Liebe Leser:innen,
wir bei netzpolitik.org sind manchmal müde von den immer gleichen Debatten. Wir würden unsere Kraft gerne mehr auf positive Visionen richten. Doch in dieser Woche stand für uns wieder mal das Mahnen und Aufklären im Fokus: Zum Beispiel über Netzsperren gegen unerwünschte oder unerlaubte Inhalte im Internet.
Anscheinend sind Netzsperren für Behörden nach wie vor verlockend. In dieser Woche haben wir ein Schreiben der Glücksspielaufsicht (GGL) veröffentlicht. Es zeigt, dass die neu gegründete Behörde das umstrittene Instrument gegen illegales Glücksspiel im Netz einsetzen möchte. Internet-Provider sollen auf Ebene des Domain Name Systems (DNS) den Zugriff auf bestimmte Websites blockieren. Die GGL schlägt Providern vor, dass sie bestimmte Seiten freiwillig sperren, sobald die Behörde dies einfordert. Auf dem kurzen Dienstweg und ohne aufwendiges Verwaltungsverfahren. Und das ist nur das jüngste Beispiel für Bemühungen um neue Netzsperrren.
Die Medienanstalten zum Beispiel sehen in Netzsperren ein Mittel gegen Pornoseiten, die es mit der Alterskontrolle nicht so genau nehmen. Die Musikindustrie hat mit Providern wie 1und1, Telekom und Vodafone sogar eine neue Institution dafür geschaffen: Die sogenannte Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) entscheidet nun, zu welchen potenziell urheberrechtsverletzen Websites der Zugang gesperrt wird. Die Netzsperre ist wieder salonfähig und das ist fatal.
Autokraten weltweit dürften sich für das Vorbild aus Deutschland bedanken. Darauf können sie Bezug nehmen, wenn sie selbst Netzsperren zur Zensur einsetzen. Motto: Deutschland macht es, dann dürfen wir das auch. In diesem Fall wären das Ziel dann nicht unerlaubtes Glücksspiel, sondern Websites der Opposition und kritischer Journalismus.
Zudem droht auch in demokratischen Staaten das, was Forscher:innen „Function Creep“ nennen: Einmal etabliert, wird die Funktion eines technischen Werkzeuges schleichend erweitert, auch wenn es ursprünglich nur für einen eng limitierten Zweck eingesetzt werden sollte.
Und noch etwas ist besorgniserregend. Offenbar kommt es in Mode, diesen Eingriff in die Informations- und Kommunikationsfreiheit abseits von etablierten rechtsstaatlichen Verfahren durchsetzen zu wollen. Bei der Clearingstelle entscheidet ein komplett privates Gremium über Netzsperren – „unter Vorsitz eines pensionierten Richters des Bundesgerichtshofes“. Im aktuellen Fall möchte die Glücksspielaufsicht „anstelle des formellen Verwaltungsverfahrens eine direkte Kommunikation zwischen der GGL und Ihnen als Internet-Service-Provider“ herstellen.
Inhaltlich ist das alles ziemlich nah dran an den Vorschlägen, die der heutigen EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen damals den Spitznamen „Zensursula“ eingebracht haben. Nur gibt es heute kaum noch Protest dagegen. Es gibt schlechte Ideen, die sind einfach nicht totzukriegen. Aber auch wir sind hartnäckig.
Ich wünsche euch trotz allem ein schönes Wochenende
Ingo
Das Problem ist, dass Ottonormalverbraucher das Theam nicht versteht.
Das ist, als wenn man einem Kind sagt: Ess nicht soviel Süßes, bewegt dich mal etwas, geh mal raus zum Spielen.
Das Kind versteht nicht warum – aber es hört (wenn auch mitunter wiederwillig) weil es den Eltern vertraut und glaubt.
Erwachsene sind da anders. Die Fachleute reden und reden – aber der Buer fritt nich‘ wat er nicht kennt.
Ich als halbwegs IT-Kundiger weiß was ich zu tun habe. Und dazu gehört vor allen Dingen Verzicht. Nicht auf Süßes – oder doch? – Süße Verlockungen im Netz halt.
Beispiele:
Keine fest eingebaute Kamera im Laptop.
Eine Handytasche mit Deckel
Keine Socialmedias
Freifunk wann immer möglich.
…
…
Und: Mir ist mittlerweile egal, ob meine Mitmenschen ihre Daten hinterlassen wie die Hunde ihre Haufen. Jeder ist seines Glückes Schmied.