandlungsergebnis letztlich formal annehmen.
Die spanische Ratspräsidentschaft hat seit Wochen keinen neuen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Entgegen aller Ankündigungen hat sie das Vorhaben nicht auf die anstehenden Tagesordnungen der Ständigen Vertreter gesetzt. Am 1. Dezember will die Ratspräsidentschaft die Arbeitsgruppe Strafverfolgung lediglich über den „Stand der Dinge“ informieren.
Druck auf Einzelstaaten
Gleichzeitig macht auch die Kommission Druck. Sie hat das Thema auf das Treffen der Justiz- und Innenminister am 5. Dezember gesetzt und will dort „informieren“.
Den Institutionen läuft die Zeit davon. Wenn sie das Gesetz noch vor der Europawahl beschließen wollen, müssen sich die EU-Staaten untereinander und dann Rat und Parlament im Trilog bald einigen.
Befürworter der Chatkontrolle versuchen, das Gesetz zu retten. Einige Kinderschutz- und Lobby-Organisationen nutzen den moralischen Druck des Themas. Die spanische Ratspräsidentschaft führt Einzelgespräche mit den kritischen Staaten. Nur zu einem scheinen sie nicht bereit: einen Vorschlag zu machen, der legal und verhältnismäßig ist.
Hier die Dokumente in Volltext:
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 14.10.2023
- Von: Ständige Vertretung der BRD bei der EU in Brüssel
- An: Auswärtiges Amt
- Kopie: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BKAmt, BMF
- Betreff: AStV 2 am 13.10.2023
- Hier: Vorbereitung der Tagung des JI-Rates am 19./20. Oktober 2023: (ggf.) CSA–VO
- Zweck: Zur Unterrichtung
- Geschäftszeichen: 350/80.4
AStV 2 am 13. Oktober 2023
I. Zusammenfassung und Wertung
AStV erörterte den Entwurf der CSA–VO auf Grundlage des Kompromissvorschlages des Vorsitzes in Dok. 12826/23. Dieser sieht vor, die Einbeziehung bisher unbekannten Kindesmissbrauchsmaterials unter eine „Aktivierungsklausel“ (Durchführungsrechtsakt des Rates) zu stellen und für die Einbeziehung von Grooming eine „Überprüfungsklausel“ (neuer Gesetzesvorschlag der KOM) vorzusehen.
IRL, DNK, LVA, SVK, HUN, GRC, ROU, MLT, LTU, CYP, BGR und HRV unterstützten den Kompromissvorschlag des Vorsitzes. Auch KOM hielt diesen für tragfähig. ITA unterstützte den Kompromissvorschlag des Vorsitz grundsätzlich, man benötige aber nun einen konkreten Gesetzestext. SWE legte einen positiven PV ein. POL und EST wiesen darauf hin, dass der Kompromissvorschlag die von ihnen geltend gemachten Probleme nicht löse. Ich plädierte dafür, die CSA–VO von der TO des JI-Rats zu nehmen und die Abstimmung zu verschieben. Wir könnten der VO auf Grundlage des jetzigen Vorschlags nicht zustimmen. Im Übrigen verwies ich nochmals auf unsere im Positionspapier vom 13.04.2023 und im one pager vom 27.09.2023 dargelegten Forderungen und Vorschläge. AUT sah nach wie vor grund- und datenschutzrechtliche Probleme. BEL, FRA, NLD, LUX, PRT, CZE und FIN legten einen PV ein. SVN erklärte, den Kompromissvorschlag des Vorsitzes nicht unterstützen zu können.
Vorsitz schlussfolgerte, das eine wachsende Anzahl von MS „positiv eingestellt“ sei und kündigte an, für den AStV am 18.10.2023 einen konkreten Textvorschlag vorzulegen.
II. Im Einzelnen
Vorsitz wies darauf hin, dass er eine partielle allgemeine Ausrichtung beim Innenrat am 19.10.2023 anstrebe. Artikel 42 über die Auswahl des Sitzes des neuen EU-Zentrums werde dabei ausgenommen. Über den Sitz müsse in einem späteren interinstitutionellen Verfahren nach dem Vorbild der Anti-Geldwäsche-Agentur (AMLA) entschieden werden.
Vorsitz erläuterte sodann seinen in Dok. 12826/23 dargestellten Ansatz. Demnach solle der Anwendungsbereich der Aufdeckungsanordnungen auf bekanntes Kindesmissbrauchsmaterial (CSAM) beschränkt werden, jedoch mit Maßgaben zur möglichen zukünftigen Einbeziehung von bisher unbekanntes CSAM und Grooming. Die zukünftige Ausdehnung auf bisher unbekanntes CSAM solle mit einer „Aktivierungsklausel“ von der Annahme eines Durchführungsrechtsakts des Rates abhängig gemacht werde. Die zukünftige Anwendung auf Grooming solle mit einer „Überprüfungsklausel“ von einem neuen Gesetzesvorschlag der KOM abhängig gemacht werden, über den dann EP und Rat in Mitentscheidung beschließen müssten. Verschlüsseltes Material müsse vom Anwendungsbereich der VO erfasst sein.
