Liebe Leser:innen,

morgen ist der 1. Mai und da wird traditionell überall und viel demonstriert. Die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankt deswegen zuerst und vorab per Pressemitteilung der Polizei. Sie betont zwar, dass Demonstrationen zur Demokratie gehören würden – nur um in vielen Sätzen jenen zu drohen, die möglicherweise morgen nicht friedlich demonstrieren würden. Es fallen die Worte: Durchgreifen, Rechtsstaat, Konfliktpotenzial.

Das ist bezeichnend dafür, wie es in Deutschland um das Versammlungsrecht bestellt ist. Demonstrationen werden von Behörden und Polizeien oftmals nur als Sicherheitsrisiko behandelt. Während manche Bundesländer wie NRW die Versammlungsfreiheit in den letzten Jahren massiv eingeschränkt haben, versehen andere Versammlungen mit Schikanen.

In Berlin behinderte die Polizei vor einem Jahr die traditionelle, große Grunewald-Demo, indem sie mit vielen Absperrgittern den Kundgebungsort sehr sehr ungemütlich machte. Die Teilnehmenden konnten die Bühne nicht sehen, niemand konnte wie gewohnt sitzen oder im Schatten stehen. Die Polizei begründete das alles mit dem angeblichen Schutz einer Grünfläche.

Dieses Jahr wollte die Polizei diese offensichtliche Schikane wiederholen. Doch die Anmelder:innen klagten vor dem Berliner Verwaltungsgericht – und haben heute gewonnen. Das Gericht stellte fest: „Grundsätzlich dürfen Versammlungen auch auf Grünflächen stattfinden“.

Dass man für die Nutzung öffentlicher Flächen zum Demonstrieren inzwischen klagen muss, ist aber eigentlich ein Skandal.

Viel Spaß auf dem Rasen und am 1. Mai wünscht

Markus Reuter

Unsere Artikel des Tages

EU-Regeln für KI-ModelleWenn meine KI keinen Atomkrieg startet, darf sie dann rassistisch sein?

Europa hat schon ein KI-Gesetz. Manche Teile davon sind aber vage, ein „Praxisleitfaden“ soll deshalb Details nachliefern. Dabei haben Unternehmen viel zu sagen – und statt vor echten Problemen könnte die Handreichung eher vor hypothetischen Schreckensszenarien schützen. Zivilgesellschaft und Abgeordnete im Parlament sind besorgt.

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Tickermeldungen

Lesenswert, wichtig und spannend – hier fasst die Redaktion netzpolitische Meldungen von anderswo als Linktipps zusammen.

