In der Europäischen Union wirft man bereits seit Längerem einen kritischen Blick auf Microsoft: Einerseits aufgrund der zunehmenden Technologieabhängigkeit, andererseits aber auch wegen der Bedenken in Sachen Cybersicherheit und Datenschutz nach immer wiederkehrenden Vorfällen. Letztes Jahr etwa flossen durch eine Kompromittierung der Microsoft Cloud in den USA sicherheitsrelevante Daten aus dem US-Außenministerium nach China ab.
Die europäische Sicht auf die nach wie vor durch die Vereinigten Staaten getriebene internationale Entwicklung im Technologiesektor ist speziell: Viele der Tendenzen, die sich zuerst in den USA abzeichnen, kommen in der EU erst mit einigen Monaten Verspätung an und entwickeln sich erst dann zum Gegenstand politischer Diskussionen.
Europäische Regierungen können keinen Einsatz von Software verantworten, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist
So auch der jüngste Deal zwischen Microsoft und dem amerikanischen Datenanalyseunternehmen Palantir Technologies, der nicht nur von den beiden Konzernen, sondern auch von den Aktionären gefeiert wird.
Für kritische nationale US-Sicherheitsoperationen soll es dadurch möglich sein, Microsofts große Sprachmodelle über die Azure Cloud innerhalb der KI-Plattformen von Palantir in Microsofts Regierungs- und klassifizierten Cloud-Umgebungen zu nutzen.
Was in den USA aufgrund der dortigen sicherheitspolitischen Agenda wie ein gewöhnliches Vorgehen erscheint, dürfte in der Europäischen Union deutlich kritischer betrachtet werden, denn insbesondere Palantir hat hier aufgrund auch von Amnesty International angeprangerter Menschenrechtsverletzungen einen schweren Stand.
Doch nicht nur das: Der behördliche Einsatz von Analysetools ist aufgrund der strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen in der EU hoch umstritten, so beispielsweise in Deutschland, wo Datenanalysesoftware von Palantir zwar seit diesem Sommer in Bayern eingesetzt wird, von Experten und Juristen jedoch im Vorfeld erhebliche Kritik geäußert wurde.
Die aktuellen Entwicklungen in der Zusammenarbeit von Microsoft und Palantir dürften deshalb perspektivisch in der Europäischen Union dazu führen, dass die Rolle nicht nur von Palantir, sondern auch von Microsoft Cloud Services noch strenger als bislang hinterfragt wird, denn europäische Regierungseinrichtungen können politisch keinen Einsatz von Cloud-Produkten und Software eines Anbieters verantworten, der sich an internationalen Menschenrechtsverletzungen beteiligt.
China ist nach wie vor einer der größten Microsoft-Kunden
Doch auch in den Vereinigten Staaten sollte diese politische Dimension weitaus stärker als bislang berücksichtigt werden, wenn es um Aktivitäten privater Konzerne in Bereichen geht, die für die nationale Sicherheit relevant sind.
So wurde in einer ausführlichen Studie jüngst festgestellt, dass Microsoft nicht nur ein großer Zulieferer der US-Regierung ist, sondern nach wie vor intensive Wirtschaftsbeziehungen auch mit China unterhält. So ist China weiterhin der weltweit zweitgrößte Markt für Microsofts Informations- und Kommunikationstechnologie, und durch die Cloud Plattform Azure PRC erhalten über 900 Millionen chinesische Abonnenten den gleichen Zugriff auf KI-Tools wie Nutzer in den Vereinigten Staaten. Derlei strategische Entscheidungen eines Unternehmens sind letztlich eine Schnittstelle für den Import von US-amerikanischer Technologie in die Volksrepublik China.
Doch damit nicht genug: Mit der Nutzbarmachung von US-Technologie in China stellen sich ebenso menschenrechtliche Fragen: So beschreibt die Studie den Einsatz von Microsoft Cloud Services nicht nur für chinesische militärische Zwecke, sondern ebenso zur Unterdrückung und Diskriminierung von Minderheiten wie den Uiguren und für Überwachung und Zensur.
Wirtschaftlicher Gewinn auf Kosten digitaler Bürgerrechte
Mit Blick auf all diese Erkenntnisse hinter den Vorhang der vertieften Kooperation zwischen Microsoft und Palantir wird deutlich, dass es um die Dinge nicht so positiv steht, wie es nach außen hin medial vermarktet wird und erscheint. Wenn sich zwei globale Tech-Unternehmen zusammentun, um die nationale Sicherheit zu verteidigen, ist das eine Sache. Aber wenn dafür gleichzeitig an anderer Stelle gravierende Menschenrechtsverstöße in Kauf genommen werden, steht dies auf einem gänzlich anderen Blatt.
Die Aktionäre mögen vielleicht über den kurzfristigen wirtschaftlichen Zugewinn jubeln, für die digitalen Bürgerrechte nicht nur in der Europäischen Union ist die neu proklamierte Zusammenarbeit zwischen Microsoft und Palantir jedoch ein herber Verlust.
Zwei Unternehmen, die in den letzten Jahren den Datenschutz mit Füßen getreten und Daten jeglicher Art, den Nutzern abgeschnorchelt oder am Datenmarkt für ein höheres Ziehl zusammengetragen hatten.
Nun lassen sich Institutionen bei Palantir beraten, wie sie das Volk überwachen können.