Vorsitz bat Delegationen um Stellungnahme, ob sie seinem Kompromissvorschlag zustimmen könnten.
KOM dankte Vorsitz für die Priorisierung des Dossiers. Man brauche dringend einen nachhaltigen Rechtsrahmen, um nach Auslaufen der Interims-VO kein Vakuum zu haben. Die von DEU vorgeschlagene Aufsplittung der VO mache keinen Sinn und beeinträchtige die Konsistenz der VO.
IRL, GRC, LTU, CYP und BGR begrüßten den Kompromissvorschlag des Vorsitz als innovativen Ansatz und unterstützten ihn. Die Zeit laufe der EU davon, man müsse jetzt handeln. CYP und BGR erklärten, dass die direkte Anwendung der VO auf bisher unbekanntes Missbrauchsmaterial und Grooming aber eigentlich noch besser sei.
POL machte geltend, dass der Vorschlag des Vorsitz die von ihnen bereits in der Vergangenheit vorgetragenen Probleme nicht löse. Man brauche weitere Diskussionen, um die VO verhältnismäßig zu machen.
Ich plädierte dafür, die CSA–VO von der TO des Innenrates am 19.10.2023 zu nehmen. Auf Grundlage des jetzigen Vorschlags des Vorsitzes könnten wir der VO nicht zustimmen. Im Übrigen verwies ich nochmals auf unsere im Positionspapier vom 13.04.2023 und im one pager vom 27.09.2023 dargelegten Forderungen und Vorschläge.
BEL legte einen PV „bis nächste Woche“ ein.
DNK erklärte, den Kompromissvorschlag akzeptieren zu können, man brauche Rechtsvorschriften zum besseren Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch.
AUT sah den derzeitigen Entwurf aus strafrechtlicher Sicht als gut an, er werfe aber nach wie vor grundrechtliche und datenschutzrechtliche Probleme auf.
LVA unterstützte des Kompromissvorschlag des Vorsitzes und kündigte an, dazu noch zusätzliche Punkte einbringen zu wollen.
FRA legte einen PV ein und sah noch Probleme bei der Verhältnismäßigkeit. Hierzu solle JD-Rat „Hinweise“ geben. Man habe auch noch Vorbehalte bezüglich verschlüsselter Kommunikation und brauche mehr Klarheit.
NLD erklärte, derzeit noch keine Position zu haben.
SVK unterstützte den Kompromissvorschlag des Vorsitzes. Allerdings sei zu erwägen, die „Aktivierungsklausel“ sowohl für bisher unbekannntes Missbrauchsmaterial als auch für Grooming anzuwenden.
EST zeigte sich grundsätzlich einverstanden mit dem Vorschlag des Vorsitz, plädierte aber für eine Stellungnahme von JD-Rat zur „Aktivierungsklausel“. Allerdings sei derzeit verschlüsselte Kommunikation im VO-Text nicht hinreichend geschützt, hieran müsse man weiter arbeiten.
LUX legte aus formalen Gründen einen PV ein, da man derzeit nur eine geschäftsführende Regierung habe.
HUN erklärte, den Kompromissvorschlag des Vorsitzes unterstützen zu können und seine Kommentare aus der letzten Sitzung der RAG Strafverfolgung aufrechtzuerhalten.
CZE betonte, dass die CSA–VO ein grundsätzlich wichtiges Dossier, die dortige Position aber noch offen sei.
ITA sah in dem Kompromissvorschlag des Vorsitzes eine gute Lösung, man benötige nunmehr aber einen konkreten Gesetzestext.
FIN legte einen PV ein („suchen noch nach Position für nächste Woche“) und erklärte, dass der Vorschlag des Vorsitzes in die richtige Richtung gehe. Man müsse aber den Gesetzestext sehen und das richtige Gleichgewicht finden.
SWE mit positivem PV. Der Kompromissvorschlag des Vorsitz gehe in die richtige Richtung. Man müsse aber bestimmte Dienstleistungen noch aus dem Anwendungsbereich der VO ausschließen.
PRT legte einen PV ein und forderte eine Stellungnahme des JD-Rat. Man habe noch gewisse Vorbehalte. Bezüglich verschlüsselter Kommunikation und Client-Side-Scanning benötige man noch mehr Informationen der KOM zur Verhältnismäßigkeit.