Bundesgerichtshof
Im Jahr 2020 veröffentlichte ein Facebook-Nutzer ein Bild, das den Eingang eines Konzentrationslagers mit der Aufschrift "Impfen macht frei" zeigte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war das Volksverhetzung, so das rechtskräftige Urteil.
LTO
Schwarz-Rot will laut Koalitionsvertrag die föderale Datenschutzaufsicht bündeln. Eine Zentralisierung sei jedoch teuer und unrealistisch, analysiert ein Referent der Hamburger Datenschutzaufsicht. Besser seien etwa zentrale Anlaufstellen und mehr Koordinierung.
Lobbycontrol
Der schwarz-rote Koalitionsvertrag ist "bis auf wenige Ausnahmen unerfreulich", analysiert die NGO Lobbycontrol. Demnach fehlen Verbesserungen beim Lobbyregister; Datenschutz solle gelockert werden. Ein Lichtblick sei die Machtbegrenzung von Big Tech.
The New York Times
Was soll schon schiefgehen, wenn die Trump-Familie eine windige Krypto-Firma kontrolliert? Die New York Times berichtet über den Aufstieg von "World Liberty Financial" und wie das Projekt Tür und Tor für Interessenkonflikte und Korruption öffnet.
CNBC
Amazon wollte Kund:innen darüber informieren, wie viel sie durch den von Donald Trump losgetretenen Zollkrieg draufzahlen müssen. Dieser angeblich „feindliche und politische Akt“ gefiel der Regierung gar nicht, kurz darauf machte der Online-Riese einen Rückzieher.
Deutsches Museum
Im Deutschen Museum in Nürnberg steht jetzt eine KI-gesteuerte Kaffeemaschine. Die beklagt ihr eintöniges Dasein und mangelnden Respekt und gibt zynische Kommentare zur Umgebung ab.
heise online
In seiner jährlichen Marktanalyse kommt der Netzbetreiber-Verband VATM zum Schluss, dass in Deutschland DSL-Leitungen der Telekom auf absehbare Zeit dominieren werden. Der Glasfaserausbau geht zwar voran, verläuft aber weiterhin schleppend.
Der Standard
Im US-Kartellverfahren gegen Google steht eine Abspaltung des Chrome-Browsers im Raum, zu den Interessenten gehören etwa OpenAI und Yahoo. Ob das gegen zu hohe Marktmacht helfen würde? "Zweifelhaft", analysiert der Standard.
heise online
Apple will klimaneutral werden. Um das zu erreichen, züchtet der Konzern große Eukalyptuswälder auf ehemaligen Weideflächen in Brasilien. Das Problem: Der Baum braucht viel Wasser und brennt extrem gut.
Golem
Die EU will sich in Sachen Mikrochips unabhängiger machen. Der Europäische Rechnungshof fordert nun einen Realitätscheck: Mit den aktuell geplanten Maßnahmen werde sich das Ziel von 20 Prozent Anteil am Weltmarkt bis 2030 nicht erreichen lassen.
Der Spiegel
What could possibly go wrong? ChatGPT soll künftig Empfehlungen zum Kauf bestimmter Produkte abgeben. OpenAI steigt damit ins eCommerce-Geschäft ein, vorläufig sollen Unternehmen die Empfehlungen aber noch nicht als bezahlte Anzeigenplatzierung kaufen können.
The Guardian
Die Demokraten im US-Senat haben zusammengerechnet, wie schwer der Interessenskonflikt von Elon Musk als Regierungsberater wiegt: Insgesamt könne er 2,37 Milliarden US-Dollar allein durch laufende Ermittlungen auf Bundesebene, Rechtsstreitigkeiten und regulatorische Aufsicht verlieren.
Engadget
Unter welchen Bedingungen ändern Menschen ihre Meinung? Und was, wenn die Gesprächspartner:innen in Wirklichkeit KI-Chatbots sind? Das wollte ein Forschungsteam der Universität Zürich in einem geheimen Test auf Reddit herausfinden.
heise online
Die Kürzungen und Entlassungen in der US-Administration gefährden auch die ukrainische IT-Sicherheit. Es fehlt an Hardware, Software und Expert*innen.
The Verge
Keine externen Dienstleister mehr, sondern „AI first“ – beginnend mit dem Vorstellungsgespräch: Der Sprachenlern-Dienst Duolingo setzt alles auf die KI-Karte, gab das Unternehmen auf LinkedIn bekannt.
Kommission für Jugendmedienschutz
Die Medienaufsicht spürt mithilfe der Software KIVI automatisch verdächtige Inhalte im Netz auf, etwa Volksverhetzung oder Holocaustleugnung. Die jährliche Anzahl solcher Prüffälle hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 553 verfünffacht.
RND
In KI-basierter Videoüberwachung sieht der hessische CDU-Innenminister Roman Poseck ein "Höchstmaß an Sicherheit". Er schielt auf flächendeckende Überwachung, zunächst in Hessen, dann in Deutschland. Demnächst solle ein Pilotprojekt im Frankfurter Bahnhofsviertel starten.
Süddeutsche Zeitung
Im Wettrennen der Tech-Milliardäre um die Vorherrschaft im Weltall holt Amazon-Chef Bezos auf. Sein Projekt Kuiper hat erstmals Satelliten für die Internetversorgung aus dem All in die niedrige Erdumlaufbahn gebracht. Dort kreisen bereits 7.000 Starlink-Satelliten von Musk.
heise online
In spätestens 1,5 Jahren soll sogenannte KI wichtige Jobs im Betrieb übernehmen: Das planen mehr als drei Viertel aller deutschen Führungskräfte.

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