Die Polizei fotografiert an einigen Straßen sämtliche Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge. Seit Anfang des Monats Juli gibt es eine gesetzliche Grundlage dafür. Die Kennzeichen dürfen aber nur nach gesuchten Fahrzeugen gerastert werden, alle anderen müssen laut Gesetz „sofort und spurenlos“ wieder gelöscht werden.
Doch das Land Brandenburg hat jahrelang sämtliche Kennzeichen in einer riesigen Datenbank gespeichert. Die Polizei betrieb an Autobahnen elf Scanner im Dauermodus, in zwei Jahren sammelte sie 40 Millionen Kennzeichen – eine Auto-Vorratsdatenspeicherung. Ob das legal war, darüber streiten Gerichte, Parlament und Regierung.
Der zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium bezeichnete die Kennzeichen-Speicherung als unverhältnismäßig und illegal. Er wurde jedoch überstimmt und versetzt. Sein Nachfolger schrieb seinen Bericht um und rechtfertigte die Verkehrsüberwachung. Wir haben beide Gutachten veröffentlicht.
Diese Berichterstattung kam im Innenministerium und bei der Polizei nicht gut an. Das Ministerium schreibt dazu später: „Die bei netzpolitik.org in unzulässiger Weise veröffentlichten Dokumente des [Innenministeriums] machten den fachlichen Dissens einer breiten Öffentlichkeit im Detail bekannt.“
Unsere Veröffentlichung ist jedoch „absolut zulässig und von der Pressefreiheit gedeckt“, sagt Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di. „Sofern die journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten wird, darf die Presse in der Regel selbst rechtswidrig gewonnene Informationen veröffentlichen. Wie sonst sollen Medien ihre wichtige Aufgabe erfüllen, Missstände und Unwesen in Behörden und Unternehmen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen?“
Staatlichen IT-Dienstleister durchsuchen
Doch die Polizei in Brandenburg wollte offenbar unsere Quelle:n finden und bestrafen. Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke erstattete Strafanzeige wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Dieser Vorwurf „wird nur mit Ermächtigung verfolgt“, wie es im Strafgesetzbuch heißt. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) erteilte diese Ermächtigung persönlich, nur zehn Tage nach unserem zweiten Artikel. Daraufhin ermittelte die Staatsanwaltschaft Potsdam.
Solche Ermittlungen gegen Whistleblower und Medien sind relativ selten. Für Berlin teilt die Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage mit, „dass in den Jahren 2019 und 2020 keine Verfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen im Zusammenhang mit sogenannten Presseverfahren geführt wurden“. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat von 2014 bis 2019, der letzten Wahlperiode des Landtags, 37 solcher Verfahren geführt.
Drei Monate nach Beginn der Ermittlungen beantragte die Staatsanwaltschaft, die Räumlichkeiten des Brandenburgischen IT-Dienstleisters zu durchsuchen. Der Landesbetrieb stellt die IT für Landesbehörden und untersteht dem Innenministerium. Die Staatsanwaltschaft vermutete unsere Quelle:n im Innenministerium und wollte digitale Spuren wie E-Mails beschlagnahmen und auswerten.
Normalerweise ist ein Antrag der Staatsanwaltschaft bei Ermittlungsrichter:innen reine Formsache. Wir berichten immer wieder, dass diese Anträge „mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit durchgehen“. Jurist:innen nennen den Richtervorbehalt „praktisch wirkungslos“. Nicht in diesem Fall: Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Potsdam lehnte die Durchsuchung des IT-Dienstleisters ab.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam akzeptierte diese Niederlage nicht und reichte Beschwerde gegen den Beschluss ein. Das Amtsgericht blieb bei seiner Ablehnung und gab den Fall an das nächsthöhere Gericht. Das Landgericht Potsdam schloss sich dieser Auffassung im Mai 2020 an und verwarf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet.
Kein Geheimnis, keine Straftat, kein Anfangsverdacht
Der Beschluss des Landgerichts ist deutlich. Die von uns veröffentlichten Dokumente „enthalten kein Geheimnis“. Die Inhalte sind entweder bereits öffentlich bekannt beziehungsweise herauszufinden oder sie müssen nicht geheim gehalten werden. Das Gericht verweist auf eine Pressemitteilung, in der das Innenministerium unseren Bericht mit den Worten „Nichts Neues zu Kesy“ kommentiert. Da die Dokumente keine Geheimnisse enthalten, hat auch niemand Geheimnisse verletzt. Es gibt gar keine Straftat.
Das ist eine juristische Ohrfeige für Polizeipräsident und Innenminister. Der Anfangsverdacht einer Straftat muss sorgfältig geprüft werden, sowohl nach Bundes- als nach Landesrecht. Wir haben die beteiligten Institutionen angefragt, wie genau sie diese Prüfung durchgeführt haben.