ROU unterstütze ebenso wie HRV den Kompromissvorschlag des Vorsitzes und plädierte dafür, den Trilog mit dem EP alsbald aufzunehmen.
MLT erklärte, den Vorschlag des Vorsitzes grundsätzlich mittragen zu können, der zweistufige Ansatz sei eine gute Lösung.
SVN teilte mit, den Kompromissvorschlag des Vorsitz nicht unterstützen zu können.
JD-Rat wies darauf hin, dass die Bestimmungen der VO verhältnismäßig sein müssten. Der Eingriff in Grundrechte müsse minimal sein. Die Frage der Verschlüsselung sei eine „politische Angelegenheit“ und nicht relevant für rechtliche Fragen. Für einen Durchführungsrechtsakt brauche man einen klaren Rahmen und er müsse durch einen Erwägungsgrund gerechtfertigt werden.
KOM erklärte, dass im Laufe der bisherigen Diskussion über den VO-Entwurf viele Fragen „klarer geworden seien“.
Vorsitz schlussfolgerte nach der Tischrunde, dass eine wachsende Anzahl an MS „positiv eingestellt“ sei und kündigte an, für den 18.10.2023 einen konkreten Textvorschlag vorzulegen.
- Geheimhaltungsgrad: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
- Datum: 18.10.2023
- Von: BMI, Referat CI 6 – Grundsatz Cyberfähigkeiten der Sicherheitsbehörden
- An: Auswärtiges Amt, EU-Koordinierungsgruppe
- Beteiligt: BMI (CI 8, ÖS I 1, ÖS I 4, E 2), BMJ, BMDV, BMFSFJ, AA, BMF, BMWK, BKAmt
- Betreff: 2914. AStV-2 am 18. Oktober 2023
- Hier: Tagung des JI-Rats am 19./20. Oktober 2023, (ggf.) CSA–VO, partielle allgemeine Ausrichtung
Weisung
1. Ziel des Vorsitzes
Vorsitz informiert über Art der Befassung des Rates Justiz/Inneres am 19. Oktober 2023.
2. Deutsches Verhandlungsziel/Weisungstenor
- Für den Fall, dass der TOP CSA–VO von der Tagesordnung des Innenrates genommen wird, begrüßen wir dies – wie im AStV am 13. Oktober 2023 angeregt – ausdrücklich.
- Wir bitten Vorsitz höflich um Erläuterung der weiteren Behandlung der CSA–VO. Wann können wir mit der Übersendung des angekündigten Kompromisstextes (Nr. 14079/23) rechnen?
- Wiederholung deutlichen Hinweises auf Ablehnung des Vorschlags der Präsidentschaft, an Maßnahmen zum Scannen privater verschlüsselter Kommunikation festzuhalten. Bekräftigung DEU Forderung nach einer Aufteilung des VO–E in einen „wesentlich strittigen“ (umfasst alle Aufdeckungsanordnungen) und einen „wesentlich unstrittigen“ Teil (dazu wurde am 27.09.2023 ein One-pager übermittelt und am 12.10.2023 im Delegates Portal hochgeladen).
- Im Übrigen Festhalten an DEU Positionen gemäß DEU Stellungnahme (vom 13.04.2023).
3. Sachstand
Nachdem Vorsitz im AStV am 13.10. angekündigt hatte, im JI-Rat Allgemeine Ausrichtung annehmen zu wollen, wurde kurzfristig kein Textvorschlag übermittelt. DEU hatte im AStV für eine Verschiebung des TOPs im JI-Rat votiert.
Für AStV am 13.10. hatte Vorsitz den MS folgende Vorgehensweise vorgeschlagen, um eine Mehrheit für eine allgemeine Ausrichtung zu erhalten:
- Der Anwendungsbereich der Aufdeckungsanordnungen wird auf bekanntes CSAM beschränkt.
- Die Aufdeckungsanordnungen sollen, wie im KOM–E vorgesehen und am 31.05.2023 im AStV bestätigt, auch verschlüsselte Dienste umfassen. Präventions- und Risikominimierungsmaßnahmen sollen (nicht näher spezifiziert) gestärkt werden.
- Bislang unbekanntes Material und Grooming sollen ggf. zu einem späteren Zeitpunkt in den Anwendungsbereich aufgenommen werden können, wenn seitens des EU-Zentrums festgestellt wird, dass dafür geeignete Technologien vorhanden sind. Für bislang unbekanntes CSAM sollen eine „activation clause“ und für Grooming eine „review clause“ eingefügt werden: Die Einbeziehung von bislang unbekanntem CSAM in den Anwendungsbereich im Rahmen der „activation clause“ soll dann auf Vorschlag der Kommission unter Einbeziehung des Rates erfolgen („implementing act“). Die Einbeziehung von Grooming durch die Ko-Gesetzgeber im Rahmen eines eigenständigen Legislativaktes.
