Zahlreiche Vertreter*innen aus Journalismus, Zivilgesellschaft und Aufsichtsbehörden äußern scharfe Kritik an den Plänen der Union zur Schwächung staatlicher Transparenz. Konkret geht es um die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) – ein Anliegen, das erstmals durch ein geleaktes Verhandlungspapier aus den laufenden Koalitionsverhandlungen öffentlich wurde.
Den Namen des Gesetzes kennen wohl vor allem Menschen, die Behörden kritisch auf die Finger schauen. Aber die Skandale, die dank des IFG aufgedeckt wurden, gehen immer wieder durch die breite Öffentlichkeit. Es ist eines der mächtigsten Mittel für staatliche Transparenz und öffentliche Kontrolle des Staates. Unter Berufung auf das IFG dürfen alle Dokumente vom Staat anfordern – und der darf das nur in Ausnahmefällen verweigern.
Doch der Union ist das IFG offenbar ein Dorn im Auge. Sie will das „Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form“ abschaffen, heißt es im Papier der Arbeitsgruppe für „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz“. Die Passage hat in dem Dokument die blaue Schrift der Unionsvertreter*innen, demnach hat die SPD dem nicht zugestimmt.
Zuerst darüber berichtet hatte FragDenStaat – also jenes Projekt, das so dezidiert wie kein anderes in Deutschland das Informationsfreiheitsgesetz für investigative Recherchen nutzt. Zugleich macht FragDenStaat es über das gleichnamige Portal für alle Interessierten besonders einfach, selbst IFG-Anfragen zu stellen und den Nachrichtenverlauf öffentlich zu dokumentieren. Projektleiter Arne Semsrott nannte das durch die Union bedrohte IFG einen „Pfeiler der Demokratie“.
Auf Anfrage von netzpolitik.org melden sich mehr als ein Dutzend Vereine, Organisationen und Institutionen zu Wort und sprechen sich vehement gegen eine Schwächung staatlicher Transparenz aus – darunter der Deutsche Journalisten-Verband, Transparency International und die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Louisa Specht-Riemenschneider.
dju: „Grundrecht, das nicht untergraben werden darf“
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vertritt die Interessen von Journalist*innen in Deutschland. Mit Blick auf die Unions-Pläne sagt Bundesvorsitzender Mika Beuster: „Das ist nicht nur ein Angriff auf die Informationsfreiheit, sondern ein Angriff auf unsere Demokratie. Wir fordern, dass der Koalitionspartner SPD dem Vorhaben nicht zustimmt und das Recht auf Information nicht abgeschafft wird.“
Die gewerkschaftlich verankerte Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) warnt vor einem „klaren Rückschritt für die Pressefreiheit und den demokratischen Diskurs“. Der Co-Vorsitzende Peter Freitag schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org: „Journalist*innen brauchen den Zugang zu Informationen, um ihre Arbeit unabhängig und im Interesse der Öffentlichkeit leisten zu können – ein Grundrecht, das nicht untergraben werden darf.“
Reporter ohne Grenzen setzt sich international für Pressefreiheit ein. Geschäftsführerin Anja Osterhaus betont, dass durch IFG-Anfragen schon viele Vorgänge von höchstem öffentlichen Interesse aufgedeckt wurden. „Das Gesetz darf nicht ersatzlos wegfallen, das wäre ein starker Einschnitt in die Informationsfreiheit und damit in unser aller Recht auf Information. Wir brauchen in Deutschland nicht weniger, sondern mehr Transparenz. Anstatt das Rad zurückzudrehen, braucht es eine moderne gesetzliche Weiterentwicklung.“
Der gemeinnützige Verein Netzwerk Recherche will Qualitätsjournalismus in Deutschland stärken. Der Verein fordert Union und SPD auf, staatliche Transparenz „mit einem weitreichenden und bürgerfreundlichen Gesetz zu stärken“.
Das gemeinwohlorientierte Medienhaus Correctiv steht für investigative Recherchen, die die Demokratie stärken. Chefredakteurin Anette Dowideit schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org von einer „schlechten Nachricht“ für eine funktionierende Demokratie: „Das IFG sorgt seit fast 20 Jahren dafür, Licht ins Dunkel der Arbeit von Bundesbehörden zu bringen – also jener Behörden, die für Bürgerinnen und Bürger arbeiten und ihnen deshalb über ihre Arbeit transparent Auskunft geben können und müssen. Die Union arbeitet jetzt offenbar daran, dieses Licht wieder auszuknipsen.“
„Unehrlichkeit gegenüber Wähler:innen“
LobbyControl deckt Einflussnahme auf Politik durch Interessenverbände auf. „Das IFG ist ein unverzichtbares Werkzeug“, schreibt der gemeinnützige Verein auf Anfrage. Viele Lobbyskandale seien ohne IFG nie ans Tageslicht gekommen „Den Zugang zu Informationen abzuschaffen oder einzuschränken, würde die Demokratie schwächen und die demokratische Kontrolle durch Medien und Zivilgesellschaft behindern.“
Abgeordnetenwatch.de ist ein Portal, mit dem Bürger*innen ihren Abgeordneten Fragen stellen können. Hinzu kommen eigene Recherchen zu zu Lobbyismus und Parteispenden. Geschäftsführerin Léa Briand warnt: „Deutschland gilt im internationalen Vergleich längst als Schlusslicht, wenn es um den Zugang zu amtlichen Informationen geht. Die nun geplante Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes wäre ein massiver Rückschritt“. Vielmehr sollten sich die Parteivorstände von CDU, CSU und SPD „für ein echtes Transparenzgesetz einsetzen, das staatliches Handeln proaktiv und automatisch offenlegt“.