Der damalige Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke verweist uns ans Polizeipräsidium. Die Polizeibehörde erklärt, dass ihre Rechtsabteilung den Vorgang geprüft hat und „die Veröffentlichung aus dortiger Sicht den Tatbestand […] erfüllt“. Die „weitere Prüfung der strafrechtlichen Relevanz“ dieser Rechtsauffassung war Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Auf die anderslautenden Gerichtsurteile will die Polizei nicht eingehen.
Auch das Innenministerium verteidigt seine Bewertung: „Zum Sachverhalt bestand damals der Anfangsverdacht einer Straftat.“ Eine inhaltliche Begründung, vor allem vor dem Hintergrund der Gerichtsurteile, lehnt das Ministerium ab. Das Innenministerium „darf aus gesetzlichen Gründen keine Auskunft zu Inhalten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geben“. Zum Handeln seines SPD-Vorgängers Karl-Heinz Schröter schweigt der aktuelle CDU-Innenminister Michael Stübgen.
Die Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls bei ihrer Auffassung: „Insbesondere im Hinblick auf die von Ihnen mit dem vorgenannten Artikel veröffentlichten Dokumente lagen die Voraussetzungen für die Aufnahme von Ermittlungen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft vor.“ Bei der Beurteilung eines Anfangsverdachts „besteht ein Beurteilungsspielraum“. Dass die Gerichte das anders sehen, „hat die Staatsanwaltschaft Potsdam zur Kenntnis genommen“.
Steuergelder und personelle Ressourcen verschwendet
Journalisten-Organisationen kritisieren die Ermittlungen gegen Journalisten und ihre Quellen.
Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di: „Es kann nicht sein, dass immer wieder auch staatliche Stellen versuchen, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu behindern – zumal, wenn es auf solch zweifelhaften Grundlagen geschieht. Denn es hätte auch dem Polizeipräsidenten und dem Innenminister klar sein müssen, dass die veröffentlichten Dokumente keine Geheimnisse sind. So wurden dann für unnötige Ermittlungen und unnötige Verfahren auch noch Steuergelder und personelle Ressourcen verschwendet.“
Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands, kommentiert: „Eigentlich hätten Ermittler und Innenminister wissen müssen, welche Rechte Medien haben. Und sie hätten wissen müssen, dass sie vor Gericht keine Chance hatten, mit Hilfe von Justitia den Knüppel aus dem Sack zu holen. Das Ganze riecht nach hoheitlichem Amtsverständnis, für das in einer modernen Demokratie kein Platz ist.“
Update (13.07.): Die Antwort der Staatsanwaltschaft Potsdam zur Anzahl der Ermittlungsverfahren ist eingetroffen, wir haben den Satz ergänzt.
Hier die Dokumente in Volltext:
- 2019-08-26: Ermächtigung zur Verfolgung einer Straftat – Innenminister
- 2020-05-25: Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam verworfen – Landgericht Potsdam
- 2020-12-15: Mitteilung über Einstellung – Oberstaatsanwalt
- 2021-02-08: Vermerk zum Ermittlungsverfahren – Innenministerium
- 2021-07-07: Antwort Presseanfrage – Innenministerium
- 2021-07-07: Antwort Presseanfrage – Polizeipräsidium
- 2021-07-11: Antwort Presseanfrage – Staatsanwaltschaft
- Datum: 26. August 2019
- Von: Ministerium des Innern und für Kommunales, Minister, Karl-Heinz Schröter
- An: Staatsanwaltschaft Potsdam, Leitender Oberstaatsanwalt, Wilfried Lehmann
- Betreff: Ermächtigung zur Verfolgung einer Straftat, Verdacht der Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b StGB
Sehr geehrter Herr Leitender Oberstaatsanwalt,
in dem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b mit dem Aktenzeichen 496 UJs 9364/19 Staatsanwaltschaft Potsdam (Tgb.-Nr. LKA 137: ST/0195361/13 – Veröffentlichung in der MAZ am 03. Juni 2019 und ST/027977/2019 – Veröffentlichung über netzpolitik.org am 16. August 2019) erteile ich die Ermächtigung zur Strafverfolgung gemäß § 353b Abs. 4 StGB.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Schröter
- Datum: 25. Mai 2020
- Organ: Landgericht Potsdam
- Aktenzeichen:
- Landgericht Potsdam: 23 Qs 17/20
- Staatsanwaltschaft Potsdam: 496 UJs 9365/19
- Amtsgericht Potsdam: 77 Gs 1076/19
- Entscheidung: Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen unbekannt
wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen u.a.
hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Potsdam – als Beschwerdekammer – durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Wermelskirchen, den Richter am Landgericht Jost und die Richterin Dumlich
am 25. Mai 2020 beschlossen:
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 24. April 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 3. März 2020 (Az.: 77 Gs 1076/19) wird auf Kosten der Landeskasse (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam führt ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts der Verletzung eines Dienstgeheimnisses, § 353b Abs. 1 StGB.
