Einschüchterungsversuch: „Generalbundesanwalt soll Whistleblower jagen“

Sitz der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe. BIld: Voskos. Lizenz: Creative Commons BY 3.0.

Am Samstag berichteten wir mit Verweis auf den Deutschlandfunk, dass der Präsident des Verfassungsschutzes Strafanzeige wegen dem Verrat von Staatsgeheimnissen in Zusammenhang mit unserer Berichterstattung gestellt und der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufgenommen habe. Das wollten zwar weder Generalbundesanwalt noch der Verfassungsschutz bestätigen, aber sie dementierten es auch nicht.

Wir gehen davon aus, dass diese Info gezielt in Richtung Deutschlandfunk lanciert wurde, um unsere und andere Quellen einzuschüchtern – und damit auch unsere und andere kritische Berichterstattung über den Überwachungsskandal und die zunehmende Ausweitung der Befugnisse von Geheimdiensten zu behindern. Wir gehen mittlerweile auch davon aus, dass das von der Bundesregierung, zumindest vom Kanzleramt, gedeckt sein müsste. Und wahrscheinlich wurden wir ausgesucht, weil wir den kleinsten Ärger für die Bundesregierung bedeuten als wenn sie gegen den Spiegel, die Süddeutsche Zeitung oder die Tagesschau vorgehen würde, um dieses Zeichen der Einschüchterung zu setzen.

Mittlerweile haben wir auch etwas Rückendeckung von anderen Medien in der Sache bekommen.

Berliner Zeitung: Spionage von deutschen Medien – Generalbundesanwalt soll Whistleblower jagen (Erschien auch in der Frankfurter Rundschau unter „Medien im Visier der Geheimdienste“).

Es gebe mehrere Gründe, sich zu wundern, sagt Markus Beckedahl, Chef des Online-Magazins Netzpolitik.org. Zum einen erstaune es seine Redaktion, dass der Generalbundesanwalt jetzt aufgrund ihrer Veröffentlichungen Ermittlungen aufgenommen haben soll – während er beim großen NSA-Überwachungsskandal keine Ansatzpunkte dafür fand.[…] Er frage sich schon, so Beckedahl, warum ausgerechnet gegen die Quellen von Netzpolitik ermittelt wird – nicht aber gegen die Zuträger von Süddeutscher oder Spiegel. „Wir fragen uns, ob das Kanzleramt diese Anzeigen unterstützt“, sagte er. „Immerhin hat Kanzleramtsminister Altmaier schon im Herbst angekündigt, härter gegen Geheimnisverrat vorzugehen.“ Ziel sei offenbar, potenzielle Whistleblower einzuschüchtern.

Der Deutsche Journalisten-Verband sagt: Verfassungsschutz – Mehr Offenheit nötig.

Mit den eingereichten Klagen gegen mögliche Informanten signalisiere Maaßen, dass er den Informationsauftrag der Medien „mindestens als hinderlich“ empfinde. „Wer Whistleblower kriminalisiert, sieht in Journalistinnen und Journalisten Gegner statt Partner“, betonte der DJV-Vorsitzende. Der Verfassungsschutzpräsident wäre gut beraten, wenn er mehr Offenheit gegenüber der Öffentlichkeit an den Tag legte.

Christian Rath kommentiert in der TAZ: Kommentar NSA und NSU – Ist die Presse das wahre Problem?

Das eigentliche Problem aus Sicht der Bundesregierung ist offensichtlich der Informationsabfluss an die Presse, nicht die Überwachung durch einen ausländischen Geheimdienst. Genauso interessant sind die Signale, die Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, setzt. Wegen der unangenehmen Presseberichte schaltete er die Justiz ein. Auf eine Strafanzeige gegen die NSA kann man von ihm aber wohl lange warten. Der Verfassungsschutz vertritt eben nicht die Interessen der Presse gegen ausländische Geheimdienste, sondern die Interessen der Geheimdienste gegenüber der deutschen Pressefreiheit. Dabei heißt der Dienst doch „Verfassungs“-Schutz.

38 Ergänzungen

  1. Da stellt sich wieder die Frage, warum sie nicht aufklären, wenn sie nichts zu verbergen haben?

    1. Hör dir die Antworten von dem Seibert auf Tilo Jungs Fragen an, dann merkt man, wie viel die zu verbergen haben. Oder lies hier die NSAUA Protokolle mit, da merkt man es auch….

      Sobald irgendwas ein wenig heikler wird, gleich immer „Nicht öffentlich“.

