Netzpolitischer Wochenrückblick KW 51: Oh wie schön – überall Gesichtserkennung

Am Berliner Südkreuz wird die automatische Gesichtserkennung munter weiter getestet. Facebook bekommt aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung vom Bundeskartellamt auf den Deckel und die Hamburger Polizei sorgt mit seiner sogenannten Öffentlichkeitsfahndung zum G20-Gipfel für Aufruhr. Die Themen der Woche im Überblick.

Einfach mal entspannen – netzpolitik.org wünscht allen einen geruhsamen Jahresausklang. CC-BY-NC-ND 2.0

Wir hatten diese Woche wieder einige Nachrichten zu den großen Plattformen. So prüft Facebook seit Dienstag alle hochgeladenen Bilder mit einer Gesichtserkennungssoftware und benachrichtigt jene Personen, die dabei erkannt und zugeordnet werden können über den Upload. Die Funktion wird aufgrund von Datenschutzbedenken bisher nicht bei Nutzern aus Europa und Kanada angewendet. Zumindest kann man sagen, dass wir davon noch nichts sehen sollen.

Auf der anderen Seite hielt die Woche einiges in Sachen Regulierung bereit. In Frankreich hat die nationale Datenschutzbehörde dem Facebook-Tochterunternehmen WhatsApp verboten, Nutzerdaten mit dem Mutterkonzern zu teilen. In Deutschland kritisiert das Bundeskartellamt Facebooks marktbeherrschende Stellung und verdächtigt das Unternehmen, missbräuchlich Daten über seine Nutzer auch außerhalb der eigenen Plattform zu sammeln. Markus Reuter hat dazu einen Kommentar verfasst und sieht die Chance gekommen, das Monster Facebook endlich zu bändigen.

Twitter blendet seinen Nutzern nun Warnungen ein, bevor sie hasserfüllte Äußerungen und Zeichen mit hoher Symbolkraft, wie etwa dem Hakenkreuz, angezeigt bekommen. Damit soll den Forderungen nach Maßnahmen gegen die Verrohung des öffentlichen Diskurses nachgekommen werden. Die Regelverschärfungen sollen bereits dazu geführt haben, dass eine rechtsnationale Gruppe von der Plattform suspendiert wurde. Getroffen hat es aber auch den ägyptischen Menschenrechtler Wael Abbas, dessen Account angeblich wegen Hate Speech gesperrt wurde. Die genauen Vorwürfe sind nicht bekannt.

Wir experimentieren mit Webvideo

Zusammen mit medialepfade.org präsentierten wir am Donnerstag unser neues Webvideo-Format „about:blank“. Das ist für uns auch ein Experiment: Wir wollen komplexe Themen und Fragestellungen auch in anderen Formaten für Zielgruppen wie unter 21-Jährige vermitteln. In diesem Fall in kurzen Videos auf den Plattformen, wo junge Menschen sind. Aber immer mit einer offenen und freien Alternative! Nach 16 Folgen werden wir auswerten, wie und ob wir damit weitermachen. Wir freuen uns über Feedback und Verbesserungsvorschläge!

Wie viele von euch wissen, wird unsere Arbeit fast vollständig von Leserinnen und Lesern über Spenden finanziert. Wir blicken auf die Entwicklung unserer Einnahmen und Ausgaben in diesem Jahr zurück. Und schauen in die Zukunft: Wir freuen uns auf Ideen und Feedback von Euch. Hier in den Kommentaren, auf dem kommenden Chaos Communication Congress in Leipzig und auf allen anderen Kanälen, wo Ihr mit uns in den Dialog treten könnt.

Gesichtserkennung, Überwachung und Militärhilfe

Eine Ausweitung der Überwachung kann sich Thomas de Maizière auch hier vor Ort gut vorstellen. Bei seinem Besuch am Berliner Bahnhof Südkreuz erklärt der Bundesinnenminister die Zwischenergebnisse und Fehlerquoten des Biometrie-Tests zur automatischen Gesichtserkennung. Weitere sechs Monate soll der Test nun laufen. Danach will er die Technologie am liebsten flächendeckend einsetzen, was grundsätzlich sowie auch aufgrund der aktuellen Fehlerquoten mehr als fragwürdig erscheint.

Auch in Hessen wird die Überwachung vorangetrieben. Die schwarz-grüne Landesregierung will mit einem neuen Gesetz die Befugnisse des Verfassungsschutzes ausweiten und unter anderem den heimlichen Einsatz von Staatstrojanern legalisieren. Ein breites Bündnis aus Bürgerrechtsorganisationen, Datenschutzinitiativen, Parteien und Demokratieprojekten fordert den Landtag nun auf, dem Gesetz nicht zuzustimmen.

Das tunesische Militär erhält in verschiedenen Projekten Hilfe von der Bundeswehr und der Bundespolizei. Die bereits existierenden Maßnahmen zur Grenzsicherung werden nun durch Hilfe beim Aufbau eines elektronischen Grenzüberwachungssystems ausgeweitet. Ebenfalls hoch im Kurs steht Überwachung bei der neuen Regierung in Österreich. Das Regierungsprogramm der rechten Koalition aus ÖVP und FPÖ plant ein massives Überwachungspaket, Pornofilter sowie eine industriefreundlichere Politik.