Mit Verfügung vom 20. November 2019 hat die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht – Ermittlungsrichter – Potsdam den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses für die Räumlichkeiten des Brandenburgischen IT-Dienstleisters (ZIT-BB) beantragt. Der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Potsdam hat den Erlass einer entsprechenden Anordnung mit Beschluss vom 3. März 2020 abgelehnt.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Staatsanwaltschaft, auf deren Begründung verwiesen wird, hat das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – Potsdam mit Beschluss vom 11. Mai 2020 nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 304 StPO statthafte und zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Bei der vorliegenden Sachlage kann ein eine Durchsuchung rechtfertigender und auf Tatsachen basierender Tatverdacht hinsichtlich der Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b Abs. 1 StGB nicht angenommen werden.
Gegenstand der Ermittlungen sind mehrere, auf dem Internetportal „netzpolitik.org“ veröffentlichte Schreiben staatlicher Stellen, betreffend den Einsatz des automatischen Kennzeichen-Erfassungssystems (KESY). Die im Antrag der Staatsanwaltschaft ausdrücklich angeführten Dokumente vom 6. Mai 2019 und vom 5. Juni 2019 enthalten kein Geheimnis gemäß § 353b Abs. 1 StGB. Geheimnisse im Sinne der Norm sind Tatsachen, die – im Gegensatz zu offenkundigen Tatsachen – nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und zudem geheimhaltungsbedürftig sind (Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 353b Rn. 10 ff.).
1) Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 6. Juni 2019 bezieht sich auf ein durch sie geführtes laufendes Ermittlungsverfahren unter Einsatz von KESY aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses nach Maßgabe von § 163f StPO. Es wird mitgeteilt, dass es sich dabei um die Aufklärung von Fällen grenzüberschreitender Kriminalität, eine Vielzahl von Tatorten und Beschuldigten mit wechselnden Tatfahrzeugen handelt. Dass KESY aufgrund richterlicher Beschlüsse und auch bei Ermittlungen der im Schreiben vom 6. Juni 2019 lediglich abstrakt umschriebenen Deliktsfelder zum Einsatz kommt, war bereits zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt bzw. ohne weiteres durch öffentliche Quellen feststellbar und somit nicht nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Das belegen etwa die im ermittlungsrichterlichen Beschluss vom 3. März 2020 zitierten Presseartikel, auf welche hier ebenfalls Bezug genommen wird.
Insofern unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt maßgeblich von den in BGH, NStZ 2001, 372 sowie OLG Oldenburg, Az.: 1 Ss 366/80, entschiedenen Fällen, bei denen es sich jeweils um die Preisgabe konkreter personenbezogener Informationen handelte. Rückschlüsse auf ein konkretes Verfahren lassen sich aus den Angaben hier indes nicht ableiten, sodass etwa eine Vereitelung von Ermittlungsmaßnahmen bzw. eine Minderung des Aufdeckungsrisikos für die Beschuldigten nicht zu befürchten war. Daran ändert auch die Nennung des Aktenzeichens nichts, unter dem die Ermittlungen geführt werden.
Zutreffend wird insofern im ermittlungsrichterlichen Beschluss vom 11. Mai 2020 ausgeführt, dass das Aktenzeichen den Beschuldigten zunächst nicht bekannt und eine Zuordnung daher nicht möglich gewesen sein dürfte. Nach Vollstreckung der in dieser Sache ergangenen Haftbefehle am 4. Juli 2019 sowie nach Einsicht der Akten bestand hingegen Kenntnis von den Überwachungsmaßnahmen und somit ebenfalls kein strafbewehrtes Geheimhaltungsbedürfnis. Überdies fehlt es jedenfalls an Anhaltspunkten für eine erforderliche konkrete Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen. Eine derartige Gefährdungslage kann zunächst unmittelbar durch die Preisgabe des (unterstellten) Dienstgeheimnisses entstehen – etwa in Gestalt einer drohenden negativen Beeinflussung des Ermittlungsverfahrens. Auch insoweit ist auf die lediglich abstrakten Angaben zum Tatbild und die fehlende Möglichkeit der Zuordnung bestimmter Personen zu verweisen, die eine Beeinflussung des Verhaltens der Beschuldigten und so eine Gefährdung des Ermittlungserfolges nicht als plausibel erscheinen lassen.
Wichtige öffentliche Interessen können zudem dadurch gefährdet werden, dass die Tatsache eines (unterstellten) Geheimnisbruchs aufgedeckt und allgemein bekannt wird, und dass sodann als mittelbare Folge der Tat das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Ansehen und die Verschwiegenheit und Integrität der Verwaltung erschüttert wird (z.B. BGH, NJW 2003, 979; OLG Köln, NJW 2010, 166). Ob in diesem Sinne wichtige öffentliche Interessen gefährdet worden sind, kann nicht allgemein beurteilt werden, sondern ist Tatfrage des Einzelfalls. Es müssen Tatsachen vorliegen, die geeignet sind, eine konkrete Gefährdung durch Erschütterung des Ansehens oder Vertrauens zu untermauern. Derartige Anhaltspunkte (etwa zahlreiche schriftliche oder mündliche Proteste aus der Bevölkerung) sind hier weder dargetan noch sonst ersichtlich.
