Verdacht des LandesverratsGeneralbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen

Wenn es nach Verfassungsschutz-Chef Maaßen und Generalbundesanwalt Range geht, sitzen Markus und ich bald zwei Jahre lang im Gefängnis. Heute wurden wir offiziell über Ermittlungen gegen uns und Unbekannt informiert. Der Vorwurf: Landesverrat.

Ermittlungen wegen Landesverrat vs Ausgezeichneter Ort der Bundesregierung im Land der Ideen. Twitter

Wir haben Post vom Generalbundesanwalt erhalten. Darin bestätigt er die Ermittlungen gegen Markus, mich und Unbekannt „wegen Verdachts des Landesverrats“ nach § 94 Strafgesetzbuch:

Wer ein Staatsgeheimnis […] an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Wir sind keine Zeugen, sondern sollen als Mittäter ebenso haftbar gemacht werden wie unsere unbekannte(n) Quelle(n). Wir sehen das als einen Angriff auf die Pressefreiheit! Es ist lange her, dass in Deutschland so gegen Journalisten und ihre Quellen vorgegangen wurde.

Über die Hintergründe berichtete unter anderem 3sat Kulturzeit: Geheime Straftäter – Whistleblower unter Anklage?

Wir lassen uns nicht einschüchtern und finanzieren uns übrigens über freiwillige Spenden. Mit Eurer Unterstützung können wir noch viel mehr aufdecken und uns rechtlich besser wappnen.

Nächsten Mittwoch bekommen wir übrigens eine Auszeichnung als „Ausgezeichneter Ort“ von Deutschland – Land der Ideen, einer „gemeinsamen Standortinitiative der Bundesregierung und der deutschen Industrie“. Schirmherr ist Bundespräsident Joachim Gauck.


Hier der Brief in Volltext:

Landesverrat: Post vom Generalbundesanwalt.
Landesverrat: Post vom Generalbundesanwalt.

Der Generalbundesanwalt

24. Juli 2015

Aktenzeichen: 3 BJs 13/15-1

Bearbeiter/in: OStA b. BGH Greven

Betrifft: Ermittlungsverfahren gegen

  1. Andre Meister
  2. Markus Beckedahl
  3. Unbekannt

wegen Verdachts des Landesverrats;

hier: Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens

Sehr geehrter Herr Beckedahl,

im Hinblick auf die Bestimmung des § 78c Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 StGB in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Alt. 2 Berliner Pressegesetz gebe ich Ihnen Kenntnis davon, dass ich aufgrund von Strafanzeigen des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Landesverrats gemäß §§ 94 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2, 53 StGB eingeleitet habe. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist die Veröffentlichung der beiden nachgenannten Artikel im Internetblog „Netzpolitik.org“. Sie sind Verantwortlicher des Blogs. Am 25. Februar 2015 um 10:40 Uhr wurde der Artikel mit der Überschrift „Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an ‚Massenauswertung von Internetinhalten‘ (Updates)“ veröffentlicht. Anschließend erschien am 15. April 2015 um 9:05 Uhr ein Beitrag mit dem Titel „Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung“, der seit dem 15. April 2015 um 20:10 Uhr auch in englischer Sprache abrufbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

(Georg)

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Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

80 Ergänzungen

  1. Ich hoffe mal, dass die Ermittlungen eingestellt werden, weil der GBA die eingestuften Informationen nicht lesen darf …

  2. Widerspruch einlegen und vor das BVerfG ziehen. Absolut unglaublich was hier abläuft.

    Ich habe bisher noch kein Geld an euch gespendet, aber das wird nun das Erste sein, was ich tun werde, wenn ich wieder in der Nähe meines TAN Generators bin.

  3. Jetzt spinnen nicht nur die Römer….
    Das ist ein passender Anlaß, meine monatlichen Beiträge an Euch zu verdoppeln…

    Das erinnert mich an 1962 und Conny Adenauers „… Abgrund von Landesverrat …“
    ;-)
    Vielleicht müssen statt Strauß ja diesmal Maaße und Range zurücktreten…?
    ;-)
    Alles Gute
    und haltet uns auf dem Laufenden
    :-)
    Jörg

  4. ahje, ich kann schon spüren wie es in meine Feed Reader zittert und die diversen Nachrichtenportale ihre Meldungen dazu raushauen werden. Bei Angriff auf die Pressefreiheit sind die Journalistenkolleg*innen ja eigentlich immer ganz vehement, auch wenn sie np.org normalerweise nicht so lieben (was auch nachvollziehbare Gründe persönlicher naturen haben kann)

  5. Gute Werbung für Euch!
    Das wird eh im Sande verlaufen und falls nicht, hoffentlich etwas starten, was man gemeinhin als Wille des Volkes ansehen könnte.

  6. Aber gegen den NSA werden die Ermittlungen selbstverständlich sofort eingestellt, aber dann gegen kritische Journalisten ermitteln. Bedankt euch bei der SPD/CDU Einheitspartei welche diese Politik in die Wege geleitet hat.

  7. Meist, wenn ich mich so durch Eure Artikel und die Artikel anderer zum Thema Netzpolitik wühle, fühle ich Wut und Verzweiflung über Dummheit oder Ignoranz unserer Politikdarsteller oder über deren offensichtlich undemokratischen Absichten. Dann frage ich mich manchmal, warum ich das lese und danach jedermann schlechte Laune habe. Vielen Dank, dass Ihr trotz der ganzen Sch***e am Ball bleibt und Ihr euch nicht einschüchtern lasst. Meine Spende geht auch heute Abend auf den Weg.

