Debatte im BundestagSozialdemokraten bleiben bei Vorratsdatenspeicherung vage

Vorratsdatenspeicherung war diese Woche Thema im Plenum des deutschen Bundestags. Die Fraktion CDU/CSU möchte ein Statusupdate. Die Positionen der restlichen Parteien sind eindeutig. Nur die Sozialdemokraten bleiben unklar.

Carmen Wegge am Rednerpult des Bundestags
Carmen Wegge sprach von der „Zauberformel IP-Adressspeicherung“ – Screenshot: bundestag.de

In einer Bundestagsdebatte haben sich die Abgeordneten im Plenum mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung befasst. Anlass dafür war ein Antrag der Union, die einen Gesetzesentwurf der Regierung „zur rechtssicheren Speicherung von IP-Adressen“ fordert, um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Während alle anderen Fraktionen sich gegen einen solchen Entwurf aussprechen und der Union eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür vorwerfen, bleibt die konkrete Positionierung der SPD in der Debatte unklar.

Der Koalitionsvertrag schließt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung aus, ebenso wie zahlreiche Gerichtsurteile. Während FDP-Justizminister Marco Buschmann bereits im Oktober 2022 einen Entwurf für eine Quick-Freeze-Alternative vorgelegt hat, beharrt SPD-Innenministerin Nancy Faeser auf einer Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen.

Die Positionierung der Sozialdemokraten bleibt unklar

Carmen Wegge und Sonja Eichwede von der SPD haben im Bundestag für ihre Partei gesprochen. Aus Sicht von Eichwede handelte es sich um eine formelle Debatte der Geschäftsordnung, sie bezog sich inhaltlich nicht aufs Thema. Der Union warf sie unter vielen Zwischenrufen vor, mit dem Thema Wahlkampf zu betreiben.

Ihre Fraktionskollegin Wegge plädierte dafür, dass Gewalt vor allem in der analogen Welt geschieht und der Fokus auf gesellschaftliche Prävention gelegt werden muss. Auf der anderen Seite sagt sie in ihrer Rede:  „Wir können die analoge und digitale Welt nicht strikt trennen.“ Und: „Wir müssen den Kinderschutz im Netz ausbauen.“ Sie verweist dabei auf das Positionspapier der SPD zum Thema „Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen“. Schließlich appelliert sie für einen größeren Ansatz, um nicht nur über die „Zauberformel IP-Adressenspeicherung“ diskutieren zu müssen, sondern über „echten Kinderschutz“.

Eine eindeutige Position zur IP-Adressenspeicherung bezog sie nicht. Man werde sich das letzte Urteil des Europäischen Gerichtshofs „ganz genau“ anschauen, was verhältnismäßig sei oder auch nicht. Eine sechsmonatige Speicherung wie von der Union gefordert sei es ihrer Meinung nach nicht. „Ob wir das dann am Ende machen, ist eine politische Entscheidung“, sagte Wegge. Und die träfen die Parteien mit einer Mehrheit im Bundestag.

Sachverständigenanhörung im Oktober

Das letzte Wort in der Debatte hatte Volker Ullrich von der CSU. Das Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten anlassbezogen „eingefroren“ werden können, hält die Union für unzureichend. Ullrich fragt die SPD in seiner Rede, warum sie nicht ihre „eigene“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser unterstützen. Weiter fordert er die Partei auf, „klar und deutlich“ zu machen, „ob sie sie unterstützen wollen“. Die Bundesinnenministerin aus der SPD ist eine starke Vertreterin der Vorratsdatenspeicherung.