2) Hinsichtlich des Schreibens vom 5. Juni 2019 liegt ebenfalls keine strafbewehrte Preisgabe von Geheimnissen vor. Die darin enthaltenen Angaben zum „ermittlungstaktischen Vorgehen mittels KESY“ sind derart allgemein gehalten (bspw.: „Suche nach bestimmten Kennzeichen“; „Suche nach bestimmten Fahrzeugen in einem eng gefassten Zeitraum, deren Kennzeichen nicht bekannt sind [z.B. Wohnmobile mit polnischen Kennzeichen, Sattelauflieger etc.])“, dass sie als öffentlich bekannt vorausgesetzt bzw. als ohne weiteres erschließbar gewertet werden können. Gleiches dürfte für die Nennung der 66 erteilten Nutzungsberechtigungen gelten. Ein Geheimhaltungsbedürfnis ist hier ebenfalls nicht erkennbar. Auch insofern fehlt es aus oben genannten Gründen jedenfalls an einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen.
3) Soweit in den genannten Schreiben sowie in den übrigen drei veröffentlichten Dokumenten juristische Bewertungen durch die verschiedenen Stellen offenkundig werden, liegen ebenfalls keine zureichenden Anhaltspunkte für eine strafbare Verletzung von Dienstgeheimnissen vor. Der Umstand des Vorliegens divergierender rechtlicher Einschätzungen in den Brandenburger Sicherheitsbehörden zur praktischen Anwendung des KESY ist durch das Ministerium des Innern und für Kommunales ausweislich seiner Pressemitteilung vom 16. August 2019 selbst mehrfach öffentlich bestätigt worden. Es handelt sich also auch insofern nicht um ein Geheimnis, so dass die Beschwerde nach alledem kostenpflichtig zu verwerfen war.
Wermelskirchen
Dumlich
Jost
- Datum: 15. Dezember 2020
- Von: Staatsanwaltschaft Potsdam, Leitender Oberstaatsanwalt, Wilfried Lehmann
- An: Ministerium des Innern und für Kommunales, Minister, Michael Stübgen
- Aktenzeichen: 496 UJs 9364/19
- Betreff: Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen § 353b StGB, Strafverfolgungsermächtigung Ihres Amtsvorgängers vom 26.08.2019
Sehr geehrter Herr Minister,
unter Bezugnahme auf die unter dem 26.08.2019 erteilte und in Ablichtung beigefügte Strafverfolgungsermächtigung, teile ich Ihnen mit, dass das hier gegen Unbekannt geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt werden soll.
Das Landgericht Potsdam hat in einer Beschwerdeentscheidung mit Beschluss vom 25.05.2020 23 Qs 17/20 – einen Tatverdacht nach § 353b StGB abgelehnt. Es hat hierzu ausgeführt:
Gegenstand der Ermittlung sind mehrere, auf dem Internetportal „netzpolitik.org“ veröffentlichte Schreiben staatlicher Stellen, betreffend den Einsatz des automatischen Kennzeichen-Erfassungssystems (KESY). Die im Antrag der Staatsanwaltschaft ausdrücklich angeführten Dokumente vom 6. Mai 2019 und vom 5. Juni 2019 enthalten kein Geheimnis gemäß § 353b Abs. 1 StGB.
Geheimnisse im Sinne der Norm sind Tatsachen, die – im Gegensatz zu offenkundigen Tatsachen – nur einem begrenzten Personenkreis bekannt und zudem geheimhaltungsbedürftig sind (Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 353b Rn. 10 ff.).
Das Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 6. Juni 2019 bezieht sich auf ein durch sie geführtes laufendes Ermittlungsverfahren unter Einsatz von KESY aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses nach Maßgabe von § 163f StPO. Es wird mitgeteilt, dass es sich dabei um die Aufklärung von Fällen grenzüberschreitender Kriminalität, eine Vielzahl von Tatorten und Beschuldigten mit wechselnden Tatfahrzeugen handelt. Dass KESY aufgrund richterlicher Beschlüsse und auch bei Ermittlungen der im Schreiben vom 6. Juni 2019 lediglich abstrakt umschriebenen Deliktsfelder zum Einsatz kommt, war bereits zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt bzw. ohne weiteres durch öffentliche Quellen feststellbar und somit nicht nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich. Das belegen etwa die im ermittlungsrichterlichen Beschluss vom 3. März 2020 zitierten Presseartikel, auf welche hier ebenfalls Bezug genommen wird.
