Crowd-RechercheMinderheiten werden in New York mit mehr Kameras überwacht

Ein Spaziergang durch New York führt unweigerlich an zig Überwachungskameras vorbei. Amnesty International zeigt nun, wo die Überwachung besonders intensiv ist – und warnt vor rassistischer Diskriminierung und Gesichtserkennung.

Karte der Überwachungskameras in New York
Amnesty International hat eine Karte der Standorte tausender Überwachungskameras in New York veröffentlicht. – Alle Rechte vorbehalten Amnesty International

Der Einsatz von Überwachungskameras in New Yorker führt laut Amnesty International zu einer Zunahme von diskriminierender und rassistischer Polizeiarbeit gegen Minderheiten. Diese würden zudem häufiger zum Ziel biometrischer Überwachung durch Gesichtserkennung. Das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung der Menschenrechtsorganisation, die nun veröffentlicht wurde. Als Konsequenz fordert die Organisation mit der schon länger laufenden Kampagne „Ban the Scan“ das Verbot von Gesichtserkennung.

Amnesty International hatte zunächst mit einer großen Crowdrecherche-Kampagne mehr als 43.000 Straßenkreuzungen untersucht und dabei die Überwachungskameras in New York kartografiert. Mit der Hilfe von 7.000 Freiwilligen wurden mehr als 3.300 staatliche und 22.000 private Überwachungskameras und ihre Standorte in der Stadt festgestellt. Hierzu wurden unter anderem Bilder von Google Maps untersucht.

Höhere Kameradichte in nicht-weißen Stadtvierteln

Diese Kameradaten wurden mit zusammen mit Datenanalyst:innen mit demografischen Daten abgeglichen, etwa der Zusammensetzung der Wohnviertel. Dabei kam heraus, dass Viertel wie Bronx, Brooklyn und Queens, in denen mehr Schwarze Menschen und People of Color wohnen, eine deutlich höhere staatliche Kameradichte aufweisen als andere Stadtviertel. Amnesty geht auch davon aus, dass Menschen in diesen Vierteln entsprechend häufiger mit Gesichtserkennung erfasst werden.

In einem zweiten Schritt wurde untersucht, wie die Anzahl von Kameras mit der Polizeipraxis des so genannten „Stop & Frisk“ korreliert. Unter Stop & Frisk versteht man polizeiliche Straßenkontrollen, bei denen Personen festgehalten, befragt und durchsucht werden. Diese Art der Polizeikontrolle ist seit Langem wegen ihrer rassistischen Auswahl der kontrollierten Personen – Stichwort: Racial Profiling – in der Kritik. Schwarze Menschen und People of Color geraten dabei viel häufiger in eine Kontrolle als Weiße Personen. Seit 2002 hat die New Yorker Polizei etwa fünf Millionen solcher Kontrollen durchgeführt, etwa 90 Prozent der Kontrollierten war unschuldig.

Mit den Stop&Frisk-Daten der New Yorker Polizei und den selbst ermittelten Kameradaten schaute sich Amnesty die Zusammenhänge an: Demnach wurden dort, wo es vermehrt Kameraüberwachung gibt, auch vermehrt viele Personenkontrollen durchgeführt.

270 Millionen Dollar für Überwachungstechnologie

Das Ergebnis der Arbeit hat die Menschenrechtsorganisation auf einer interaktiven Seite aufbereitet. Dort können Interessierte schauen, wo sie an verschiedenen Orten in der Stadt von Kameras erfasst werden. Auch Menschen, die sich nicht in New York auskennen, können schauen, wie die Überwachung auf beliebten touristischen Routen aussieht. Insgesamt sind die Daten sehr deutlich: Fast überall in der Stadt werden Menschen auch bei kurzen Wegstrecken von Überwachungskameras gefilmt. Viele der Kameras dürften dabei aus technischer Sicht auch für Gesichtserkennung geeignet sein.

Alleine zwischen 2016 und 2019 hat die New Yorker Polizei (NYPD) mehr als 22.000 Mal Gesichtserkennung eingesetzt. Neuere Zahlen sind noch nicht bekannt. Aufgrund der fortschreitenden Verfügbarkeit von Gesichtserkennungstechnologien dürfte diese ohne einschränkende Gesetze aber zugenommen haben, zumal das NYPD – wie im letzten Jahr herauskam – 277 Millionen Dollar für Überwachungstechnologien ausgegeben hat. Der neue Bürgermeister von New York hatte sich im Januar zudem für eine Ausweitung der Gesichtserkennung ausgesprochen.

In manchen US-Städten gibt es unterdessen eine Gegenbewegung zur Gesichtserkennung. So hatte zum Beispiel San Francisco die Anschaffung von Überwachungstechnologie erschwert und Gesichtserkennung verboten. Und auch im US-Bundesstaat Maine wurde Gesichtserkennung stark eingeschränkt. Werden im Ausnahmefall solche Technologien doch eingesetzt, gibt es Protokoll- und Veröffentlichungspflichten, die Transparenz herstellen.

Recherche bleibt dünn bei Gesichtserkennung

Insgesamt bleibt die Recherche trotz der ungeheuren Datenfülle gerade im Hinblick auf die Gesichtserkennung, die in der Pressearbeit von Amnesty prominent herausgestellt wird, erstaunlich dünn. Denn der Einsatz biometrischer Überwachung konnte anhand der Methodik der Recherche nur am Rande untersucht werden. Die Recherche geht davon aus, dass die meisten Kameras für Gesichtserkennung genutzt werden können, zeigt aber nicht, in welchem Ausmaß das wirklich geschieht. Das liegt vor allem daran, dass der Einsatz von Gesichtserkennung und die Zahlen darüber nicht öffentlich sind.

Das Verdienst der Recherche sind also weniger ihre Schlüsse im Hinblick auf Gesichtserkennung, sondern wie man mit einer großangelegten, digital gestützten Crowd-Recherche mit tausenden Freiwilligen eine so komplexe Aufgabe wie die Kartografierung der Überwachungskameras einer Millionenmetropole bewältigen kann.

1 Ergänzungen

  1. Warum suggerieren Sie in der Überschrift, dass Minderheiten das explizite Ziel der Überwachung sind?
    Geht aus dem Text nicht so richtig hervor.

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