Die Unionsfraktion hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, eine Debatte zu einem Zwischenbericht im Plenum zu führen. Dies kann passieren, wenn sich ein Ausschuss zehn Wochen nach Überweisung eines Themas nicht damit beschäftigt. Dieser Termin ist für den Rechtsausschuss am 11. Oktober angesetzt, an dem der Rechtsausschuss Sachverständige zur Vorratsdatenspeicherung anhören wird.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

11 Ergänzungen

  1. Was mich in dieser ganzen Kinderschutz-Datenschutz-Debatte ehrlich interessieren würde ist, was die innere Motivation von Faeser (oder auch von der Leyen) für ihre rigorose Pro-Überwachungs-Haltung ist: Ist es technisches Unverständnis über die Konsequenzen? Oder die ehrliche Überzeugung, das zum Wohle des Kinderschutzes jedes Mittel recht ist? Will man bei konservativen Wählern punkten oder stehen doch eher wirtschaftliche Interessen dahinter?
    Bei einer CDUlerin ist diese Position im Kontext des restlichen Weltbildes ja noch einigermaßen erwartbar, aber bei Faeser fragt man sich schon, was sie dazu antreibt, entgegen der anderen Koalitionsparteien und wahrscheinlich auch der meisten SPD-Abgeordneten in ihrem Starrsinn zu verharren.

    1. Die SPD ist die neue CDU, die CDU die neue AfD.
      Hat sich einfach nur das politische Spektrum nach rechts verschoben.
      Law and Order kommt auch langsam bei den Grünen an. Und Faeser ist sowieso ein Fan davon.

    2. Die SPD war innenpolitisch nie links der CDU. Deswegen hatten Brandt und Schmidt echte liberale der FDP als Innenminister. Schroeder, die Abrissbirne der Sozialdemokratie, hatte dann Schily, dem wir diverse buergerrechtsfeindliche Gesetze verdanken.

      1. Stimmt alles, außer „deswegen“. Ich vermag das nicht als Begründung zu erkennen.
        Aber bitte, vielleicht kommt ja noch eine etwas mehr elaborierte Antwort?

        1. Damals war die FDP in Teilen noch eine wirklich liberale Partei und hat in der Koalition nicht umsonst das Innenministerium besetzt.

          1. Ja was ist denn „wirklich“ liberal? Gab es je einen Ideologie-Wandel in der FDP, oder nur Personalwechsel? Oder anders gefragt, gab es jemals einen Sozialen Liberalismus in der FDP, oder war das nur ein Schaufenster?

            Fakt ist, dass die SPD damals unter Brandt einen Koalitionspartner brauchte. Das wäre mein nüchterner Beitrag zu „deswegen“.

            > und hat in der Koalition nicht umsonst das Innenministerium besetzt.

            Richtig! Das war nicht umsonst und hatte einen Preis. :)

  2. Die einstige Hinterbänklerin mit IT-Hintergrund Saskia Esken ist nicht nur Vorsitzende des Vereins Württembergische Schwarzwaldbahn, sondern auch SPD-Vorsitzende. Eine gewisse Antwort-Kompetenz wäre schon zu vermuten, wie sich die SPD zur Zombie-Position Vorratsdatenspeicherung positioniert. Geht der doch mal auf die Nerven bis die Lok pfeift, der Klarheit willen.

  3. Wieso unklar? Bis zum Beweis des Gegenteil durch entsprechendes Handeln ist die SPD immer fuer jede Art von Ueberwachung und speziell fuer die VDS. Da ist nichts unklar.

    1. Ganz genau! Eine Übersicht von Patrick Breyer (für die Piraten im EU-Parlament) bis 2017 zeigt, dass die SPD praktisch JEDER Überwachungsmaßnahme zugestimmt bzw. diese sogar initiiert hat (https://www.daten-speicherung.de/index.php/ueberwachungsgesetze/).

      Die SPD hat auch – in der Opposition! – de facto das Asylrecht abgeschafft (https://de.wikipedia.org/wiki/Asylkompromiss). Und Europa aktiv so zur Festung ausgebaut, dass eine gleichlautende AfD-Forderung nur ein frecher Versuch ist, sich mit fremden Federn zu schmücken.

  4. Also Sozial nicht, aber Demokraten? Wie steht man denn z.B. zur Chatkontrolle, zu Assange, zur Transparenz bzgl. der Gründe für eine antidemokratische Entscheidung bzw. Abstimmung?

    „Also wir sind ja seit… irgendwie dabei.“ oder „Wir sind doch gewählt.“ oder „Wir sind doch eine Demokratie, also Mault’s nicht!“ zählen schon mal nicht als Begründungen. Nur falls das einer denkt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.