(…)
Hinsichtlich des Schreibens vom 5. Juni 2019 liegt ebenfalls keine strafbewehrte Preisgabe von Geheimnissen vor. Die darin enthaltenen Angaben zum „ermittlungstaktischen Vorgehen mittels KESY“ sind derart allgemein gehalten (bspw.: „Suche nach bestimmten Kennzeichen“; „Suche nach bestimmten Fahrzeugen in einem eng gefassten Zeitraum, deren Kennzeichen nicht bekannt sind [z.B. Wohnmobile mit polnischen Kennzeichen, Sattelauflieger etc.])“, dass sie als Öffentlich bekannt vorausgesetzt bzw. als ohne weiteres erschließbar gewertet werden können. Gleiches dürfte für die Nennung der 66 erteilten Nutzungsberechtigungen gelten. Ein Geheimhaltungsbedürfnis ist hier ebenfalls nicht erkennbar. Auch insofern fehlt es aus oben genannten Gründen jedenfalls an einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen.
Es haben sich im Zuge der Ermittlungen auch keine neuen Erkenntnisse zu dem Sachverhalt ergeben, die nicht bereits Grundlage der vorgenannten Entscheidung des Landgerichts Potsdam waren. Ein hinreichender Tatverdacht nach § 353b Abs. 1 StGB oder anderer Straftaten liegt nicht vor. Gemäß Nr. 211 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 90 Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren wird hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Von der Beifügung der Akte habe ich abgesehen, da ich davon ausgegangen bin, dass der wesentliche Akteninhalt Ihnen und Ihrem Hause aufgrund der geführten Ermittlungen ohnehin bekannt ist.
Hochachtungsvoll
In Vertretung
(Thomas Meyer)
- Datum: 8. Februar 2021
- Behörde: Ministerium des Innern und für Kommunales
- Bearbeitet: Herr Dingelstadt
I. Vermerk
Anlass
Anfrage zum Ermittlungsverfahren „Verletzung von Dienstgeheimnissen im Zusammenhang mit netzpolitik.org“ (KESY) – Anfrage per Mail von Frau Andres.
Sachstand
Ausweislich des Schreibens der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15.12.2020 besteht kein Anfangsverdacht wegen einer verfolgbaren Straftat. Zuvor hat das Landgericht Potsdam im Zuge einer Beschwerde[1] ausgeführt, dass die bei netzpolitik.org veröffentlichten Dokumente, soweit sich darauf die Ermittlungen bezogen, schon keine Geheimnisse i. S. d. § 353b StGB darstellen.
1. Kontext der Verfahrenseinleitung im Polizeipräsidium:
Ab April 2019 war die Frage der Rechtmäßigkeit des strafprozessualen Einsatzes der automatischen Kennzeichenerfassung im sog. Aufzeichnungsmodus in den medial-politischen Fokus geraten. Sie wurde damals zwischen der Führung des Polizeipräsidiums und der Abteilung 4 unterschiedlich bewertet. Die bei netzpolitik.org in unzulässiger Weise veröffentlichten Dokumente des MIK machte den fachlichen Dissens einer breiten Öffentlichkeit im Detail bekannt. Auf die Veröffentlichungen hin entschied sich die Leitung des Polizeipräsidiums von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren zum o. g. Tatvorwurf einzuleiten.
2. Eigene Betroffenheit der Abt. 4:
Da die veröffentliche Unterlagen im MIK Abteilung 4 Referat 45 erstellt wurden, liegt es bei Annahme eines Anfangsverdachts nahe, in den Kreis der potentiellen Tatverdächtigen die dort eingesetzten und die im diesbezüglichen Dienstweg eingebundenen Beamten bis zur damaligen Hausleitung sowie die damaligen Mitarbeiter/innen in der Hausleitung und Pressestelle einzubeziehen, soweit ihnen die Unterlage per Mail etc. vorlagen. Dies dürfte auch erfolgt sein.[2]
In der Konsequenz lag und liegt der Abteilung 4 Referat 45 weder die Strafanzeige noch die Ermittlungsakte vor. Die Strafverfolgungsermächtigung wurde damals im direkten Richten von der Leitung des Polizeipräsidiums beim damaligen Minister eingeholt. Hier ist daher bis heute unbekannt, welche bei netzpolitik.org veröffentlichten Dokumente zum Gegenstand der Strafanzeige gemacht wurden. Bislang wurde seitens MIK Abteilung 4 Referat 45 bezüglich dieses Ermittlungsverfahrens auch keine Berichte angefordert, da jeglichem Vorwurf der Einflussnahme bereits dem Grunde nach begegnet werden sollte. Im Kontext des Schreibens der Staatsanwaltschaft ist davon auszugehen, dass die Einstellungsabsicht sowohl dem Generalstaatsanwaltschaft als auch der Leitung des MdJ bekannt sein dürften. Die Ermittlungsakte ist hier weiterhin nicht bekannt.
