Neues PolizeiabkommenEuropol will mit Israel biometrische Daten austauschen

Israelische Behörden sollen personenbezogene Informationen aus der EU mit „automatisierten Verfahren“ verarbeiten und verknüpfen dürfen. Einem Entwurf zufolge wäre das sogar in den nach 1967 besetzten Gebieten möglich, obwohl die sogenannte Territorialklausel dies ausschließt.

Ein palästinensischer und ein italienischer Polizeist vor einem Polizeifahrzeug.
Die EU unterstützt bereits die Polizei im Westjordanland. Auch dort soll das Abkommen mit Israel gelten. EUPOL COPPS

Vor fünf Jahren haben die EU-Mitgliedstaaten der Kommission ein Mandat für die Aufnahme von Verhandlungen für ein Europol-Abkommen mit Israel erteilt. Zuvor hatte die estnische Ratspräsidentschaft Ende 2017 einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Nun hat die Kommission offenbar fertig verhandelt. Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch hat das Dokument online gestellt. Der Rat und das Parlament sollen dazu jetzt grünes Licht geben.

In der geplanten Kooperation geht es ausdrücklich um den Austausch personenbezogener Daten mit der EU-Polizeiagentur. Davon begünstigt wären alle Behörden, die in Israel für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität zuständig sind. Laut dem Entwurf erfolgt der Datenaustausch aber auch bei „Produktpiraterie“, „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“, „Schwindel und Betrug“ und dem „Schmuggel von Einwanderern“.

Territorialklausel für geografische Einschränkung

Ein ähnliches Abkommen hatte Europol bereits 2018 geschlossen, allerdings vorwiegend zu strategischer Zusammenarbeit. Es sieht unter anderem vor, dass sich beide Seiten Hinweise auf bevorstehende Straftaten übermitteln. Dabei wird dort zwar in Artikel 11 auch die Weitergabe und Verarbeitung personenbezogener Daten erlaubt, dies soll aber nur in Ausnahmefällen erfolgen.

Das nun geplante Upgrade geht also deutlich weiter als bestehende Vereinbarungen. Nicht nur deshalb war ein solches Abkommen mit der Polizeiagentur in Den Haag jahrelang umstritten. Von besonderer Bedeutung für die EU ist die Beachtung der sogenannten Territorialklausel, wonach Abkommen nicht in den nach 1967 von Israel besetzten Gebieten umgesetzt werden dürfen. So ist es auch in der EU-Forschungsförderung geregelt, an deren Rahmenplänen Israel als erster nichteuropäischer Staat teilnehmen durfte.

Israel hält völkerrechtswidrig Gebiete in Ost-Jerusalem, dem Westjordanland und den Golanhöhen besetzt. Als Vertreterinnen der Besatzungsmacht sind israelische Polizeibehörden auch dort für die Sicherheit zuständig. Im Westjordanland betreibt die Palästinensische Autonomiebehörde zudem eine eigene Polizei, die mit der Regierung Israels kooperiert und von der EU in einem Koordinierungsbüro unterstützt und ausgebildet wird.

„Schutz der Zivilbevölkerung“ durch Geheimdienst

Offiziell soll das nun anstehende Europol-Israel-Abkommen zum Austausch personenbezogener Daten nicht für die besetzten Gebiete gelten. So ist es etwa in Artikel 32 geregelt. Allerdings werden in Artikel 7 weitgehende Ausnahmen benannt. Demnach dürfen die Informationen trotzdem verwendet werden, wenn es dem „Schutz der Zivilbevölkerung“ dient. Der Begriff ist weit gefasst: So kann Israels Polizei etwa von Europol übermittelte Personendaten in den besetzten Gebieten beispielsweise dann nutzen, wenn dies „für die Verhütung, Ermittlung, Feststellung oder Verfolgung von Straftaten erforderlich ist“.

Ausnahmen können etwa bei Gefahr für Leib und Leben erfolgen. Europol soll diese Verwendung auf ein entsprechendes Ersuchen zuvor genehmigen. In Notfällen können israelische Behörden aber auch ohne Zustimmung aus Den Haag tätig werden.

Auch der Inlandsgeheimdienst Shin Bet wird voraussichtlich zu den Begünstigten des Datentauschs gehören ebenso wie Kartell- und Steuerbehörden, die Antiquitätenbehörde sowie die Natur- und Parkverwaltung. Alle genannten Einrichtungen waren bereits vom strategischen Abkommen aus dem Jahr 2018 umfasst. Jedoch könnte sich dieser Kreis noch deutlich erweitern, denn auch die „Weiterübermittlung“ an andere Behörden ist laut dem Entwurf möglich.

Dokument enthält weitere Stolpersteine

Für Verstimmung unter den EU-Staaten dürfte gesorgt haben, dass einige israelische Medien Mitte September bereits den Abschluss des israelisch-europäischen Polizeiabkommens gemeldet hatten. Dabei handelte es sich aber lediglich um das Ende der vierten und letzten Verhandlungsrunde, die der damalige israelische Minister für öffentliche Sicherheit öffentlich begrüßte.

Ob sich die Regierungen auf den nun vorliegenden Abkommensentwurf einigen können, bleibt fraglich. Denn er enthält weitere Stolpersteine, die vermutlich nicht in allen EU-Ländern auf Begeisterung stoßen werden. So soll Israel auch biometrische Daten nutzen dürfen, nachdem diese von Europol übermittelt wurden. Ihre Verarbeitung soll zudem mit Hilfe „automatisierter Verfahren“ erfolgen. Möglich ist auch die Verknüpfung mit anderen personenbezogenen Daten. Eine solche Rasterfahndung ist etwa in Deutschland nur in sehr engen rechtlichen Grenzen erlaubt.

Nach den Mitgliedstaaten im Rat muss sich auch das EU-Parlament mit dem geplanten Abkommen befassen. Hierzu wird der Entwurf anschließend an den zuständigen Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres weitergeleitet. Ähnliche Abkommen wollen die EU-Regierungen anschließend mit Brasilien und der Türkei abschließen.

0 Ergänzungen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.