- Die freiwilligen Maßnahmen auf der Grundlage der Interims-VO sollen im Hinblick auf unbekanntes Material und Grooming bis dahin fortgesetzt werden können.
Im AStV am 13.10. unterstützten IRL, DNK, LVA, SVK, HUN, GRC, ROU, MLT, LTU, CYP, BGR, ITA und HRV den Kompromissvorschlag des Vorsitzes grundsätzlich. Mehrere MS legten einen (teils positiven, teils nicht näher spezifizierten) Prüfvorbehalt ein, darunter BEL, FRA, NLD, PRT, LUX, SWE, CZE, FIN. Dagegen teilten DEU, AUT, POL, SVN und EST mit, dem Vorschlag nicht zustimmen zu können. Vorsitz schlussfolgerte, dass eine wachsende Anzahl von MS „positiv eingestellt“ sei und kündigte an, für den AStV am 18.10.2023 einen konkreten Textvorschlag vorzulegen.
Das durch Vorsitz vorgeschlagene Vorgehen würde DEU Forderungen nicht erfüllen: Am 13.04.2023 hat DEU eine erste grundsätzliche Stellungnahme vorgelegt und wesentliche Änderungen gefordert. Die DEU Forderungen zum Ausschluss verschlüsselter Kommunikation konnten allerdings bislang keine Mehrheit unter den MS finden. Am 27.09.2023 wurde ein DEU One-pager zur Forderung nach einer Aufspaltung des CSA–VO–E in einen wesentlich unstrittigen und einen strittigen Teil an die ESP-Präsidentschaft sowie die JI-Referenten in der RAG übermittelt. Eine Veröffentlichung im Delegates Portal durch die ESP-Präsidentschaft erfolgte erst mit deutlicher Zeitverzögerung am 12.10.2023. Auch diese Forderung konnte bislang keine Mehrheit unter den MS finden. Noch nicht alle MS haben sich zu der Veröffentlichung des One-pagers positioniert.
Bereits eine für den JI-Rat am 28.09.2023 geplante Einigung einer Allgemeinen Ausrichtung wurde kurzfristig abgesagt. DEU hatte im AStV für eine Verschiebung des TOPs im JI-Rat plädiert. Eine erste Befassung des AStV am 31.05.2023 unter SWE-Präsidentschaft hatte eine deutliche politische Unterstützung des durch KOM vorgesehenen Anwendungsbereichs, der auch verschlüsselte Kommunikation umfasst, ergeben. Unter CZE-Präsidentschaft wurde im JI-Rat am 08.12.2022 ein Fortschrittsbericht vorgelegt.
KOM hat am 11.05.2022 den Vorschlag für eine Verordnung zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern veröffentlicht. Ziel ist die Bekämpfung der Verbreitung von bereits bekannten und neuen Missbrauchsdarstellungen sowie die Verhinderung von Kontaktaufnahmen zu Kindern zu Missbrauchszwecken, sog. „Grooming“, (zusammengefasst: „CSAM“), im digitalen Raum. Der Entwurf verfolgt zwei wesentliche Regelungsbereiche:
- Abgestufte Verpflichtungen für Anbieter von Online-Diensten: Anbieter sollen zu einem Risikomanagement verpflichtet werden. Wird dabei ein „signifikantes“ Risiko festgestellt, können gezielten Aufdeckungsanordnungen erlassen werden. Erlangen Anbieter Kenntnis von CSAM auf ihren Diensten, muss dieses umgehend an das EU-Zentrum gemeldet werden. Anbieter sollen zur Entfernung einzelner oder mehrerer konkreter Inhalte verpflichtet werden können. Daneben ist die Verpflichtung für App-Stores vorgesehen, Kinder am Herunterladen von Apps zu hindern, die ein hohes Risiko für Grooming darstellen. Internetdiensteanbieter sollen zur Sperrung von URLs verpflichtet werden können.
- Errichtung eines EU-Zentrums: Gründung dezentraler Agentur mit Sitz in Den Haag und enger Angliederung an Europol. Aufgaben: Verwaltung von Datenbank mit Indikatoren, die bei der Aufdeckung von CSAM verwendet werden müssen; (kostenlose) Zurverfügungstellung von Aufdeckungstechnologien, zentrale Meldestelle, Betroffenenunterstützung. Auf Grundlage der am 14.07.2022 veröffentlichten EuGH-Entscheidung ist die Beteiligung der MS bei Sitzfragen mit KOM neu auszugestalten. Die durch KOM ursprünglich vorgesehene Governance-Struktur wurde im Laufe der Verhandlungen an etablierte Strukturen angeglichen.
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