Stellungnahme
Die Gelegenheit zu Stellungnahme vor Einstellung entspricht dem Vorgehen nach den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren. Ein Votum wie und ob diese seitens der Hausleitung genutzt werden sollte, kann aufgrund eigener Betroffenheit nicht erfolgen. Daher nur folgende Überlegungen:
1. Zur Tathandlung (Sachverhaltsebene):
Die verfolgte Handlung selbst ist unstrittig. Die Kenntnis der Ermittlungshandlungen dürfte daher nicht entscheidend sein. Die Begründung[3] der Staatsanwaltschaft, wonach die Einstellung aus Rechtsgründen erfolgen soll, böte danach keinen Raum für Erwägungen, die sich auf die Ermittlungsarbeit oder den aktuellen Ermittlungsstand beziehen.
2. Zum Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat (Bewertungsebene):
Relevant ist stattdessen die rechtliche Bewertung der Tathandlung. Bedeutung könnten hierbei etwaige schriftliche Rechtsprüfungen und Erwägungen zukommen, die damals in der Leitung des Polizeipräsidiums im Vorfeld der Ermittlungseinleitung von Amts wegen angestellt worden sein dürften.[4] Eventuell sind diese nicht bzw. nicht vollständig Teil der Ermittlungsakte/Strafanzeige, die der Staatsanwaltschaft vorliegen. Möglicherweise ließen sich daraus Argumente entnehmen, wonach entgegen der Ansicht des Landgerichts, des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft die Veröffentlichungen auf netzpolitik.org doch noch einen Straftatbestand erfüllen könnte, was dann einer Einstellung entgegenstehen könnte. Die Wahrscheinlichkeit wird hier zwar als eher theoretisch angesehen. Letztlich kann dies jedoch nur beim Polizeipräsidium eingeschätzt werden.
Votum
Kenntnisnahme
II. Verfügung
Hinweis: Dieses Dokument wurde am 8. Februar 2021 durch Herrn Michael Scharf elektronisch schlussgezeichnet.
Fußnoten
- Wahrscheinlich wird sich die Beschwerde auf einen ablehnenden Beschluss des AG Potsdam zur Herausgabe von Daten beim ZIT zum Nutzungsverhalten von Mitarbeitern des MIK bezogen haben.
- Die kriminalistische Fallanalyse zu dem Ermittlungsverfahren liegt hier nicht vor. Es handelt sich daher um eine erfahrungsgeleitende Hypothesen. Eine Einbindung des Referat 45 hat auch vor Verfahrenseinleitung nicht stattgefunden, was ermittlungstaktisch bei unterstelltem Anfangsverdacht nicht zu beanstande ist.
- Einstellung nach § 170 Absatz 2 StPO mangels Tatverdacht. Der Tatbestand ist schon gar nicht erfüllt. Da die Tathandlung stets feststand, dürfte dies bereits bei Anzeigenerstattung von Amts wegen der Fall gewesen sein.
- Gem. Ziffer I.2 Satz 3 und 4 der Richtlinien für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen einer Straftat (Rundverfügung des Generalstaatsanwaltes des Landes Brandenburg vom 21. August 1998 – 411-40 -, in der Fassung vom 10. Dezember 2008): „Die Annahme eines Anfangsverdachts setzt deshalb eine sorgfältige Prüfung voraus und kann der gerichtlichen Überprüfung in einem Amtshaftungsprozess unterliegen. So stellt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dann eine Amtspflichtverletzung dar, wenn diese Entscheidung nicht mehr vertretbar, d.h. bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafverfolgung nicht mehr verständlich ist (BVerfG NJW 1984, 1452; BGH NStZ 1988, 511).“
- Datum: 7. Juli 2021
- Von: Ministerium des Innern und für Kommunales, Stellvertretender Pressesprecher, Andreas Carl
- An: netzpolitik.org
Zum Sachverhalt bestand damals der Anfangsverdacht einer Straftat. Die im Zuge des Verfahrens der Staatsanwaltschaft erforderliche Ermächtigung nach § 353 Abs. 4 StGB wurde durch die zuständige Hausleitung erteilt. Das weitere Ermittlungsverfahren wurde dann durch die Staatsanwaltschaft mit bekannten Ausgang geführt. Im Übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir aus gesetzlichen Gründen keine Auskunft zu Inhalten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geben dürfen.
- Datum: 7. Juli 2021
- Von: Polizeipräsidium, Pressesprecher, Torsten Herbst
- An: netzpolitik.org
Die Rechtsabteilung des Polizeipräsidiums hat nach erfolgter eigener Bewertung im September 2019 der Staatsanwaltschaft Potsdam mitgeteilt, dass die Veröffentlichung aus dortiger Sicht den Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353b StGB erfüllt und damit die eigene Rechtsauffassung der StA zur weiteren Prüfung der strafrechtlichen Relevanz übermittelt.