  2. Einschüchterung????
    Ich seh nur das Ihr gute Arbeit macht u. uns informiert.
    Wäre eure Berichtserstattung an Haaren herbei gezogen oder unwahr würde man euch links liegen lassen.
    So falsch liegt ihr also nicht.
    Also macht weiter so.

  3. „Ist die Presse das wahre Problem?Es gibt eine Parallele bei den Affären um NSA und NSU: mangelnde Aufklärung bei Regierung, Nachrichtendienst und Verfassungsschutz.“

    Späte Einsicht bei der taz, zumal die Akteure in beiden Komplexenz.T. die gleichen sind.

    Das Problem nennt sich: der Staat im Staat.Oder auch der „Tiefe Staat“.

    Wer gestern die NSU Doku auf 3Sat gesehen hat,wird dafür genügend Ansatzpunkte erkennen.

    NSU-Komplex: drei Jahre systematische Vertuschung:

    https://machtelite.wordpress.com/2014/11/02/nsu-komplex-drei-jahre-systematische-vertuschung/

  4. Solche Aussagen deuten nur auf eines hin, die Luft bei den Geheimdienstlern wird immer dünner. Statt zu ihren Missetaten zu stehen und einzulenken wird lieber bei der 4. Gewalt ein Strohfeuer gezündelt.

  5. „Die Ansteckungskraft des Geheimnis-Tabus“, so der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger Mitte der 60er Jahre in einer immer noch aktuellen Analyse, „ist unbegrenzt. Es überträgt sich auf jeden und auf alles, was mit ihm in Berührung kommt … Geheim werden Organisationen, die sich mit dem Schutz von Geheimnissen befassen. Geheimzuhalten ist, wer Geheimnisträger ist und wer nicht. Vor allem aber ist geheim, was ein Geheimnis ist und was nicht; dies ist vielleicht das eigentliche Staatsgeheimnis.“

    1. Das ist ein sehr schönes Zitat von Enzensberger, könntest Du bitte die Quelle nennen? Ich würd gern den ganzen Text lesen.

  6. Ad personam: Rolf Clement (DLF) der Mann für besondere Fälle.

    Welche Fähigkeiten und Kenntnisse muss ein Journalist haben, um an Informationen aus dem Zentrum der Justiz zu gelangen? Wie muss er vernetzt sein um Schlagzeilen zu generieren, die die gesammte Medienlandschaft zittern lässt?

    Er brach ein Jurastudium an der Universität Bonn ab, um 1980-1984 bei Bonner Lokalzeitungen zu arbeiten. Danach war er Chefredakteur der Zeitschrift der Jungen Union …

    Na ja, das passiert schon mal während jugendlicher Hormonschwankungen. Aber den restlichen Hammer lest ihr hier komplett:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Rolf_Clement

    Der Mann scheint prädestiniert zu sein, Nachrichten ganz besonderer Art zu verbreiten:

    Am 30. Oktober 2014 berichtete er im Deutschlandfunk fälschlicherweise über „massive“ Verletzungen des „europäischen Luftraums“ durch russische Flugzeuge, wofür sich der Intendant am 7. November 2014 entschuldigte.

    Die Frage, die sich damals stellte: Wem hat das immerhin eine Woche lang genützt?

    Die Frage, die sich heute stellt ist, wie kam der Mann dieses Mal an die drei Akten betreffend Geheimnisverrat, und cui bono?

    1. Der hier bekannte Artikel von Rolf Clement
      04.07.2015 | Informationen am Morgen (Artikel
      Weitergabe vertraulicher Informationen – Verfassungsschutz-Präsident stellt Strafanzeige
      http://www.deutschlandfunk.de/weitergabe-vertraulicher-informationen-verfassungsschutz.1773.de.html=3fdram:article_id=3d324471

      Am gleichen Tag erschien auch ein Kommentar von ihm zum selben Thema
      04.07.2015 | Kommentare mit Themen der Woche
      Verfassungsschutz – Nicht mehr wie das Kaninchen vor der Schlange
      http://www.deutschlandfunk.de/verfassungsschutz-nicht-mehr-wie-das-kaninchen-vor-der.720.de.html=3fdram:article_id=3d324531

      Als Kommentator vertritt er die Position von Hans-Georg Maaßen. Es ist naheliegend, zu vermuten, dass Maaßen selbst ihm die Info bezüglich der Anzeigen gesteckt hat.