Aus der Theorie auf die Podien

Aus der Theorie kennen wir das Thema Überwachung von dem Philosophen Michel Foucault. Leon Kaiser berichtet von der wissenschaftlichen Diskussion um einen neu erschienenen Sammelband, in dem die Autoren die 40 Jahre alte Machtanalyse des Franzosen auf die Gegenwart beziehen. Ein anderer großer Denker ist Manuel Castells. Er war kürzlich im ausgebuchten Kino International in Berlin zu Gast und beleuchtete die Machtverhältnisse in der digitalen Gesellschaft. Er sprach unter anderem zur Bedeutung von Datenschutz, Verschlüsselung und Whistleblowing. Julia Krüger war dort und rezensiert für uns seinen Vortrag.

Wer sich über die Feiertage ein wenig mit Algorithmen und möglichen Regulierungsansätzen beschäftigen möchte, kann sich die Videoaufzeichnungen der Vorträge und Paneldiskussionen einer Konferenz anschauen, die Ende November zu dem Thema in Berlin stattfand.

Unangenehme Folgen vom Baden und Protestieren

Immer diese Strahlen. In Freudenstadt wurde ein neues Freibad gebaut, wo es zukünftig kostenlosen WLAN geben sollte. Nun hat die SPD-Fraktion die Pläne der CDU auf Eis gelegt: Zunächst soll ein Gutachter prüfen, wie sich das auf die Strahlenbelastung der Badenden in der Kreisstadt im Nordschwarzwald auswirkt.

Die Hamburger Polizei hat anlässlich des G20-Gipfels mehr als 100 Fotos von Personen veröffentlicht und die Bevölkerung zur Mithilfe aufgerufen. Das sei gesetzteswidrig und stigmatisierend, sagen Kritiker wie Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung. Zuvor hatte der Polizeieinsatz während des G20 bereits wegen zahlreicher Fälle von Polizeigewalt gegen Demonstranten und Journalisten für Unmut gesorgt.

So kritisiert der Hamburger Datenschutzbeauftragte Caspar den Umgang mit den Listen der gesperrten Journalisten. Ersten Ergebnissen nach war das Vorgehen der Polizeibehörden sogar rechtswidrig. Die Hamburger Datenschutzbehörde untersuche nun, wie es zum Entzug der Akkreditierung der Journalisten kam. Netzpolitik betrifft alle.

Open Access hat viele Seiten

In unserer Reihe „Neues aus dem Fernsehrat“ hat Leonhard Dobusch fünf Wünsche an das öffentlich-rechtliche Christkind formuliert. Dabei geht es ihm um eine Verbesserung der Internetangebote der Sender, die ohne Gesetzesänderungen möglich wären.

Am Dienstag ging die neue Seite von OffenerHaushalt.de online. Dort erfährt man durch einfache Visualisierungen, wofür Bund, Länder und Kommunen die eigenen Steuergelder verwenden. Nutzer können nun auch selbstständig Haushaltsdaten hochladen und so dazu beitragen, dass das Projekt weiter wächst.

Es ist nicht so, dass große Wissenschaftsverlage immer schon Fans von Open Access waren. Doch die anfängliche Skepsis ist inzwischen profitablen Geschäftsmodellen gewichen. Immer mehr Länder und Forschungsinstitutionen einigen sich mit Großverlagen pauschal auf Open-Access-Zugänglichkeit für alle Artikel. In der Praxis zeigt sich aber, dass manche Verlage versuchen, die Autoren und Autorinnen zu übermäßig restriktiver Lizenzierung anzuhalten.

Probleme mit dem Urheberrecht gibt es auch beim „Star-Wars-Remix“ der österreichischen Grünen, nachdem sie sich für ein Wahlvideo bei Star Wars bedienten, schlägt Disney jetzt mit dem Copyright-Schwert zurück. Leonhard Dobusch fragt, ob ein starker Urheberrechtsschutz angemessen bei Werken sei, die längst kulturelles Allgemeingut sind?

Mit der derzeit geplanten EU-Urheberrechtsreform könnte es Upload-Filter für hochgeladene Internetinhalte geben. Zu diesen Filtern gibt es jede Menge Mythen. Wir haben für euch einen Artikel von Diego Naranjo und Joe McNamee von European Digital Rights übersetzt, der einige dieser Fehlannahmen auseinander nimmt und dabei erklärt, was es mit den Upload-Filtern auf sich hat.

Wir wünschen erholsame Feiertage und viel Entspannung und Ruhe. Zwischen Weihnachten und Neujahr wird unsere gesamte Redaktion in Leipzig auf dem 34. Chaos Communication Congress des Chaos Computer Clubs sein. Von dort werden wir berichten, aber auch selbst einige Vorträge über unsere Themen halten. Sprecht uns an, wenn Ihr Feedback habt.

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