Transparency International bekämpft international Korruption. Die Vorsitzende des deutschen Ablegers, Alexandra Herzog, weist ebenso darauf hin, dass es nicht weniger staatliche Transparenz brauche, sondern mehr. „Das Antikorruptionsgremium des Europarats stuft bereits die aktuelle Fassung des IFG in vielen Teilen als problematisch und unzureichend ein.“ In internationalen Rankings zur Informationsfreiheit stehe Deutschland hinten. „Dass nun die Union die Abschaffung des IFG fordert, ist außerordentlich irritierend, konnten doch Skandale dank des IFG aufgeklärt werden. Es grenzt zudem an Unehrlichkeit gegenüber den Wähler:innen, so eine weitreichende Forderung nicht im Wahlprogramm angekündigt zu haben.“
D64 versteht sich als progressiver, digitalpolitischer Verein. Co-Vorsitzender Erik Tuchtfeld sieht die geforderte IFG-Abschaffung als „Armutszeugnis“ für eine Arbeitsgruppe, die „Staatsmodernisierung“ im Namen trage. „Notwendig ist vielmehr der Ausbau des IFG zu einem umfassenden Transparenzgesetz für einen modernen, partizipativen Staat.“
Der Chaos Computer Club ist die größte Hackervereinigung Europas. CCC-Sprecher Linus Neumann schreibt: „Das Informationsfreiheitsgesetz ist der wichtigste Hebel für eine unabhängige öffentliche Kontrolle des Staats. Seine Abschaffung zu planen, lässt darauf blicken, was die Regierung sonst so vorhat.“
Mehr Demokratie ist ein Verein, der sich seit mehr als 30 Jahren für direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung einsetzt. Marie Jünemann, Projektleitung beim Thema Transparenz sagt: „Angesichts erstarkender autoritär-populistischer Kräfte brauchen die Menschen mehr denn je verlässliche, faktenbasierte Informationen. Politik und Verwaltung müssen endlich erkennen, dass sie selbst am meisten von starken Informationsfreiheitsrechten profitieren – denn wo Transparenz fehlt, wachsen Misstrauen und Verschwörungserzählungen.“
Der Verein Finanzwende versteht sich als Gegengewicht zur Finanzlobby. Co-Geschäftsführer Daniel Mittler sieht in den Unionsplänen einen „Frontalangriff auf Transparenz und demokratische Kontrolle“. Es sei gut, dass die SPD dem bisher nicht zugestimmt habe. Allerdings warnt er vor Zugeständnissen bei den laufenden Koalitionsverhandlungen. „Das IFG und die damit verbundene Transparenz muss demokratischer Konsens bleiben. Die SPD muss der CDU dies klar sagen und darf sie auf keinen Fall für die Aufgabe solcher fragwürdiger Extrempositionen auch noch belohnen.“
Bundesdatenschutzbeauftragte: „der völlig falsche Ansatz“
Scharfe Kritik gibt es auch von den zuständigen Aufsichtsbehörden. Auf Bundesebene ist das Louisa Specht-Riemenschneider. Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) schreibt auf Anfrage: „Informationsfreiheit hat eine überragende Bedeutung für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, denn Transparenz schafft Vertrauen in das Handeln staatlicher Institutionen. Das IFG abzuschaffen ist daher der völlig falsche Ansatz“.
Auf Landesebene haben wir nicht jede einzelne Behörde um ein Statement gebeten, sondern nur eine Auswahl. Die Berliner Beauftragte für Informationsfreiheit, Meike Kamp, schreibt: „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die öffentliche Verwaltung ist maßgeblich abhängig von der Transparenz ihres Handelns. Dafür muss sich die Verwaltung weiter öffnen statt sich zu verschließen.“ Ähnlich argumentiert ihr Amtskollege aus Baden-Württemberg, Tobias Keber: „Wir brauchen mehr Transparenz und nicht weniger.“
Der Thüringer Landesbeauftragte Tino Melzer warnt vor einem massiven Rückschritt durch die mögliche Abschaffung des IFG auf Bundesebene. Gerade durch mehr Transparenz könne man erreichen, „dass die Menschen den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung wieder mehr vertrauen.“
Greenpeace warnt vor Angriff auf EU-Gesetzgebung
Auf einen in der bisherigen Debatte oft vernachlässigten Aspekt geht Manfred Redelfs vom Investigativ-Team von Greenpeace ein. Laut Verhandlungspapier will die Union nämlich einem weiteren Gesetz an den Kragen: das Umweltinformationsgesetz (UIG) möchte sie demnach „verschlanken“.