Auf die Details der besagten Bewertung werde ich nicht eingehen. Ich bitte um Verständnis, dass wir uns als Polizei mit Abgabe eines Verfahrens an die jeweilig sachleitungsbefugte Staatsanwaltschaft grundsätzlich nicht mehr zum Vorgang äußern. Dies betrifft auch die Fälle, die vor Gericht verhandelt werden oder deren Verhandlung vor Gericht abgeschlossen wurde.
Ebenso steht es der Polizei aus nachvollziehbaren Gründen nicht zu, justizielle Entscheidungen öffentlich zu bewerten. Auch hierfür bitte ich um Verständnis.
- Datum: 11. Juli 2021
- Von: Staatsanwaltschaft Potsdam, Pressesprecher, Sebastian Thiele
- An: netzpolitik.org
Die Staatsanwaltschaft hat die Pflicht, im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen, sobald sie durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält. Sie ist grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (Anfangsverdacht). Herkunft eines möglichen Anfangsverdachts kann dabei eine Strafanzeige sein, die u.a. bei der Staatsanwaltschaft durch jedermann mündlich oder schriftlich angebracht werden kann. Die Staatsanwaltschaft ist wegen des Legalitätsprinzips verpflichtet, ihr unterbreitete Sachverhalte auf Anhaltspunkte für verfolgbare Straften zu prüfen. Ihre Frage, wie die Staatsanwaltschaft in dem konkretem Verfahren „vor Einreichung einer Strafanzeige“ einen Anfangsverdacht geprüft hat, lässt sich vor dem Hintergrund der vorskizzierten Abläufe nicht sinnvoll beantworten.
Ein zur Aufnahme von Ermittlungen erforderlicher Anfangsverdacht liegt vor, wenn konkrete tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die es nach kriminalistischer Erfahrung als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde. Bloße Vermutungen rechtfertigen es demgegenüber nicht, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Anfangsverdacht muss aber weder dringend noch hinreichend sein. Bei der Beurteilung der Frage, ob bekannt gewordene Tatsachen zureichend für die Aufnahme von Ermittlungen sind, besteht ein Beurteilungsspielraum.
Insbesondere im Hinblick auf die von Ihnen mit dem vorgenannten Artikel veröffentlichten Dokumente lagen die Voraussetzungen für die Aufnahme von Ermittlungen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft vor. Beispielsweise ist Ihrer Veröffentlichung ein Dokument mit der Gliederungsziffer 3. und der Bezeichnung „6. Mai 2019: Staatsanwaltschaft – Keine ausdrückliche Erlaubnis (Verfügung)“ beigefügt, welches sich auf ein laufendes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren bezog und dessen Aktenzeichen ausdrücklich enthält. Im Rahmen der Prüfung des Anfangsverdachts, d.h. der Feststellung, ob überhaupt eine Straftat, also eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung vorliegen könnte, war zu konstatieren, dass insbesondere das Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) unter Angabe eines Aktenzeichens als Geheimnis im Sinne des § 353b Strafgesetzbuch (StGB) einzuordnen ist. Nach dieser Vorschrift macht sich u.a. strafbar, wer als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter ein Geheimnis, das ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Durch die Verknüpfung des staatsanwaltschaftlichen Schreibens mit einem konkreten Aktenzeichen eines noch nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens bestand die Gefahr der Gefährdung öffentlicher Interessen, zu denen die effektive Strafverfolgung zählt. Das Schreiben mit dem staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen dürfte vor der Veröffentlichung lediglich dem Personenkreis zugänglich gewesen sein, welcher dienstlich mit dem Verfahren betraut gewesen ist. Insoweit bestand ein Anfangsverdacht dahingehend, dass bislang unbekannt gebliebene Täter, die aufgrund ihrer Tätigkeit dem von § 353b StGB genannten Personenkreis angehören, bedingt vorsätzlich Dienstgeheimnisse offenbart haben, welche schließlich Eingang in Ihre vorbezeichneten Veröffentlichung gefunden haben.