  8. Das ist wohl die letzte Chance vom Generalbundesanwalt, nachdem Ihm weder NASA nach SNA sagen konnten, wo die Dokumente her kamen ;)

    Macht weiter so und lasst euch nicht einschüchtern!

  9. …dann sollte der Generalbundesanwalt auch den beim NRW-Justizministerium tätigen Richter Wolsztynski ermitteln, denn dieser Richter hat im Jahr 2013 auch ein Dokument, was vom NRW-Justizministerium im Oktober 2009 schriftlich als GEHEIM (!) und als angebliche „Gefahr für die innere Sicherheit“ deklariert worden ist, im März 2013 herausgegeben !!!

    Durch dieses „nicht-mehr-geheime“ Dokument ist zusätzlich mittlerweile nachweisbar geworden, dass das NRW-Justizministerium einen Solarverkäufer und seinen Rechtsanwalt seit 2002 verfassungswidrig mit dem Richterprivileg (Art. 97 GG) straflos gestellt hatte.

    Auch darüber ist der Generalbundesanwalt nachweislich informiert !!

  10. Unglaublich…
    Dauerauftrag für euch eingerichtet, zwar ein geringer Betrag, dafür regelmässig.
    Macht weiter so und lasst euch nicht unterkriegen-

  11. Ich bedanke mich herzlichst beim Hernn Range für die Überzeugungsarbeit einen dauerauftrag zu erstellen.

  12. Die können ja noch nicht einmal einen Namen richtig schreiben. Dann werden sie auch nicht lernen, dass Pressefreiheit von höchsten Gerichten stets als konstitutiv für die Demokratie bewertet wurde und von daher solche Landesverratsvorwürfe – ob „bedingt abwehrbereit“ oder „unbedingt abhörbereit“ – ins Leere laufen. Dennoch: Das macht Arbeit, Ärger und kostet Geld.

  13. Grüß Gott lieber Generalbundesanwalt,
    tu’s nicht!
    Dein Franz Josef
    #spiegel-affäre

  14. Ich hoffe, ihr findet einen schönen Rahmen und einen angemessenen Platz an einer Wand in eurem Büro für das Schreiben.

  15. Im Sinne der meisten wissenden Netzaktivisten und im Sinne der leider oft unwissenden und lethargischen Restbevölkerung hoffe ich mal, dass das Ermittlungsverfahren nicht so schnell eingestellt wird, sondern möglichst lange hohe Wellen nicht nur in den Social Media, sondern auch in den zuweilen sehr devoten Mainstream-Medien schlägt. Vielleicht wachen dann mal ein paar mehr Menschen auf und erkennen, was in den Ermittlungsbehörden bezüglich NSA, BND, GCHQ, NSU und rechten Flüchtlingsheimanzündern so abgeht.

    Euch ein »Weiter so!«, Spende geht grad raus, manchmal braucht’s einen kräftigeren Denkanstoß.

  16. Die Nennung der genauen Uhrzeiten Eurer Veröffentlichungen zeugt immerhin von Präzision. Offensichtlich wird die „Sendung mitgeschnitten“. Dies würde ich immerhin als äusserst sinnvoll betrachten. Bekommen die Herren doch aus den Beiträgen und Kommentaren eine Lehrstunde in Sachen Demokratie.

  17. Wenn unter dieser Begründung gegen Netzpolitik ermittelt wird, was ist dann das, was der BND und Verfassungsschutz macht? Die geben doch auch Geheimnisse an die NSA weiter, zum Schaden von Land, Wirtschaft und vor allem dem Volk. Da sollte man direkt Anzeige gegen jeden einzelnen Mitarbeiter machen. Und gegen die Regierung wegen Beihilfe.

  18. Das klingt ja unangenehm. Solche Verfahren gegen Journalisten sind ja eher kurios im deutschen Rechtsumfeld seit der Spiegel-Affäre. Zwar finde ich es durchaus lobenswert, dass der Generalbundesanwalt auf Strafanzeigen reagiert, aber wäre mir lieb, wenn er in anderen Fällen konsequent handeln würde, und Ermittlungen gegen Journalisten als heißere Kartoffeln ansehen würde als die Interessen fremder Mächte.

    Ich mag mir schwer vorstellen, dass die Ermittlungen in diesem Fall in einer tatsächlichen Verurteilung enden. Aber was macht das aus uns und unserer Arbeit, wenn solche Konsequenzen drohen? Nicht jeder Journalist oder Blogger ist so gut aufgestellt wie Netzpolitik, nicht jeder hat die Gelassenheit, Unabhängigkeit und Stärke. Der Fall zeigt exemplarisch, dass die Arbeit von Journalisten besser reguliert respektive privilegiert werden müsste. Medienvertreter, Journalismusverbände, Abgeordnete, OSZE u.a. sollten sich demnächst mal zusammen setzen. Wir sollten bei uns einen klaren, rechtssicheren Standard für Medienfreiheit setzen, an dem sich andere Länder orientieren können. Gewohnheitliche Schutzgebiete reichen nicht mehr. Die Praktiken im Journalismus haben sich in den letzten Jahren verändert, weil mehr elektronische Dokumente zugespielt werden. Da braucht es klare gemeinsame Verständnisse was sein darf, und was nicht geht. Da gibt es natürlich viele Meinungen und Interessen. Was von wem online geschrieben werden darf, sollte nicht allein mehr Richterrecht der Pressekammer Hamburg überlassen werden, und Strafermittlungen gegen Journalisten sollten weiterhin die Ausnahme bleiben. Eine gesetzgeberische Debatte über die Grenzen des Journalismus im Zeitalter des Internet ist überfällig.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.