      1. @REDAKTION

        die oben verlinkten Beiträge von Rolf Clement im DLF sind nicht mehr abrufbar!!

        Kann das vielleicht noch jemand überprüfen? Gibt es Archivierungen davon?

  7. Ich sehe schon die Grundfesten der Republik einstürzen. Hört blos auf mit eurer Transparenz. Buuhuu!
    Botschaft ist eindeutig: Der Krieg wandelt sich in eine neue Ära. Jetzt sind wir alle Feinde. Die Feinde der Sicherheit. Feinde der Freiheitlich Demokratischen Grundunterordnung. Feinde der Geheimdienstfreiheit.

    So sei es. Wir werden sehen wer den Längsten hat. Atem meine ich. Die Luft wird dünn aber das Eis ist noch dünner. Entweder Abschaffung der Demokratie oder Neugliederung der Geheimdienste in diesem Land.

  8. Die vermeintlichen „Feinde“ werden lokalisiert und einer nach dem anderen, ganz ohne medialen Aufschrei, kalt gestellt.

  9. Gestern gab es bei 3sat eine Dokumentation bezüglich der Folterung und Ermordung von Elisabeth Käsemann im Jahre 1977 in Argentinien und die damalige Bundesregierung hat ihr nicht geholfen. Der ehemalige deutsche Botschafter Argentiniens hat sich bei der Doku dahingehend geäüßert das Elisabeth Käsemann eine linke Terroristin gewesen sein soll. In Wahrheit war sie aber eine liebenswürdige, pazifistische, humane Aktivistin. Alleine an diesem kleinen Beispiel sieht man was man von der deutschen Bundesregierung und den Geheimdiensten erwarten kann.

  10. Einfach ein dickes Hakenkreuz oben auf die Seite pappen, dann werden die Ermittlungen sicher unverzüglich eingestellt. SCNR

  11. Es reicht, es reicht endgültig! Diese Regierung mit seinen „Sicherheits“apparaten hat sich verselbständigt. Es ist ab sofort das Recht jedes Bürgers, aktiven Widerstand zu leisten. Der Staat will den digitalen Bürgerkrieg? An die Waffen!

  12. „Staatstrojaner lädt standardmäßig Kinderpornos auf Rechner der Bürger“ – blauerbote / fefe blog

    Beweis liegt dort bei.

  13. Heute noch nichts in den News zu dem Thema vernommen… Sind die Medien schon angewiesen, Ruhe einkehren zu lassen…? ;)

    1. Die Politik ist sich dieses Mal einig, sich nicht mehr „skandalisieren“ zu lassen. Alle gehen in Deckung und hoffen auf eine geruhsame Sommerpause.
      Ausgefressene PolitikerInnen haben ein dickes Fell. Hungernde Bürger zittern. Die Presse hat die Kompetenz verloren eigene Recherche zu treiben. Statt dessen wartet man auf die Sauen, die Wikileaks aus dem Gebüsch zieht. Diese werden dann ein paar Stunden durch die Stadt getrieben – respektive mit der Maus geschubst.
      Von einer Redakteurin einer bekannten Zeitung in BW hörte ich „uns fehlt das Geld für eigene Recherche. Wochen- oder gar monatelange Arbeit ist teuer und in dieser Zeit gibt es noch keine einzige druckbare Zeile. Wir halten uns mit Lifestyle und >>Lebenshilfe für Leser<< über Wasser". Diese Redaktion wurde jüngst im Konzern zwangsfusioniert .

      1. Kultur kostet und bringt nix.
        Datenschutz kostet und interessiert niemand.
        Kommentare beeinflussen immerhin.
        Informationen gibt’s bei der Konkurrenz auch umsonst.
        Anzeigen sind der Tropf an dem wir noch hängen.
        Sie wollen interessante Artikel? Schreiben sie selbst. Wir veröffentlichen alles, was unsere Kundschaft nicht ärgert.
        Druckfehler? Ja, ja. Die Ausbildung der Volontäre ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.

  14. Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz
    Bundesrat will Pelztierhaltung abschaffen

    Gelesen auf N-TV.de

    Überwachung von Menschen ist aber mit dem Grundgesetz vereinbar.
    Was Rauchen die für ein Zeug oder ist deren Wasser schlecht.

  15. Mal eine praktische Frage: Gibt es irgendwo eine halbwegs verständliche Anleitung, wie ich – als potentieller Whistleblower – sicher Daten verwahren und übermitteln kann? Wo sind die Knackpunkte wo man auffliegt??