Da bei der Beurteilung eines Anfangsverdachts ein Beurteilungsspielraum besteht, können unterschiedliche Wertungen in die erforderliche Abwägung, ob die bekannten Tatsachen „zureichend“ für die Aufnahme von Ermittlungen sind, einfließen. Verschiedene Betrachter – beispielsweise Staatsanwaltschaft einerseits und Gerichte andererseits – können mithin zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Es besteht ein Spielraum bei der Würdigung konkreter Sachverhalte und eine gewisse Freiheit bei der Bildung von Auffassungen, ohne das zwingend der einen oder der anderen der Vorzug einzuräumen wäre. Zu berücksichtigen ist auch, dass an die Annahme eines Anfangsverdachts keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, weil die Erforschung des Sachverhaltes gerade die Aufgabe des Ermittlungsverfahrens ist. Die von der Ansicht der Staatsanwaltschaft abweichende Auffassung der Gerichte, hat die Staatsanwaltschaft Potsdam zur Kenntnis genommen. Da im Zuge der Ermittlungen keine neuen Erkenntnisse zu dem Sachverhalt bekannt geworden sind, hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Hinsichtlich Ihrer weiteren Anfrage, wie viele Ermittlungsverfahren nach § 353b StGB in den Jahren 2014 – 2019 geführt worden sind, bin ich – da es sich um Auskünfte zu statistischen Daten handelt – grundsätzlich gehalten, Sie auf frei zugängliche und bereits veröffentlichte Statistiken zu verweisen. Ich werde aber gleichwohl prüfen, inwieweit Ihre Anfrage zum Geschäftsanfall mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln in einem Umfang, der das zumutbare Maß nicht überschreitet (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 4 Brandenburgisches Landespressegesetz), beantwortet werden kann und Ihnen ggf. kurzfristig Auskunft geben.
Ein wunderbarer Artikel, der das wirklich altbackene Amtsverständnis der Brandenburger Behörden auch für mich juristischen Laien super erklärt.
Ich frage mich immer wieder, warum staatliche Stellen versuchen, juristisch gegen Medien vorzugehen, wenn sie sich dabei doch immer nur ins eigene Bein schießen können.
Danke auch für die super Recherche
Eine Polizei, die so selbstherrlich agiert wie im wilheminischen Deutschland. Ohne zu begreifen, dass sie ihr wichtigstes Kapital verspielt: das Vertrauen der Bürger in sie.
Und dann können die behördlichen Täter für ihr Fehlverhalten nicht mal belangt werden.
“Juristische Ohrfeige”, schön und gut. Aber hat das auch irgendwelche Konsequenzen, abgesehen davon nicht hübsch auszusehen? Wird irgendjemand bestraft? Verliert seine Pension oder muss in den Knast? Wenn nicht, dann werden es die Nächsten wieder versuchen, ein anderes Mal, in einem anderen Fall, mit anderen Journalisten.
@Tim, der Polizei geht es nicht um das Vertrauen der Bürger. Sie sendet ein Signal an eine konservative Machtelite, dass sie bereit ist deren Politik zu tragen, und auch gegen Bürgerrechte durchzusetzen. Oder es zu mindest zu versuchen.
Das brandenburgische Innenministerium und die brandenburgische Landespolizei schulden der der Öffentlichkeit auch eine Erklärung über ihr Vertragsverhältnis zur Sicherheitsfirma German Security (Falkensee), welche – immer noch – in Verdacht steht Rechtsextremisten zu beschäftigen.
Diese direkte Zusammenarbeit zwischen der Polizei und German Security wurde vorerst lediglich „auf Eis gelegt“ und umfasste zuvor einen intensiven Daten- und Informationsaustausch, bis hin zu gemeinsamen Fahndungen (Personen, Sachen).
https://m.tagesspiegel.de/berlin/berliner-afd-trifft-sich-auf-biesdorfer-wiese-ein-parteitag-im-festzelt-hinter-zaun-und-stacheldraht/27255732.html?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Bereits im November ’18 – mit dem Start der vertraglichen Kooperation zwischen der brandenburgischen Polizei und dem Sicherheitsgewerbe – hatte die Fraktionsvorsitzende der Brandenburger Grünen, Ursula Nonnenmache, auf diesen Umstand hingewiesen.
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kriminalitaet-brandenburger-polizei-kooperiert-mit-privaten-sicherheitsfirmen-bei-verbrechensbekaempfung-auch-bei-fahndungen-li.9606
Seit Jahren warnt der Verfassungsschutz des Landes vor der rechtsextremistischen Hooligan-Szene in Brandenburg und deren Verstrickung ins Sicherheitsgewerbe.
Wie gut, dass ich schon vor einiger Zeit aus der SPD ausgetreten bin.
Können Journalisten nicht Strafanzeige stellen, z.B. wegen Nötigung oder wegen des aus meiner Sicht rechtsmissbräuchlichen Verhaltens von Einzelpersonen? Ich denke, in solchen Fällen dürfen sich Minister, Polizeipräsidenten oder andere (aus meiner SIcht) Täter nicht mehr hinter ihren Behörden verstecken dürfen.
Medien sollten Strafanzeige stellen können oder zivilrechtlich Klage einreichen können wg. „Störung des Gewerbebetriebs“. Dann hätte man fast Waffengleichheit.
Es gibt im Strafgesetzbuch (StGB) den Tatbestand § 344 StGB, Verfolgung Unschuldiger. Ob diese Gesetzesnorm hier greift, vermag ich nicht zu beurteilen.