Eigentlich sollte es bei der gestrigen Anhörung im US-Repräsentantenhaus um Facebooks Pläne zur Einführung der Digitalwährung Libra gehen. Doch die Abgeordneten des Finanzdienstleistungsausschusses nutzten die seltene Gelegenheit, den Facebook-Chef Mark Zuckerberg unter Eid zu vielen anderen Themen zu befragen.
So sorgt die jüngste Bekräftigung Facebooks, Postings und Werbeschaltungen von Politikern nicht auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, für helle Aufregung in einem Land, in dem der derzeit amtierende Präsident ständig neue Lügenrekorde aufstellt. Und keine Anstalten macht, diese Praxis einzustellen.
Politikerlügen auf Facebook
In der Anhörung verneinte Zuckerberg die Frage der demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, ob sie einer bestimmten Bevölkerungsgruppe einen falschen Wahltermin vorsetzen könne. Falschinformationen über Republikaner könne sie aber publizieren. Die Grenze läge dort, wo zu Gewalt aufgerufen würde oder versucht würde, Wähler:innen von der Abstimmung fernzuhalten. Dass der einfachste Weg, Wähler:innen an der Abstimmung zu hindern aber genau das Verbreiten von Falschinformationen ist, zeigt, wie wohlfeil dieser Umgang ist.
Der demokratische Abgeordnete Sean Casten tat eine weitere Schwachstelle von Facebooks Umgang mit Politiker:innen auf. Er fragte danach, ob ein:e zur Wahl antretende:r Politiker:in anders beurteilt würde als ein einfaches Parteimitglied. Er bezog sich dabei auf antisemitische Beiträge von Politiker:innen der amerikanischen Nazipartei. Zuckerberg wollte darauf keine spezifische Antwort geben. Es käme auf den Kontext an. „Wow, das ist recht schockierend“, antwortete der Abgeordnete.
Fragen zu Facebooks Faktenchecks wich Zuckerberg ebenfalls aus. Ocasio-Cortez fragte ihn, warum die rechtsradikale Nachrichtenseite Daily Caller Teil der Faktenchecker sei. Zuckerberg versuchte, Facebook als nicht zuständig darzustellen. Für die Faktenchecks sei das Internationale Fact-Checking Network zuständig. Die Journalismusprofessorin Emily Bell kritisiert dies. Das Fact-Checking-Network würde von Facebook bezahlt und beauftragt. Facebook nutze „einen rhetorischen Trick um die Verantwortung einem machtlosen und finanziell schwächeren ‚Partner'“ zuzuschieben.
Fragen zu Cambridge Analytica
Ähnlich unergiebig fiel die Fragerunde rund um den Datenskandal aus, den Cambridge Analytica (CA) ausgelöst hatte. Dank des Whistleblowers Christopher Wylie ist bekannt, dass es eine enge Zusammenarbeit zwischen CA, rechten Politiker:innen und dem Überwachungskonzern Palantir gab. Als der Guardian 2015 erstmals über CA berichtete, haben mehrere Facebook-Mitarbeiter intern Bedenken angemeldet. Spätestens seitdem habe im Unternehmen also der Verdacht bestanden, dass etwas schiefläuft, schrieb die US-Börsenaufsichtsbehörde Mitte dieses Jahres in einer Beschwerde. Es besteht also ein begründeter Verdacht, dass Zuckerberg oder Facebook-Aufsichtsratmitglied Peter Thiel, der zugleich Vorsitzender von Palantir ist, lange vor der Veröffentlichung des Skandals Bescheid wussten.
Ocasio-Cortez fragte in diesem Kontext danach, wann Zuckerberg Kenntnis von Cambridge Analytica gehabt hat. Zuckerberg gab keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage. Zuerst sagte er, er habe erst im Zuge der Berichterstattung 2018 erstmals von CA erfahren, revidierte seine Aussage aber im Folgenden auf einen unspezifischen früheren Zeitpunkt. Wann das Thema mit Peter Thiel besprochen wurde, könne er ebenfalls nicht genau sagen. Die Abgeordnete konnte dies nicht fassen: „Herr Zuckerberg, dies war der größte Datenskandal von Facebook mit gravierenden Auswirkungen auf die letzte Wahl und sie wissen nichts?“. Zuckerberg bleibt vage. Man habe es bestimmt nach Veröffentlichung des Skandals mal diskutiert.
Mit Libra Weltmacht bleiben
Neben diesen Themen befassten sich die Abgeordneten in der Anhörung auch mit dem ursprünglich vorgesehenen: Facebooks Plänen zur Einführung einer Digitalwährung. Dabei ging es unter anderem um die Möglichkeit, über die Währung Geldwäsche zu betreiben und die vermuteten Auswirkungen auf das globale Finanzsystem.
Zuckerberg verteidigte die Pläne. Zum einen argumentierte er, dass Libra zu einer Demokratisierung des Finanzsystems führe. Außerdem würde die Währung es besonders ärmeren Menschen ermöglichen, einen besseren Zugang zum internationalen Finanzsystem zu erlangen. Für das Internetportal Quartz zeigt diese Aussage, wie wenig Wissen Zuckerberg für die Probleme der ärmeren Bevölkerung mitbringe.
Der simple Schluss, dass sehr viele Menschen Facebook nutzen und deshalb auch Libra einsetzen würden, greife zu kurz. Menschen ohne Zugang zur nötigen Technik würden ausgeschlossen. Zudem sei ein Problem, dass etwa ein Drittel der US-Bürger, die kein Bankkonto besitzen, schlicht kein Vertrauen in die Banken hätten. Ein Problem, das Facebook in Anbetracht seiner Skandalgeschichte kaum lösen dürfte. Zudem habe mehr als die Hälfte der kontolosen Menschen gar nicht genug Geld, um es in einem Konto anzulegen. „Das ist vielleicht ein Fakt, den Zuckerberg, der achtreichste Mensch der Welt, nur schwer begreifen kann“, so Quartz.
Zuckerberg merkte auch an, dass Facebook vielleicht nicht der richtige Überbringer für das Thema sei. „Wir waren in den letzten Jahren mit einer Menge von Problemen konfrontiert und ich bin mir sicher, dass sich viele Menschen wünschen, es wäre nicht ausgerechnet Facebook, das diesen Vorschlag macht“. Vorantreiben möchte er die Pläne trotzdem, selbst nachdem Paypal, Visa und Mastercard ausgestiegen sind. Dazu appellierte er an die Führungsrolle der USA. Würde man die Pläne nicht vorantreiben, würden andere Staaten wie China den Platz einnehmen. Dies würde die internationalen Einflussmöglichkeiten der USA schaden. Libra hingegen würde die „finanzielle Führungsrolle“ der USA stärken.
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