Die EU-Länder müssten den Einsatz von Staatstrojanern nur auf „außergewöhnlichste Umstände“ einschränken und zudem Journalist:innen ausdrücklich ausnehmen, fordert die Nichtregierungsorganisation Civil Liberties Union for Europe in ihrem aktuellen Bericht zur Medienfreiheit in Europa. Generell müsste Spähsoftware „strikt reguliert“ werden, damit es nicht weiter zu Verletzungen von Grundrechten kommt.
Das Hacken von IT-Geräten mit Spionagewerkzeugen wie Pegasus und Predator sei weiterhin ein Problem in der EU, schreibt die NGO in ihrem Bericht. Im Jahr 2023 seien Journalist:innen in Deutschland, Griechenland, den Niederlanden und Polen Ziel von Angriffen gewesen. Auch habe der Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zu Pegasus im Vorjahr festgestellt, dass unter dem Vorwand „nationaler Sicherheit“ Journalist:innen überwacht worden waren, unter anderem in Polen, Ungarn und Griechenland. Konsequenzen sind daraus jedoch bis heute nicht erwachsen.
Mit dem Einsatz von Spähsoftware in den Ländern seien fundamentale Grundrechte verletzt und die Demokratie gefährdet worden, so der Bericht. In Griechenland, verweist die NGO auf die Untersuchung des EU-Parlaments, seien damit nicht nur Journalist:innen, Politiker:innen und Geschäftsleute überwacht worden. Das Land habe die Spionagesoftware Predator zudem in Staaten mit einer schlechten Menschenrechtsbilanz exportiert. Zugleich hätte etwa Grigoris Dimitriadis, inzwischen zurückgetretener Generalsekretär des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, zahlreiche Journalist:innen mit sogenannten SLAPP-Klagen überzogen, die über seine Beziehungen zu der Spyware-Firma berichtet hatten.
Einschüchterungsversuche gegenüber Journalist:innen
Als SLAPP-Klage gilt ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, mit dem Kritiker:innen zum Schweigen gebracht werden sollen. Zu solchen strategischen Klagen gegen Journalist:innen sei es häufig in Ländern wie Kroatien, Griechenland, Italien, den Niederlanden und Schweden gekommen, schreibt die NGO. Dagegen hat die EU im vergangenen Jahr eine eigene Richtlinie auf den Weg gebracht, endgültig verabschiedet wurde sie diesen März.
Gemeinsam mit dem ebenfalls neuen Medienfreiheitsgesetz, dem European Media Freedom Act (EMFA), seien nun zwei Gesetze in Kraft, die Journalist:innen insgesamt besser schützen sollten – allerdings mit dem Wermutstropfen, dass der Einsatz von Spähwerkzeugen gegen Journalist:innen nicht restlos europaweit verboten wurde. Beide Gesetze und ihre nationale Umsetzung müssten nun von der EU-Kommission eng begleitet und überwacht werden, fordert die NGO.
Ähnliches gelte für den Digital Services Act (DSA), der erst kürzlich vollständig in Kraft getreten ist. Hierbei müsste die EU-Kommission gemeinsam mit den europäischen Regulierungsbehörden sicherstellen, dass insbesondere die sehr großen Online-Dienste wie Google oder Facebook die Vorgaben umsetzen. Wie beim DSA wäre es wünschenswert, Daten über die Entfernung oder Sperrung von Inhalten im Rahmen des EMFA strukturiert zu veröffentlichen. Dies würde Journalist:innen und der Zivilgesellschaft dabei helfen, die Methoden verschiedener Online-Dienste sowie die Rolle, die die Regulierer und die Kommission bei diesem Ansatz spielen, zu analysieren und zu vergleichen.
Medienkonzentration und Glaubwürdigkeit
Insgesamt sei in vielen EU-Ländern eine hohe Medienkonzentration feststellbar, selbst in Ländern, in denen die Freiheit der Presse hochgehalten und von den jeweiligen Regierungen und Parteien geachtet werde. Besonders hoch falle die Konzentration in Kroatien, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden, Polen, Slowakei und Slowenien aus. Dort würde die Mehrheit der Medienhäuser von einer Handvoll Individuen kontrolliert, was die Diversität der Berichterstattung gefährde und zu einer verzerrten Berichterstattung führen könne.
In Deutschland hätte hingegen eine WDR-Studie ergeben, dass die Berichterstattung mehrheitlich als glaubwürdig wahrgenommen werde. Obwohl es sich um vergleichsweise hohe Werte handle, habe im Zuge der Corona-Pandemie das Vertrauen in die Medien dennoch abgenommen. Hierbei lasse sich jedoch ein Riss zwischen Ost und West feststellen. So sei eine Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Schluss gekommen, dass das Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien in Ostdeutschland bei 58 Prozent liege, im Westen jedoch bei 73 Prozent. Auch sei es wiederholt zu Attacken gegenüber Journalist:innen gekommen, meist in rechtsextremen, verschwörungsideologischen und antisemitischen Kontexten.
Beim Zugang zu Informationen lege der Presse jedoch auch die Regierung Steine in den Weg, kritisiert die NGO. Anders als im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition versprochen, sei etwa bis heute kein presserechtlicher Auskunftsanspruch gesetzlich verankert. Zudem gebe es weiterhin große Unterschiede bei Informationsfreiheit- und Transparenzgesetzen der Bundesländer, bemäkelt Civil Liberties Union for Europe. Auch in Bundesländern wie Sachsen, die solche Gesetze erlassen haben, gebe es breite Ausnahmen, um Auskünfte zu verweigern, beklagt die NGO – und erst recht in Bundesländern wie Bayern oder Niedersachsen, die solche Gesetze bis heute vermissen lassen.
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