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Ethischer mit Daten
Ein Jahr lang hat die Datenethikkommission getagt. Diese Woche hat sie ihr Abschlussgutachten vorgestellt. In zwei großen Abschnitten, einem zu Datenthemen und einem zu algorithmischen Systemen, fordert die Kommission viele und weitreichende Regelungen. Unter anderem sollten algorithmische Systeme einer verpflichtenden Risiko-Schätzung und Transparenzpflichten unterworfen werden. Im Bereich des Datenschutzes wird unter anderem eine personelle und monetäre Aufstockung der Datenschutzbehörden empfohlen, wie sie auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber fordert.
In ihrem Kommentar zum Gutachten schreiben Chris Köver und Ingo Dachwitz von „200 Seiten Erwartungsdruck“. Das Gutachten sei – insbesondere in Anbetracht des vorher durch die Politik aufgebauten Drucks – wegweisend. Es zeichne sich durch verständliche Sprache und praktische Beispiele aus und enthalte viele Vorschläge, die sofort umgesetzt werden könnten. Allerdings stünden viele Empfehlungen der Kommission klar im Widerspruch zur aktuellen Daten- und Algorithmenpolitik der Regierung.
Die Reaktionen auf den Abschlussbericht sind erwartbar gespalten. Von der Zivilgesellschaft werden die Ergebnisse positiv bewertet und auch im politischen Berlin ist man mehrheitlich erfreut über den Bericht. Nur die CDU wiegelt ab. Sie schließt sich der Kritik an, die auch von Lobbyverbände der Industrie vorgetragen wird: Die Vorschläge würden von einer Regulierungswut zeugen.
Während die Datenethikkommission sich dem Datenschutz gewidmet hat zeigt eine Recherche, wie deutsche Firmen ihre Beschäftigten mit technischen Mitteln überwachen. Am häufigsten sind das Tracking von Firmenautos und die Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Überwachungstechnik wird deshalb immer häufiger eingesetzt, weil sie günstiger wird und ihr Einsatz durch Gesetzeslücken sowie überforderte Behörden begünstigt wird.
Auch nicht besonders datensparsam ist der fortlaufende Datenaustausch zwischen der EU und den USA mit dem Privacy Shield. In ihrer dritten jährlichen Überprüfung der Vereinbarung spricht die EU-Kommission von einer „Erfolgsgeschichte“ und meldet lediglich kleine Verbesserungswünsche an. Dennoch ist unklar, wie lange das Abkommen bestehen bleibt: Der österreichische Jurist Max Schrems klagt gerade dagegen und ist zuversichtlich.
„Sicherer“ mit Überwachung
Eine Drohne für europäische Staaten: die Eurodrohne. Daran arbeiten Deutschland, Frankreich und Italien seit einiger Zeit. Jetzt ist klar: sie werden noch ein ganzes Stück länger daran arbeiten, als gedacht. Die Serienproduktion soll nicht vor 2027 beginnen, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. Grund für die Verzögerung seien unterschiedliche technische und operationale Vorstellungen der drei Regierungen.
Während die Eurodrohne uns also später als erwartet schützen wird, soll nach dem Anschlag in Halle ein neues Verfassungsschutzgesetz das Leben sicherer machen. Ein Entwurf dazu lag seit Februar auf Eis, auch weil die SPD dagegen war, wird jetzt aber doch vorangebracht. Die NGO Reporter ohne Grenzen warnt vor einer Aushöhlung des Redaktionsgeheimnisses durch die im Entwurf vorgesehene Online-Durchsuchung. Damit könnte das Verbot von Redaktionsdurchsuchungen zur Identifikation journalistischer Quellen umgangen werden können.
Auch in Schweden werden die Überwachungsdaumenschrauben angezogen. Dazu wird die Bekämpfung von sogenannter Gangkriminalität zum Anlass genommen. Ab nächstem Jahr darf die dortige Polizei Endgeräte hacken, um Trojaner zu installieren. Dazu sollen Sicherheitslücken bewusst offen gehalten werden. Der Maßnahmenkatalog sieht außerdem den verstärkten Einsatz von Kfz-Videoüberwachung vor. So sollen in Grenzgebieten Kfz-Kennzeichen und Autotypen per Video erfasst werden.
