Der grüne Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht wird nach eigenen Angaben im Herbst 2018 sein Abgeordnetenmandat niederlegen und in die Landesregierung von Schleswig-Holstein wechseln. Dort tritt er als Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung die Nachfolge von Robert Habeck an, der seit einigen Wochen Bundesvorsitzender der Grünen ist. Während Albrecht sich trotz der scherzhaften Bezeichnung als „Minister für Digitales und Draußen“ zwangsläufig neuen Themen wie Energie- und Agrarpolitik zuwenden wird, geht dem EU-Parlament ein profilierter Netzpolitiker verloren. Zu seinen Beweggründen erklärt der 35-Jährige:
Sicher wäre ein weiteres Engagement im Europäischen Parlament ebenso gewinnbringend und wichtig, auch weil noch viele wichtige Schritte bei der Gestaltung der großen digitalen Transformation und der weiteren europäischen Einigung zu gehen sind. Deshalb ist es mir wahrlich nicht leichtgefallen, diese Entscheidung zu treffen. Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass niemand unersetzlich ist und politische Mandate kein Verweilort sind. Bereits jetzt verzeichnen wir zahlreiche geeignete, engagierte und tolle Kandidat*innen, die für die nächste Europaliste von Bündnis 90/Die Grünen antreten wollen. Zudem wird für mich mit Romeo Franz jemand in das Europäische Parlament nachrücken, der sich seit über 20 Jahren in der Bürgerrechtsarbeit engagiert und als geschäftsführende Direktor der Hildegard Lagrenne Stiftung für die Rechte der Sinti und Roma in Deutschland und Europa streitet. Er stellt damit nicht nur eine passende Bereicherung der Grünen Europagruppe im Bereich Antidiskriminierung und Minderheitenrechte dar, sondern kann als mein Nachfolger den wichtigen Politikbereich der Bürgerrechte in Europa hervorragend übernehmen.
Tatsächlich hinterlässt Albrecht im EU-Parlament eine Lücke, die für die digitale Zivilgesellschaft schmerzhaft ist: Der auch unter dem Kürzel „JPA“ bekannte Albrecht war und ist nicht nur digitalaffin, sondern setzte sich nachhaltig für digitale Grund- und Bürgerrechte ein. So unterstützte er beispielsweise den Widerstand gegen das digitalkulturfeindliche Abkommen ACTA und verhandelte als Berichterstatter des EU-Parlaments federführend die EU-Datenschutzgrundverordnung mit. Die für die politische Gestaltung des digitalen Wandels inzwischen so wichtige EU wird damit um einen bewegungsnahen Akteur ärmer, der Netzpolitik nicht nur als Wirtschafts- oder Sicherheits-, sondern als Gesellschaftspolitik versteht.
Medienberichten zufolge war für den Job in Schleswig-Holstein auch ein anderer grüner Netzpolitiker im Gespräch, welcher Digitalisierung und Freiheitsrechte ebenfalls zusammendenkt. Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz soll seinem Landesverband jedoch eine Absage erteilt haben.
Je höher dir Karriereleiter, desto weniger Rücksicht auf die – auch netzpolitische – Basis.
Ich finde es eher beängstigend, dass der Wechsel ins Amt eines Landesrates (so heißt die entsprechende Stelle in Österreich) aus dem IMHO viel wichtigeren EU-Parlament als „Aufstieg“ empfunden wird. Vor allem, wenn man sich dort über die Jahre ein so deutliches Profil erarbeitet hat. Klar, jetzt ist JPA nicht mehr so weit weg und bekommt vielleicht mehr Sendezeit in Deutschland als zuvor (?), aber ganz verstehe ich das immer noch nicht.
Oder vielleicht wollte er nur den Dauernörglern zuvorkommen, die ihn sonst als Sesselkleber beschimpft hätten, wenn er sich fürs EU-Parlament entschieden hätte.
Sympathischer Mensch. Tolle Doku über ihn und weitere EU-Parlamentarier: „Domocracy – Im Rausch der Daten“