Die ägyptische Justiz geht hart gegen Influencer:innen im eigenen Land vor: Innerhalb einer Woche hat ein Gericht in Kairo sechs junge Frauen zu Haftstrafen von bis zu drei Jahren verurteilt. Dazu kommen hohe Geldstrafen.
Die Influencerin Manar Samy wurde am Mittwoch zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet 16.000 Euro verurteilt, berichtet Spiegel Online unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP. Das Gericht wirft ihr demnach „Anstiftung zur Ausschweifung und Unmoral“ vor.
Am Montag waren bereits die zwei Bloggerinnen Haneen Hossam und Mawada El-Adham zu zweijährigen Haftstrafen und einer Geldstrafe von jeweils umgerechnet 16.000 Euro verurteilt worden. Auch gegen drei weitere in sozialen Netzwerken bekannte junge Frauen verhängte das Gericht Haftstrafen in Höhe von zwei Jahren. Ihre Namen wurden nicht öffentlich genannt. Ihnen allen wird vorgeworfen, gegen die „öffentliche Moral“ verstoßen zu haben. Rechtskräftig sind die Urteile noch nicht.
Petition für Freilassung von Influencer:innen gestartet
Manar Samy war bereits Anfang Juli wegen ihrer Aktivität im sozialen Netzwerk TikTok festgenommen worden, heißt es von der Staatsanwaltschaft. In ihren Videos tanzt sie und bewegt ihre Lippen zu Texten von Popsongs. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Sie habe die Videos „zum Zwecke der Prostitution“ veröffentlicht, und diese stellten einen „Verstoß gegen die öffentliche Moral“ dar.
Im Prozess am Montag warf das Gericht der 20-jährigen Haneen Hossam und der 22-jährigen Mawada El-Adham außerdem vor, ihre Tanzvideos seien „unzüchtig“ und sie hätten damit „die Werte und Prinzipien der ägyptischen Familie vergewaltigt“, berichtet die Deutsche Welle. Sie hätten zur „Unzucht“ angestiftet und Menschenhandel gefördert, sagte der Staatsanwalt.
Mawada El-Adham hat auf TikTok mehr als drei Millionen Follower:innen, Haneen Hossam folgen mehr als 900.000 und Manar Samy rund 185.000 Menschen auf der Online-Videoplattform. Unterstützung bekommen sie von einer Online-Petition mit inzwischen mehr als 5.100 Unterschriften. Gestartet wurde sie Anfang Juli von einem Account namens TikTokWomen, der die ägyptischen Behörden dazu aufruft, die Maßregelung und Verhaftung von Frauen auf TikTok zu stoppen. Außerdem appellieren die Unterstützer:innen an den Nationalrat der Frauen, die Influencerinnen rechtlich zu unterstützen. In der Petition werden auch die Namen sechs weiterer Frauen genannt, die auf TikTok öffentlich aktiv waren und innerhalb von drei Monaten festgenommen wurden.
Staat kontrolliert Konten in sozialen Netzwerken
Die Regierung in Ägypten hat 2018 ein Gesetz verabschiedet, das es ihr erlaubt, hart gegen Internetaktivist:innen und Influencer:innen vorzugehen. Social-Media-Konten mit mehr als 5.000 Follower:innen werden von der staatlichen Medienaufsicht überwacht. Diese kann sie auch blockieren, wenn sie nach Lesart der Regierung Falschmeldungen verbreiten, die Religion beschimpfen oder zu Hass, Gewalt, Fanatismus oder Rassismus aufrufen. Außerdem kann die Regierung Websites sperren, deren Inhalte ihrer Ansicht nach die nationale Sicherheit bedrohen. Auch wer, ob wissentlich oder nicht, versucht, diese Seiten aufzurufen, muss mit einer Geld- oder Haftstrafe rechnen.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die staatliche Kontrolle der Medien in Ägypten. Amnesty International bezeichnete die 2018 verabschiedeten Gesetze als einen weiteren Angriff auf die Meinungsfreiheit.
LGBTQI+ werden verfolgt
Im Jahr 2017 hatten es die ägyptischen Behörden in einer Verhaftungswelle bereits auf Schwule, Lesben und Transpersonen abgesehen. Mehr als fünfzig Menschen wurden festgenommen. Der Aktivist und Filmemacher Leil-Zahra Mortada kritisierte damals im Interview mit netzpolitik.org, dass die deutsche Bundesregierung eine Mitschuld trage an der Verfolgung und Kriminalisierung von Mitgliedern seiner Community.
Seine Kritik gründete er auf dem Polizeivertrag zwischen dem Bundeskriminalamt und den ägyptischen Sicherheitsbehörden. Das BKA unterstützt auf dieser Grundlage den Staatssicherheitsdienst bei der Verfolgung von „Extremismus“. Unter diesen Begriff falle in Ägypten jedoch die gesamte Opposition sowie auch Schwule, Lesben und Transpersonen, kritisierte Mortada damals. Die Polizei nutzte unter anderem Fake-Verabredungen über die Dating-App Grindr, um Aktivist:innen festzunehmen.
Ein kleiner sprachlicher Hinweis:
Die meisten trans Menschen bevorzugen die Verwendung von „trans“ als ein Adjektiv. Also „trans Personen“ statt „Transpersonen“ (zwar nicht im Text, aber genauso „trans Frau/Mann“ und nicht „Transfrau/Transmann“).
Denn bei der Verwendung als zusammengesetztes Substantiv wird ein starker Fokus auf das Transsein gelegt. Während als Adjektiv klar wird, dass es nur eine von vielen Eigenschaften. Bei „trans Frau“ wird außerdem besser deutlich, dass trans Frauen Frauen sind, und nicht „nur“ „Transfrauen“.