    1. Wenn deine IT-Kenntnisse nicht so gut sind, dass du genau weisst was du warum tun musst, so wähle lieber analoge Methoden.
      Aus dem Stand heraus kann man kaum fehlerfrei handeln, zumal wenn man unter Stress steht. Macht euch nichts vor. Es braucht Wochen bis Monate, bis man lernt und so weit trainiert ist, dass man keine Fehler macht.
      Es geht nicht nur ums Verschlüsseln, die Kiste, die man benutzt muss sauber sein. Es dürfen keine Spuren nach der Arbeit übrig bleiben. Und man muss absolut sicher sein, dass man nur an den gewünschten Empfänger übermittelt. Das alles kann man nicht leisten, wenn man das zum ersten Mal machen will.

      1. @ frage

        Schau Dir mal das hier an: https://www.privacy-handbuch.de

        Gut geeignet für die Anforderungen von Whistleblowern: https://tails.boum.org (Details dazu im Privacy-Handbuch)

        ACHTUNG: Bevor Du die Testphase verlässt, kläre eventuelle Unsicherheiten unbedingt vorher mit den Machern des Privacy-Handbuchs. Du kannst sie über ihr Kontaktformular erreichen. Ein paar Tipps für Whistleblower gibt man dort sicher gern. Es geht ja um die gute Sache.

  16. Wenn man bedenkt, welcher Partei dieser Generalbundesanwalt angehört weiß man, warum die FDP nicht in den Bundestag gehört.

    1. Es gibt kluge Sätze und weniger kluge. Wenn schon Einzeiler verfasst werden, dann sollten sie richtig und gut sein, also richtig gut.

      Einer „Gesellschaft die auf Whistleblower angewiesen ist“, mangelt es an vielem, notwendigerweise nicht jedoch an Zivilcourage. Zivilcourage erblüht vorwiegend in dysfunktionalen Bereichen, denn gäbe es den Mangel nicht, so bräuchte es auch keine Zivilcourage. Die Courage, die dann aufgebracht werden muss, ist fast immer diejenige einer einzelnen Person, weil es keine Mehrheiten gibt, die tun, was eigentlich zu tun wäre.

      Wenn einer die Pfeife trillert, dann hat er auch Zivilcourage und behebt einen (gesellschaftlichen) Mangel.

  17. Seltsam, dass hier noch niemand etwas von der vorgesehenen Strafvorschrift zur „Datenhehlerei“ erwähnt hat, denn dies dürfte der Testballon sein.

    R.I.P. Pressefreiheit

  18. Irgendwie stinkt es foermlich nach einer Verschwoerung der Geheimdienste/Eliten-Regierungen.
    Ich vermute, die Geheimdienste haben aktuell den Auftrag, den Klassenkampf ‚Arm gegen Reich‘ fuer die Eliten positiv voranzutreiben.
    Jedes Begehren Ermittlungen gegen NSA BND Verf.Schmutz durchzufuehren, wird im Keim erstickt. Man kann sich aber auch toll herausreden aus sowas.
    ‚Nicht unser Zustaendigkeitsbereich‘
    ‚das ist so geheim, da weiss ich nichts drueber/da darf ich nichts zu sagen‘
    ‚Nach intensiver Pruefung kann nur gesagt werden, dass alle beteiligten Ermittlungsbeamten ihr absolut Moeglichstes getan haben, ein Fehlverhalten im Amt ist also ausgeschlossen‘

    Ist doch beim Thema ‚Einseitige Berichterstattung/Luegen der ÖR-Sendeanstalten‘ genauso.
    ‚Also neeeein, wir berichten absolut sachlich, unvoreingenommen, unparteiisch und alles wird doppelt und dreifach geprüft und alle haben ordentlich ehrlich und wirklich professionell gearbeitet. Die Vorwürfe sind vollkommen unbegruendet‘ (‚Und nun haltet gefaelligst die Fresse, ihr neurechten linken Spinner und Nazikommunisten‘)
    Wer sich mal die Propagandaschau bei wordpress ansieht wird schnell aufwachen:
    Unser gesamtes System ist ein einziges Schmierentheater, wir leben in einem ‚3-Staende Klassensystem 2.0‘ vergleichbar mit dem allseits Bekannten (Klerus, Adel, Alle Weiteren).
    Die Methoden sind die selben , die Leute sind die selben, die Werkzeuge sind die selben.
    Es hat alles nur einen anderen Namen/Bezeichner bekommen.

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