Hierzu schreibt Redelfs auf Anfrage: „Das UIG kann zum Glück nicht so einfach gestutzt werden“. Anders als das IFG des Bundes basiere es auf einer EU-Richtlinie. Der Versuch, das UIG zu verschlanken, könne sich deshalb „sehr schnell als ein Angriff auf EU-Gesetzgebung erweisen“. Außerdem sende es „politisch ein fatales Signal von Geheimniskrämerei und Beschneidung von demokratischen Rechten.“
Amthor vernebelt, von Notz ist alarmiert
Der für den Aufschrei verantwortliche CDU-Verhandler Philipp Amthor hat bereits im Spiegel reagiert und zumindest versucht, zu beschwichtigen. Es gehe demnach nicht um eine ersatzlose Abschaffung des Gesetzes. Aber worum dann? Auf vernebelnde Weise spricht der Abgeordnete von „Neujustierung“, „Harmonisierung“ und „Austarieren“, liefert jedoch keine konkreten Anhaltspunkte, um die Bedenken auszuräumen. Stattdessen bringt er die „Arbeitsbelastung“ der Verwaltung ins Spiel – ein häufiges Argument gegen staatliche Transparenz.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz nannte das Unionsvorhaben „hochalarmierend“. Es müsse ausgebaut statt abgeschafft werden, wie der Stern mit Verweis auf die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Das IFG sei „auch und gerade für Journalistinnen und Journalisten essenziell, um Regierungshandeln zu kontrollieren.“
Wo sind bitte bei jedem, der einzelnen, Vorhaben und geplanten Gesetzesänderungen in besagtem Papier, die Freiheitlichen Grundrechte der Demokratie geblieben?
Wie kann bei so einem breiten Angriff auf die Grundrechte und die jeweiligen Freiheiten, welche diese als Menschenrechtliche Schutzmechanismen vor Autokratie schützen sollen, geblieben.
Wäre dann nicht gar möglich, einer Bewegung die jede Woche demonstriert und an ständig mehr Teilnehmenden Personen wächst, die für „Radikal mehr Freiheit und Demokratie“ fordert, ein leichtes, diese als „Extremismus-“ oder „Kriminelle Verejnigung“, entgegen der Öffentlichen Ordnung, durch Zivilen Ungehorsam, Massenkundgebungen etc. ggf. gar als Terrorismus erklärbar? Somit alle Tätigkeiten, Unterstützung und Zugehörigkeit (Beteiligung), dann möglich, dies als Strafbare Handlungen zu Verurteilen?
Wie soll man da noch an Verhältnismäßigkeit glauben, wo die Freiheitlich demokratischen Werte der Grundrechte, als höchstes Gut, gegenüber Autoritären Bestrebungen, nicht durch Staatliche Repression, eingeschränkt werden sollen, welche Unverhältnismäßig diese Freiheiten einschränken könnte?
Ist damit nicht jeglicher Massenbewegung, welche Regierungskritisch, die Öffentliche Ordnung stört und herausfordert: Extremismus und ggf. möglich zu bestrafen?
Es muß jedem vor der Wahl klargewesen sein, daß mit der CDU Bürgerrechte und Freiheiten abgebaut werden und wir uns immer mehr einem totalitären Staat annähern. Wenn schon die SPD Ministerpräsidentin des Saarlandes kritisiert, daß Informationen aus den Koalitionsverhandlungen öffentlich werden, wird klar welches verständnis die Beteiligten vom Souverän haben: Wir machen was wir wollen, und ihr habt gefälligst die Klappe zu halten. Schöne Demokratie. Aber wie immer, die schlimmsten Feinde kommen von innen.
Man könnte in diesem Artikel zumindest kurz einen anderen aktuellen Atikel zum Thema zitieren:
„Verhandlungsführer bei diesem Thema ist ausgerechnet Philipp Amthor. Durch das besagte Gesetz wurden Dokumente von Amthors Augustus-Intelligence-Skandal öffentlich.“
https://netzpolitik.org/2025/koalitionsverhandlungen-union-will-informationsfreiheitsgesetz-abschaffen/
Ein Schelm eer böses dabei denkt…
Transparenz wirkt gegen Korruption.
Wer gegen Transparenz wirkt, befördert Korruption.
Wenn Politiker Korruption befördern, unter dem Vorwand Bürokratie abzubauen, dann ist Demokratie in Gefahr.
.Man sollte alles offen darlegen können, was in den Ämtern so geschieht. Und nicht den Mund verbieten. Die Menschen in diesem Land haben das Recht auf die Wahrheit.
warum habt ihr fler nicht mitaufgenommen? er hat das gegenüber dem axelspringer-verlag sehr wortgewandt alles auf den punkt gebracht! warum verschweigt ihr ihn, seid ihr etwa… fanboys?
hat sicher schon mal wer gehört: den bock zum gärtner machen. wer wohl damit jetzt gemeint ist?