Die Hamburger Polizei sammelt offenbar gerne Bildchen. Während der G20-Proteste setzte sie Gesichtserkennungs-Software ein, um Straftaten zu verfolgen. Etwa 100 Terabyte an Gesichtsdaten von mindestens 100.000 Personen dürften in der entsprechenden Datenbank gespeichert sein. Der Landesdatenschutzbeauftragte Johannes Casper hatte die Löschung angeordnet, unterlag diese Woche aber vor Gericht der Polizei. Lichtblick: Das Gericht hat nicht grundsätzlich über die Zulässigkeit von Gesichtserkennungs-Software entschieden, sondern nur über die Anordnung Caspers.
Manipulierter mit Facebook
Die Zukunft schon jetzt: Der US-Kongress befragte diese Woche einen Roboter! … oder? Bei genauerem Hinsehen wird klar: Es ist doch nur Mark Zuckerberg. Knappe sechs Stunden stand er dem US-Kongress Rede und Antwort. Eigentlich sollte es nur um die Digitalwährung Libra gehen, doch Zuckerberg sah sich schnell mit Fragen zum Umgang mit Politiker:innen und ihren Falschnachrichten sowie über den Cambridge-Analytica-Skandal konfrontiert. Dabei kam der Facebook-Chef mehr als einmal ins Schwimmen und wirkte alles andere als souverän.
In letzter Zeit hat Facebook einige Schritte gegen Desinformation unternommen. Allerdings greifen diese an vielen Stellen zu kurz oder – wie im Falle von Politiker:innen – gar nicht. Facebook bleibt damit auch weiterhin ein beliebtes Tool für die Donald Trumps dieser Welt (und deren Geld). Alexander Fanta verrät vier Tricks, mit denen rechte Politiker:innen auf Facebook nach wie vor manipulative Inhalte platzieren können.
In den Beiträgen rechter Politiker:innen steckt meistens auch sehr viel Hass. Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, hat in dieser Woche einen Bericht zum Thema Hate Speech veröffentlicht. Er zeigt, dass eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Sanktionieren von Hate Speech gut möglich ist. Bisherige Ansätze vieler Staaten kritisiert er aber, darunter auch das deutsche NetzDG. Eine Auslagerung der Rechtsdurchsetzung an private Unternehmen sei der falsche Weg.
Freier mit dem ZDF
Gute Nachrichten vom ZDF. Die Dokureihe Terra X hat erstmals Videos unter einer freien Lizenz veröffentlicht. Der Vertreter für das Internet (im ZDF-Fernsehrat) Leonhard Dobusch sieht den öffentlich-rechtlichen Mehrwert von freien Lizenzen belegt. Die Videos, kleine Erklärstücke zum Klimawandel, sind unter der Lizenz „Creative Commons Namensnennung 4.0“ veröffentlicht worden und können nun beispielsweise in der Wikipedia genutzt werden.
Bei den Münchener Medientagen war Dobusch Teil eines Panels zum diesem Thema. Die Diskussion mit dem Titel „Wege zur digitalen Souveränität: Gemeinwohlorientierte Plattformen und offene Infrastrukturen“ sowie eine Zusammenfassung von vier wichtigen Punkten der Debatte sind in der Reihe „Neues aus dem Fernsehrat“ erscheinen.
Entspannter mit dem Wochenende
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat immer wieder mit großen Protesten auf sich aufmerksam gemacht. Die Gruppe „Tsunami Democràtic“ spielt bei der Organisation der Proteste eine große Rolle und hat dafür nun eine eigene App entwickelt. Nutzer:innen können dort ihre Verfügbarkeit und ihren Standort angeben um über Aktionen benachrichtigt zu werden. Auch wenn die App einige Sicherheitsvorkehrungen trifft gibt es problematische Aspekte: So ist unter anderem der Quellcode nicht öffentlich zugänglich und es ist unklar, wer überhaupt hinter der Gruppe steckt.
Genießt das Wochenende!
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